Kiew, Moskau Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat mit seiner Forderung nach „Präventivschlägen“ einen empfindlichen Nerv getroffen – nicht nur in Moskau.
Während der Kreml von einem Aufruf zum Beginn des „Dritten Weltkriegs“ sprach, versicherte Kiew, Selenski sei bei seinem Videoauftritt vor australischen Meinungsmachern am Donnerstag falsch verstanden worden.
US-Präsident Joe Biden sieht die Gefahr einer atomaren Konfrontation nach Drohungen aus dem Kreml so groß wie seit 60 Jahren nicht mehr. Freitag ist Tag 226 im russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Die Nato muss nach Ansicht Selenskis die Möglichkeit eines russischen Atomwaffeneinsatzes verhindern – notfalls mit Präventivschlägen. Selenski betonte bei einem Auftritt vor dem Lowy Institut am Donnerstag die Bedeutung von Präventivmaßnahmen.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Die Nato „muss die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes durch Russland ausschließen. Wichtig ist aber – ich wende mich wie vor dem 24. Februar deshalb an die Weltgemeinschaft – dass es Präventivschläge sind, damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie sie anwenden.“ Er betonte: „Nicht umgekehrt: Auf Schläge von Russland warten, um dann zu sagen: „Ach du kommst mir so, dann bekommst du jetzt von uns““.
Selenskis Sprecher Serhij Nykyforow betonte umgehend, dessen Forderung sei falsch verstanden worden. Der ukrainische Präsident habe lediglich gesagt, vor dem 24. Februar – dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine – seien Präventivmaßnahmen nötig gewesen, um den Krieg zu verhindern.
In seiner Rede lehnte der ukrainische Präsident Gebietsabtretungen an Russland ab, um Kremlchef Wladimir Putin zu beschwichtigen und einen Frieden zu erzielen. Der Aggressor dürfe für das Losschlagen des Kriegs nicht belohnt, sondern müsse besiegt werden. Einen Atomschlag gegen die Ukraine werde Putin nicht überleben, so der 44-Jährige.
Kreml: Selenski fordert Beginn des Dritten Weltkriegs
Der Kreml hat die Äußerungen Selenskis in Richtung Nato zu möglichen Präventivschlägen gegen Russland scharf verurteilt. „Die Erklärungen Selenskis sind nichts anderes als ein Aufruf zum Beginn des Dritten Weltkriegs mit unvorhersehbaren schrecklichen Folgen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. Auch das russische Außenministerium kritisierte Selenskis Äußerungen heftig.
Laut Peskow lenken die USA und Großbritannien die Handlungen Kiews. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa behauptete, der Westen zettele einen Atomkrieg an. „Jeder Mensch auf dem Planeten muss erkennen, dass die mit Waffen vollgepumpte und unstabile Marionette Selenski sich in ein Monster verwandelt hat, mit dessen Händen man den ganzen Planeten vernichten kann“, sagte sie.
Biden: So nahe am „Armageddon“ wie seit Kuba-Krise nicht mehr
US-Präsident Biden sieht die Gefahr einer atomaren Konfrontation mit katastrophalen Folgen nach Drohungen aus dem Kreml so groß wie seit 60 Jahren nicht mehr. Die Welt habe seit der Kuba-Krise 1962 nicht vor der Aussicht auf ein „Armageddon“ gestanden, sagte Biden am Donnerstag (Ortszeit) laut mitreisenden Journalisten bei einem Auftritt in New York.
Er kenne Putin ziemlich gut, so Biden demnach. Der Kremlchef scherze nicht, wenn er über den potenziellen Einsatz taktischer Atomwaffen sowie Chemie- und Biowaffen spreche, da das russische Militär in den Kampfhandlungen in der Ukraine schwächele.
Selenski fordert weiter Druck gegen Moskau und AKW-Rückgabe an Kiew
In seiner abendlichen Videoansprache ging Selenski nicht auf seine Irritationen hervorrufenden Worte ein. Stattdessen betonte er einmal mehr die von Russland ausgehende atomare Gefahr.
Er forderte den Westen dazu auf, den Druck auf Moskau hochzuhalten – auch um die Rückgabe des annektierten AKW Saporischschja zu erzwingen. „Ich danke allen für ihre Unterstützung, die für die Rückgabe der vollen ukrainischen Kontrolle über das Kraftwerk und dessen vollständige Entmilitarisierung kämpfen“, sagte Selenski. Die 500 russischen Soldaten in der Nuklearanlage bezeichnete er als Katastrophenrisiko.
Kremlchef Putin hatte am Mittwoch im Zuge der Annexion das AKW für Russland in Besitz genommen. Selenski nannte den Schritt „wertlos und dumm“. Ein Kernkraftwerk sei kein Palast, den man stehlen könne, spielte er auf Enthüllungen zu Putins Luxuspalast am Schwarzen Meer an.
Zugleich bedankte sich Selenski beim Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi. Dieser habe ihm versichert, dass die IAEA allein die Ukraine als Besitzer des AKW betrachte.
Auch von der EU forderte Selenski diplomatischen Druck, um die Rückgabe des AKW zu erreichen. Sonst sei die Ukraine nicht in der Lage, überschüssigen Strom für den Export in die EU zu produzieren. Er lobte das neue EU-Sanktionspaket. Zugleich drängte er darauf, dass Russland keine Gewinne mehr aus dem Öl- und Gasverkauf ziehen dürfe.
EU setzt mit Partnern Zeichen gegen Putin
Die EU-Staaten haben als Zeichen gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zudem eine neue politische Gemeinschaft mit fast allen anderen europäischen Ländern gegründet.
Die Staats- und Regierungschefs der mehr als 40 beteiligten Partner kamen am Donnerstag in Prag zu einem ersten Treffen zusammen. Unter ihnen war auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der die sogenannte Europäische Politische Gemeinschaft als „große Innovation“ bezeichnete. Das nächste Treffen ist im Frühjahr 2023 in der durch Russland unter Druck gesetzten Republik Moldau geplant.
Strack-Zimmermann erneuert Forderung nach Panzerlieferung an Kiew
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, erneuerte bei einem Ukraine-Besuch am Donnerstag ihre Forderung nach einer Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern an das Land. „Der Wille, das eigene Land zu verteidigen, ist ungebrochen“, sagte die FDP-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.
So berichtet das Handelsblatt über den Ukraine-Krieg und die Folgen:
„Aber die Ukraine braucht weiterhin Unterstützung von uns, um über den Winter zu kommen. Das betrifft allen voran Munition, aber auch die Lieferung von Schützen- oder Kampfpanzern, um russische Stellungen zurück zu drängen.“
Was am Freitag wichtig wird
Putin wird 70. Gefeiert wird im luxuriösen Konstantins-Palast. Geladen sind die Staatschefs der Sowjetnachfolge-Organisation Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Damit will Putin zeigen, dass er trotz seines Angriffskriegs international nicht isoliert ist.
Mehr: Verpassen Sie keine Entwicklung – Alles Neue in unserem Newsblog zum Ukrainekrieg
<< Den vollständigen Artikel: Ukraine – Die Lage am Morgen: Selenski: Nato muss Atomwaffeneinsatz verhindern – Biden: So nahe am „Armageddon“ wie seit Kuba-Krise nicht mehr >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.