Oct 6, 2022
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Gipfel in Prag: Deutschland will Gaspreisdeckel nur für eigene Bürger zahlen und bringt EU-Partner gegen sich auf

Written by Christoph Herwartz

Brüssel, Prag Der Druck auf Deutschland und die EU-Kommission steigt, einem EU-weiten Gaspreisdeckel zuzustimmen. An diesem Freitag diskutieren die Staats- und Regierungschefs in Prag darüber. Am Donnerstag zeigten sich mehrere von ihnen unzufrieden mit den bisherigen Beschlüssen.

In einem Brief an die Runde legte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen „Fahrplan für weitere Maßnahmen“ dar. Darin weicht sie allerdings ein weiteres Mal den konkreten Forderungen aus, mit denen eine Mehrheit der Staaten in die Verhandlungen geht. Minister von 15 der 27 EU-Staaten fordern, den Preis für Gas im Großhandel zu deckeln. Ihr Vorschlag läuft darauf hinaus, dass die Gaslieferanten von außerhalb der EU weniger Geld verlangen können, was den Gaskunden in Europa zugutekäme.

Am Donnerstag bekräftigten sie dies in einem Papier, das dem Handelsblatt vorliegt. Demnach soll eine weitere Reduzierung der Gasnachfrage erst dann eingeführt werden, wenn der Preisdeckel zu Versorgungsproblemen führt.

Von der Leyen zeigt sich zwar offen für „Preisbegrenzungen“, will aber auf keinen Fall einen niedrigeren Einkaufspreis auf dem Weltmarkt erzwingen. „Wenn die EU die Importpreise deckelt, könnten Anbieter das Vertrauen in ihre europäischen Kunden verlieren“, sagt Philipp Lausberg vom European Policy Centre. „Das will auch Deutschland unbedingt vermeiden.“

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Laut dem österreichischen Gasexperten Walter Boltz müssten die Staaten zahlen, wenn die Gaskunden geschont werden sollen: „Einen limitierten Preis erreicht man nur durch Subventionen“, sagt er.

Einige europäische Staaten haben die Gaspreise bereits gedeckelt. Einen Deckel auf europäischer Ebene einzuführen könnte ihre eigenen Haushalte entlasten, weil dann alle Staaten gemeinsam dafür aufkommen müssten. „Subventionen sind gerade bei hohen Zinsen toxisch“, sagt Lausberg. „Darum freuen sich verschuldete Staaten, wenn die Last auf alle verteilt wird.“

Deutsche Pläne sorgen für Kritik

Deutschland gehört zu den Gegnern eines solchen Vorschlags und müsste wohl auch überproportional viel dafür zahlen. Doch dass Berlin seine Finanzkraft stattdessen nutzt, um ausschließlich die eigene Wirtschaft und die eigenen Bürger zu entlasten, kritisieren viele Europäer scharf.

„Das Problem ist, dass jedes Land sein eigenes Paket schnürt“, sagte die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas. „Wir müssen das Problem strukturell angehen, weil sonst die Länder, die mehr Geld haben, mehr Geld ausgeben können, was dem Binnenmarkt schadet.“

Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen in Prag

Auch die französische Regierung will einen europaweiten Gaspreisdeckel.


(Foto: AP)

Ihr lettischer Kollege Krisjanis Karins sagte, da die deutsche Wirtschaft so groß sei, könnten diese Hilfen eine verzerrende Wirkung haben. „Je größer die Wirtschaft eines Landes ist, desto größer ist die Verantwortung“, sagte er in Richtung Berlin. „Wir müssen zusammenarbeiten, um den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten ausgeglichen zu halten.“

>> Lesen Sie hier: EU-Kommission macht sich für europäischen Gaspreisdeckel stark

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton kündigte an, die deutsche Gaspreisbremse auf eine mögliche Wettbewerbsverzerrung hin zu prüfen. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager forderte „eine gemeinsame und koordinierte Antwort, die die grundlegende Stärke Europas nicht gefährdet: unseren Binnenmarkt“.

Gaspreisdeckel wäre kein Anreiz zum Sparen

Die deutschen Maßnahmen haben im Vergleich zu den auf EU-Ebene diskutierten Eingriffen allerdings den Vorteil, dass sie das Preissignal für Gas weniger verzerren. In Deutschland soll nur ein Grundbedarf an Gas subventioniert werden, der Anreiz zum Sparen also weitgehend erhalten bleiben.

Ein Gaspreisdeckel würde dagegen fast zwangsläufig zu einem höheren Verbrauch führen. „Den Gaspreis zu senken ist schwer vereinbar mit dem Ziel, Gas einzusparen“, sagt Lausberg. „Keine der verschiedenen Optionen ist darum optimal.“

Entsprechend knüpft von der Leyen ihr Angebot eines Gaspreisdeckels an neue Sparvorgaben und an verbindliche Solidaritätsabkommen, die Gaslieferungen zwischen den EU-Ländern auch im Falle eines Gasmangels sicherstellen sollen. Beides wurde bereits mehrfach vorgeschlagen, aber stets abgelehnt. Deutschland hat bis heute keine Solidaritätsabkommen mit den Niederlanden, Belgien und Frankreich, über die es LNG bezieht.

>> Lesen Sie hier: Wie der Gaspreisdeckel funktionieren könnte

Ein weiteres Hindernis für die Kommission wäre die Umsetzung eines Gaspreisdeckels. „Die Importpreise zu überwachen und zu regulieren ist eine wahnsinnig komplexe Sache“, sagt Boltz. „Es gibt keine Institution, die das auf Anhieb könnte.“

Die Zeit spielt derzeit für die Kommission, denn seit die Gasspeicher nahezu voll sind, ist auch der Gaspreis wieder deutlich gefallen. Sollte es dabei bleiben, würde wohl auch der Druck auf die Kommission wieder sinken, unerprobte Maßnahmen einzuleiten.

Mehr: Wie teuer wird der Gaspreisdeckel? Ökonomen widersprechen SPD-Schätzung



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Politik

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