Düsseldorf Der frühere US-Notenbankchef Ben Bernanke und die beiden US-Ökonomen Douglas Diamond und Philip Dybvig sind mit dem Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Ökonomie, auch als Wirtschaftsnobelpreis bekannt, ausgezeichnet worden.
Die drei Forscher erhielten ihn „für ihre Arbeiten zu Banken und Finanzkrisen“, wie es in der Begründung der Schwedischen Akademie der Wissenschaften heißt. Ihre Forschung habe es leichter gemacht, Finanzkrisen zu bewältigen.
Die drei US-Wissenschaftler hätten unser Verständnis über die Rolle von Banken in Finanzkrisen wesentlich verbessert, schreibt die Akademie weiter. „Die Arbeiten der Preisträger geben uns bessere Möglichkeiten, in Zukunft sowohl ernste Krisen als auch kostspielige Rettungsaktionen zu vermeiden“, ergänzte der Vorsitzende des Nobelkomitees, Tore Ellingsen.
Allerdings beruhen die damaligen Erkenntnisse der Preisträger und die heutige Erläuterung der Akademie auf einem Verständnis des Bankwesens, das zwar noch viele Lehrbücher bevölkert und wissenschaftliche Aufsätze unterfüttert, von Notenbanken aber inzwischen als zumindest teilweise vereinfacht und irreführend betrachtet wird.
Die Akademie schreibt zur Erklärung der wissenschaftlichen Errungenschaften der Preisträger: „Um zu verstehen, warum eine Bankenkrise so enorme Folgen für die Gesellschaft haben kann, müssen wir wissen, was Banken eigentlich tun: Sie nehmen Geld von den Einlegern entgegen und leiten es an Kreditnehmer weiter.“
Geld entsteht nicht, wenn jemand es zur Bank bringt
Zu dieser in Fachkreisen als „Loanable-funds“ bezeichneten Theorie schrieb die Bank von England 2014 in einem vielbeachteten Aufsatz mit dem Titel „Money creation in the modern economy (Geldschöpfung in der modernen Wirtschaft)“. Dort heißt es: „In diesem Artikel wird erklärt, wie der Großteil des Geldes in der modernen Wirtschaft von Geschäftsbanken geschaffen wird, die Kredite vergeben. Die Geldschöpfung in der Praxis unterscheidet sich von einigen weit verbreiteten Missverständnissen – Banken fungieren nicht einfach als Vermittler, die Einlagen von Sparern ausleihen.“
Der verbreitete Glaube, die Banken verliehen nur Geld der Einleger weiter, sei letztlich der Grund für Finanzkrisen, kritisiert der frühere Wirtschaftsweise Peter Bofinger von der Universität Würzburg die Erklärung und die Entscheidung der Akademie. Er gehört zu den Lehrbuchautoren, die das, was die Bank von England schreibt, in ihren Lehrbüchern bereits abbilden.
Bofinger erklärt seine harsche Kritik so: „Die Sparer können keine Kreditblase verursachen, über die zu viel Geld in Umlauf kommt.“ Das könnten nur Banken im Wege der exzessiven Kreditgewährung. Aber diese Gefahr sei wegen einer falschen Geldtheorie nicht richtig auf dem Schirm der Entscheidungsträger gewesen.
Entsprechend ungnädig kommentiert er die Preisvergabe: „Das ist etwa so, als wenn man Ptolemäus mit dem Physik-Nobelpreis für die Erkenntnis ehren würde, dass die Sonne um die Erde kreist.“ Aber zum Glück, fügt er hinzu, richtet sich das tatsächliche geldpolitische Handeln der Zentralbanken heute kaum noch nach dieser Theorie.
