Oct 16, 2022
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Großbritannien: Heimlicher Machtwechsel: Neuer Finanzminister korrigiert Kurs von Premier Liz Truss

Written by Torsten Riecke

Die politisch stark angeschlagene Premierministerin entließ daraufhin am Freitag ihren Finanzminister Kwasi Kwarteng, berief ihren früheren Rivalen Hunt zu dessen Nachfolger und kündigte an, die Körperschaftsteuer für Unternehmen werde nun doch von 19 auf 25 Prozent angehoben. Zuvor hatte sie bereits die geplante Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 auf 40 Prozent rückgängig gemacht.

Die Finanzmärkte überzeugte Truss damit nicht: Die Zinsen für britische Staatsanleihen stiegen und das Pfund verlor erneut an Boden. „Wir gehen nicht davon aus, dass sich die finanziellen Bedenken aufgrund der heutigen Maßnahmen verringern werden. Vielmehr halten wir eine weitere Instabilität der Märkte für wahrscheinlich“, sagte Benjamin Nabarro, Ökonom bei der US-Bank Citigroup in London. Dies habe zur Folge, dass Truss nun zwischen ihrer Parlamentsfraktion einerseits und den Märkten andererseits in die Zange genommen werde.

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Damit steht Truss nach nur gut einem Monat im Amt vor einem politischen Scherbenhaufen. Zahlreiche Abgeordnete ihrer Konservativen Partei haben der Regierungschefin die Gefolgschaft aufgekündigt und planen, sie mit einem parteiinternen Misstrauensvotum aus dem Amt zu drängen. Bereits in der kommenden Woche wollen die rebellierenden Tories Medienberichten zufolge Truss öffentlich zum Rücktritt auffordern.

Liz Truss

Die britische Premierministerin muss ihren wirtschaftspolitischen Kurs korrigieren.


(Foto: AP)

Den Anfang machte am Sonntag der konservative Abgeordnete Crispin Blunt. Fast zwei Drittel der Briten sprechen nach einer Meinungsumfrage für den TV-Sender Channel 4 der Premierministerin das Misstrauen aus. In den Umfragen liegen die Tories inzwischen fast 30 Prozentpunkte hinter der oppositionellen Labour Partei.

Der neue Finanzminister Hunt kritisierte den bisherigen Kurs und das Tempo von Truss als „zu weitgehend und zu schnell“. „Mein Schwerpunkt liegt auf Wachstum, das durch Stabilität gestützt wird“, betonte der ehemalige Gesundheits- und Außenminister und versuchte damit, eine erneute Verkaufswelle an den Finanzmärkten in dieser Woche abzuwenden. Selbst wenn man die jetzt angekündigte Rücknahme der Steuererleichterungen für Unternehmen und Privatpersonen berücksichtigt, verbleibt im britischen Haushalt immer noch eine Finanzierungslücke von rund 40 Milliarden Pfund, die nach Meinung des Institute for Fiscal Studies (IFS) im Wesentlichen durch Einsparungen bei den Staatsausgaben geschlossen werden müsste.

„Die Premierministerin hat immer noch das Sagen“

Hunt kündigte „schwierige Entscheidungen“ an: Er deutete Kürzungen bei den öffentlichen Leistungen an, obwohl Truss genau das noch Mitte vergangener Woche im Parlament kategorisch ausgeschlossen hatte. „Die Premierministerin hat immer noch das Sagen“, versicherte Hunt. Zugleich stellte er jedoch die gesamte wirtschaftspolitische Agenda von Truss infrage.

Alles werde auf den Tisch kommen, sagte der Finanzminister und wollte auch weitere Steuererhöhungen nicht ausschließen. Die Details seines Sparprogramms will Hunt am 31. Oktober in einem neuen Haushaltsentwurf vorstellen. So schlimm wie während der Austerität nach der Finanzkrise werde es aber nicht werden, versprach er.

Zur Disposition steht dem Vernehmen nach auch Truss’ Vorhaben, den Eingangssatz in der Einkommensteuer ab April 2023 von 20 auf 19 Prozent zu senken. Er wäre nach den gestrichenen Erleichterungen beim Spitzensteuersatz und den Unternehmensteuern die dritte Kehrtwende der konservativen Regierung innerhalb eines Monats.

Notenbankchef Andrew Bailey begrüßte den Kurswechsel zurück zur „Nachhaltigkeit in der Fiskalpolitik“. Mit einem „Blindflug“ könne man dieses Ziel nicht erreichen, sagte der Chef der Bank of England mit Blick auf die ungedeckten Steuerpläne der Regierung Truss. Die Notenbank hatte mit massiven Aufkäufen britischer Staatsanleihen versucht, eine Finanzkrise zu verhindern. Das Notprogramm war am Freitag ausgelaufen.

Bank of England kündigt weitere Zinserhöhungen an

Zugleich kündigte Bailey für Anfang November weitere Zinserhöhungen an: „Wir werden nicht zögern, die Zinssätze zu erhöhen, um das Inflationsziel zu erreichen“, sagte der Währungshüter. Aus heutiger Sicht gehe er davon aus, „dass der Inflationsdruck eine stärkere Reaktion erfordern wird, als wir vielleicht im August dachten“. Die Verbraucherpreise in Großbritannien waren im August um rund zehn Prozent gestiegen. Noch höhere Inflationszahlen werden am Mittwoch erwartet.

Nicht überrascht über die Kurswende in Großbritannien zeigte sich US-Präsident Joe Biden: „Ich war nicht der Einzige, der das für einen Fehler hielt … die Idee, die Steuern für die Superreichen zu senken … Ich bin mit dieser Politik nicht einverstanden, aber es ist Sache Großbritanniens, dieses Urteil zu fällen, nicht meine“, sagte Biden, der die bereits vom früheren US-Präsidenten Ronald Reagan favorisierte Idee der „trickle-down economics“ als nicht machbar kritisiert hatte. Gemeint ist damit die jetzt gescheiterte Idee von Truss, dass eine steuerliche Entlastung von Besserverdienenden und Unternehmen zu mehr Wachstum und damit mehr Wohlstand für alle führen werde.

Mehr: Neuer britischer Finanzminister: „Regierung wollte zu schnell zu viel“





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