Stockholm Die Entscheidung dürfte dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht gefallen haben: In diesem Jahr werden der belarussische Menschenrechtsaktivist Ales Bjaljazki, die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und das ukrainische Center for Civil Liberties mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Wie das Nobelkomitee in Oslo mitteilte, haben sich alle drei Preisträger in ihren Ländern für die Einhaltung der Menschenrechte eingesetzt. „Sie haben sich außerordentliche Verdienste bei der Dokumentation von Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch erworben“, begründete das Komitee die Entscheidung. „Gemeinsam demonstrieren sie die Bedeutung der Zivilgesellschaft für Frieden und Demokratie“, sagte die Vorsitzende des Komitees, Berit Reiss-Andersen.
Der 60-jährige Ales Bjaljazki kämpft seit 30 Jahren für die Demokratie in seinem Heimatland Belarus. 1996 gründete er dort das Menschenrechtszentrum „Wjasna“ als Reaktion auf die umstrittenen Verfassungsänderungen des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko, die ihm diktatorische Befugnisse gaben. „Wjasna“ setzt sich für inhaftierte Demonstranten ein und dokumentiert Folterungen politischer Gefangener.
Bjaljazki war nach den manipulierten Wahlen 2020 nahezu täglich auf den Straßen der Hauptstadt Minsk. Er forderte wie Zehntausende Belarussen einen Machtwechsel und faire Wahlen. Mit einer weiß-roten Fahne um die Schultern gewickelt protestierte Bjaljazki unerschrocken gegen den Wahlbetrug.
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In den vergangenen Jahren hat Bjaljazki mehrmals Bekanntschaft mit dem brutalen Rechtssystem in Belarus machen müssen. Mehr als 25 Mal wurde er verhaftet und musste ins Gefängnis. 2011 verurteilte ihn ein Gericht wegen Steuerhinterziehung zu einer viereinhalbjährigen Haftstrafe. Nach 1052 Tagen und zahlreichen internationalen Protesten wurde er im Sommer 2014 vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen.
Menschenrechtler aus Belarus, Russland und der Ukraine erhalten Friedensnobelpreis
Trotz Misshandlungen während der Haftzeit hat er nie aufgegeben. Nach den Großdemonstrationen vor zwei Jahren wurde er erneut festgenommen und sitzt noch immer wegen eines angeblichen Steuerbetrugs ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis. Das Nobelpreiskomitee forderte den belarussischen Präsidenten auf, Bjaljazki sofort freizulassen. 2020 erhielt der Aktivist bereits den Alternativen Nobelpreis der Right Livelihood Stiftung.
Center for Civil Liberties dokumentiert Kriegsverbrechen
Die ukrainische Menschenrechtsorganisation Center for Civil Liberties wurde 2007 gegründet, um Demokratie und Menschenrechte in der Ukraine voranzubringen. Die Organisation will die Zivilgesellschaft stärken und übt Druck auf Behörden aus. Ziel ist es, die Ukraine zu einer vollwertigen Demokratie zu entwickeln.
Nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine versucht das Center for Civil Liberties, die russischen Kriegsverbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung zu dokumentieren. Die Schuldigen sollen später zur Rechenschaft gezogen werden.
Auch die russische Menschenrechtsorganisation Memorial kämpft seit Jahren gegen politische Unterdrückung. Die Organisation wurde 1987 in der damaligen Sowjetunion gegründet, um die Erinnerung an die Opfer des kommunistischen Regimes aufrechtzuerhalten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde Memorial zur wichtigsten Menschenrechtsorganisation in Russland. Sie baute ein Dokumentationszentrum für die Opfer der stalinistischen Ära auf und unterstützte politische Gefangene. 2021 wurde Memorial in Russland verboten.
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri lobte die Auswahl der diesjährigen Friedensnobelpreisträger. „Ich denke, das Komitee sendet die Botschaft, dass Menschenrechte, bürgerliche Freiheiten und eine aktive Zivilgesellschaft Teile des Friedens sind. Ich glaube nicht, dass man dem widersprechen kann“, sagte Sipri-Direktor Dan Smith. Auch die Bundesregierung begrüßte die Entscheidung des Komitees. Diese Auszeichnung ehre „all jene, die mit enormen Mut und unter hohem Risiko für ihre Rechte und ihre Freiheit kämpfen“, twitterte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Im vergangenen Jahr teilten sich den Friedensnobelpreis die beiden Journalisten Maria Ressa aus den Philippinen und der Russe Dmitri Muratow. In diesem Jahr waren 343 Organisationen und Einzelkandidaten für den Preis nominiert.
Die Nobelpreise, die mit zehn Millionen Kronen (920.000 Euro) dotiert sind, werden am 10. Dezember, dem Todestag ihres Stifters Alfred Nobel, in Stockholm und Oslo verliehen.
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