Theorie aus der Goldmünzenzeit
Ganz so, als bestünde unser Geld noch aus einer begrenzten Menge Goldmünzen, schreibt die Akademie, ohne Banken müssten die Sparer ihr Geld direkt in langfristige Projekte investieren. Die Banken seien als Lösung für dieses Problem entstanden. „Die Bank bietet Konten, auf die die Haushalte ihr Geld deponieren können. Sie verleiht dieses Geld dann an langfristige Projekte.“
Dieser Sichtweise widerspricht auch die Bundesbank in ihrem Schulbuch „Geld und Geldpolitik“ ausdrücklich: „Häufig besteht die Vorstellung, dass Buchgeld nur dadurch entsteht, dass Bargeld auf ein Konto eingezahlt wird. Dabei wird aber übersehen, dass Bargeld vorher von einem Konto abgehoben wurde. Das Buchgeld war also vorher schon da. Die Frage ist deshalb, wer das Buchgeld schafft: Es sind die Banken, etwa wenn sie Kredite vergeben.“
Langfristige Investitionsprojekte werden also durch Kreditschöpfung der Banken finanziert, nicht durch Einlagen wie im Modell von Diamond and Dybvig.
Dennoch: Im Kreditschöpfungsmodell, wie es die Bank von England und die Bundesbank vertreten, stimmt die Schlussfolgerung von Diamond, Gybvig und Bernanke, dass die Banken anfällig für sogenannte Bankruns sind, bei denen so viele Einleger ihre Einlagen als Bargeld aus dem Bankensystem herausholen wollen, dass die Banken illiquide werden. Denn diese halten typischerweise nur einen Bruchteil der Einlagen in Form von Bargeld vorrätig oder in Form von Ansprüchen an die Zentralbank, die in Bargeld umgetauscht werden können.
Während allerdings Diamond und Dybvig als Lösung allein eine Einlagensicherung vorschlagen, die den Bankkunden das Risiko aus einer Bankenpleite abnimmt und damit den Anreiz, ihr Geld massenhaft abzuheben, gilt das heute nur als notwendiger, aber bei Weitem nicht ausreichender Teil der Krisenvermeidungsstrategie. Denn derart abgesicherte Banken können in Dimensionen wachsen, die alle Sicherungssysteme sprengen. Ein Musterbeispiel sind die Megabanken des kleinen Island, die in der Finanzkrise von 2009 pleitegingen.
Ex-Fed-Chef Bernanke und zwei weitere US-Ökonomen erhalten Wirtschaftsnobelpreis
„Wenn Banken Einlagen durch Kreditvergabe schaffen, dann wird der Kreditgeber der letzten Instanz wichtig“, erläutert Bofinger. In diesem Sinne haben die Zentralbanken seit 2009 in riesigem Volumen Ansprüche der Banken an die Zentralbanken geschaffen, indem sie ihnen Staatsanleihen abkauften.
Bernankes Forschung zu Finanzkrisen war wegweisend
Bernanke wurde vor allem für seine empirische Forschung zu den verheerenden wirtschaftlichen Folgen von Bankenkrisen und den Mechanismen dahinter ausgezeichnet. Diese gilt heute noch als wegweisend. Der 69-Jährige war von 2006 bis 2014 Vorsitzender der US-Notenbank Federal Reserve und zeigte anhand historischer Daten unter anderem, wie die „Große Depression” ab dem Jahr 1929 auch durch das Verhalten von Banken und Unternehmen entstand.
Zusammen mit zwei weiteren Forschern entwickelte er zudem die Forschung dahingehend weiter, dass der Blick auf den Finanzmarkt heute Standard in jedem Konjunkturmodell ist – noch bis in die 90er-Jahre war das nicht zwingend der Fall. Das als „financial accelerator” bekannte Konzept verbesserte Prognosen zu Konjunktur- und Finanzzyklen maßgeblich, wird bis heute berücksichtigt und erlaubte zu zeigen, dass Rezessionen, die durch eine Bankenkrise verstärkt werden, deutlich tiefer und langwieriger ausfallen.
Der ebenfalls 1953 geborene Douglas Diamond ist Professor an der Chicago-Universität, die besonders oft mit Ökonomie-Nobelpreisen bedacht wird. Der zwei Jahre jüngere Philip Dybvig lehrt an der Washington University in St. Louis..
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