Oct 6, 2022
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Kritische Infrastruktur: Sorge vor Blackouts wegen Sabotage: Kommunen fordern nationale Notstrom-Reserve

Written by Dietmar Neuerer


Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sieht insbesondere bei der Strom- und Trinkwasserversorgung Handlungsbedarf. „Wir brauchen eine nationale Notstromreserve und zum Beispiel auch Notbrunnen zur Trinkwasserversorgung, mit denen man Trinkwasser produzieren kann, ohne auf ein Netz angewiesen zu sein“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg dem Handelsblatt. „Auch Lebensmittel- und Medikamentenvorräte sollten bundesweit angelegt werden.“ Das gehe zwar nicht von heute auf morgen. „Aber wir brauchen einen Booster für den Zivilschutz.“

Landsberg begründete seine Forderung damit, dass eine Sabotage kritischer Infrastrukturen „verheerende Auswirkungen“ haben könne. Das gelte insbesondere für einen längeren Stromausfall. „Dann funktioniert fast nichts mehr: keine Trinkwasserversorgung, kein Lebensmittelgeschäft, keine Tankstelle“, erklärte der Städtebundchef. Für die Energie- und Wasserversorgung als wichtige Sektoren kritischer Infrastruktur gebe es zwar seit Jahren Schutzkonzepte. „Aber Sabotageakte, wie wir sie jetzt in der Ostsee erlebt haben, stellen eine neue Dimension dar“, sagte Landsberg.

In Deutschland ist es grundsätzlich Aufgabe der Unternehmen und Behörden, die kritische Infrastruktur betreiben, für einen sicheren und zuverlässigen Betrieb ihrer Anlagen und Einrichtungen zu sorgen. Wenn es etwa um Cybersicherheit geht, stehen sie in Kontakt mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Geht es um Spionagerisiken, erhalten sie Warnungen vom Verfassungsschutz.

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Zur kritischen Infrastruktur zählen laut einer Definition der Bundesregierung alle „Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden“. Das kann ein Klärwerk sein, ein privater Energieversorger, ein Lebensmittelproduzent, ein Krankenhaus, eine Telekommunikationsfirma oder eine Stromtrasse.

Seit Beginn des Ukrainekriegs 253 Störungen gemeldet

Auch Innenpolitiker der Ampelkoalition sehen Deutschland nur unzureichend gegen Sabotageakte und Anschlagsszenarien gewappnet. Der SPD-Innenexperte Sebastian Hartmann sagte dem Handelsblatt: „Wir müssen selbstverständlich auch eine nationale Reserve Notstrom für Blackouts mit einer dezentralen mobilen nationalen Reserve Notstrom bei leistungsstarken Feuerwehren aufbauen und bereithalten.“

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic sieht auch Handlungsbedarf und erklärt dies damit, dass Krieg in der heutigen Zeit eine „umfassendere Bedrohung“ bedeuten könne als vor 50 oder 60 Jahren. „Der Aufbau einer Reserveinfrastruktur zum Beispiel bei Notstrom und Notbrunnen ist extrem wichtig“, sagte Mihalic.

>> Lesen Sie auch: Nächstes Anschlagsziel Stromversorgung? Sorge wegen Sabotage an Infrastruktur wächst

Die FDP-Abgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht weist darauf hin, dass die bisherige Vorsorge- und Standortplanung in der Trinkwassernotversorgung noch aus dem Kalten Krieg stamme. „Viel zu lange wurde dieses wichtige Thema in Deutschland vernachlässigt.“

Deshalb sei es richtig gewesen, im vergangenen Jahr das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) neu auszurichten und zu stärken. Das allein reicht ihr aber nicht. Angesichts der Herausforderungen müssten nun Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen.

Andrea Lindholz (CSU), stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, warf der Ampelkoalition vor, Lehren aus dem russischen Angriffskrieg und der Energiekrise für den Zivilschutz zu ziehen. Längerfristige Stromausfälle hätten fatale Auswirkungen, sagte Lindholz dem Handelsblatt. „Die aktuellen Entwicklungen und die erratische Energiepolitik der Bundesregierung machen solche Krisenszenarien wahrscheinlicher.“

Generell greift bei Schutzmaßnahmen der Föderalismus. Verantwortlich sind die Länder, der Bund unterstützt – etwa durch Übungen des BBK, bei denen Krisenszenarien wie Hackerangriffe auf staatliche Einrichtungen durchgespielt werden sollen. Viele Betreiber von Einrichtungen der kritischen Infrastruktur sind Unternehmen, die in privater Hand sind. Doch auch sie haben Pflichten und müssen etwa größere IT-Störungen melden.

Von den Kritis-Betreibern sind laut Bundesinnenministerium in den vergangenen zwei Jahren 830 Störungen gemeldet worden. Zwischen dem Beginn des Ukrainekriegs am 24. Februar und dem 9. September wurden 253 Störungen gemeldet.

„Kritis-Dachgesetz“ soll Mindeststandards für kritische Infrastrukturen vorschreiben

Nicht alle Störungen seien auf Angriffe, Datendiebstahl, Industriespionage oder Sabotage zurückzuführen, betont das Ministerium. „Teilweise handelt es sich um technisches Versagen von Hard- oder Software sowie menschliches Fehlverhalten.“

Aus Sicht der Grünen-Innenexpertin Mihalic ist es daher umso dringlicher, noch einmal in einen „vorsorgenden Zivilschutz“ zu investieren. Wichtig sei hierbei, das BBK zur Zentralstelle im Bevölkerungsschutz weiterzuentwickeln, „damit wir auf mögliche Krisen nicht mit regional fragmentierten Strukturen reagieren müssen“. Außerdem brauche es endlich ein „Kritis-Dachgesetz“, um Mindeststandards für kritische Infrastrukturen gesetzlich festzuschreiben.

Der SPD-Politiker Hartmann wies auf den Koalitionsvertrag hin. Darin sei dem Schutz kritischer Infrastrukturen „eine besondere Bedeutung beigemessen“ worden. Das geplante „Kritis-Dachgesetz“ solle helfen, die „physischen Strukturen“ abzusichern.

Vor allem die Grünen fordern schon länger ein solches Gesetz, das auch Fragen der IT-Sicherheit regeln soll. Im Juli hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigt, bald Eckpunkte dazu im Kabinett vorzulegen. Bislang ist dies nicht geschehen.

Mehr: „Die Bedrohung wächst“ – Wie gefährdet die kritische Infrastruktur in Deutschland ist



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Politik

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