New York Evan McMullin könnte in Utah etwas Außergewöhnliches gelingen. Im Rennen gegen den Republikaner Mike Lee um dessen Sitz im US-Senat hat McMullin zuletzt kräftig aufgeholt. Nun liegt er in Umfragen nur noch wenige Prozentpunkte hinter Lee. Das Besondere: McMullin ist kein Republikaner und auch kein Demokrat. Er ist ein unabhängiger Kandidat.
Der frühere Republikaner versucht, die Wählergunst mit moderaten Botschaften zu gewinnen. Er will die Spaltung im Land stoppen und sich vor allem um wirtschaftliche Belange kümmern – aber ohne dabei der einen oder anderen Partei Rede und Antwort stehen zu müssen. Das könnte bei den Wählern gut ankommen: Mehr als die Hälfte der Amerikaner wünscht sich eine dritte Partei, und nur 40 Prozent fanden im September dieses Jahres, dass die etablierten Parteien einen guten Job machen, wie Daten des Meinungsforschungsinstituts Gallup zeigen.
Sich als unabhängiger Kandidat gegen die etablierten Parteien durchzusetzen, ist ein schwieriger Weg im binären politischen System in den USA. Das liegt vor allem an zwei Merkmalen des US-Wahlsystem, erklärt Mark Siegel, Professor für Global Affairs an der New York University. Zum einen entscheidet bei Wahlen um Sitze im Senat oder des Repräsentantenhauses das Prinzip „First past the post“. Die Person mit der Mehrheit der Stimmen für einen Sitz zieht in eine der beiden Kongresskammern ein. Eine proportionale Verteilung der Sitze nach Stimmenanteil gibt es nicht.
Bei der Wahl des US-Präsidenten begünstigt vor allem das Wahlmännersystem die duale Parteienlandschaft: Die Partei mit den meisten Stimmen gewinnt in der Regel alle Wahlmänner eines Staates, die dann wiederum den Präsidenten und den Vizepräsidenten wählen. Auch hier entscheidet nicht die Verteilung, sondern das Mehrheitsprinzip.
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Der zweite Aspekt ist das Verhalten der Wähler, erklärt Siegel. Wählerinnen und Wähler „verschwenden nur ungern ihre Stimme“. So würden sie sich lieber für eine Partei entscheiden, die eher Chancen hat, die Mehrheit in einem Staat zu gewinnen – und das sind in der Regel die Demokraten oder die Republikaner.
Neu gegründete Parteien haben es schwer
Im aktuellen Senat gibt es bereits zwei unabhängige Senatoren: Bernie Sanders und Angus King. Beide haben sich jedoch dazu entschieden, der Fraktion der Demokraten anzugehören und sich deren Wahlverhalten anzupassen. McMullin hingegen hat bereits angekündigt, sich keiner Fraktion anschließen zu wollen.
Fern von den unabhängigen Kandidaten gibt es in den USA immer wieder Bemühungen, neue Parteien zu gründen. Zu den populärsten gehören die Green Party, die Libertarian Party und die Constitution Party. Alle sind jedoch nur in einem Teil der 50 Bundesstaaten aktiv.
Eine frische Neugründung ist „Forward“. Deren Gründer David Jolly, Christine Todd Whitman und Andrew Yang sind optimistisch. Ihren Gastbeitrag in der „Washington Post“, in dem sie im Juli ihre neue Partei vorstellten, überschrieben sie mit: „Die meisten dritten Parteien sind gescheitert. Warum wir nicht scheitern werden“. Inzwischen ist es um Forward allerdings stiller geworden, während in den USA der Wahlkampf in vollem Gange ist. Journalisten und Beobachter attestieren der Partei geringe Erfolgsaussichten.
Daten zeigen jedoch, dass insbesondere jüngere Wähler sich weniger oft auf eine Parteizugehörigkeit festlegen. Die Parteizugehörigkeit beschreibt nicht per se einen Parteibeitritt, sondern eher eine Wahlpräferenz, die amtlich dokumentiert ist. Staaten schreiben die sogenannte Wählerregistrierung vor, um an Wahlen teilnehmen zu können. Bei dieser Gelegenheit können Wähler außerdem eine Seite wählen: blau oder rot.
Midterms – US-Zwischenwahlen – Worum geht es?
Repräsentantenhaus
Bei den Zwischenwahlen am 8. November wählen die US-Amerikaner sämtliche 435 Abgeordnete im Repräsentantenhaus neu. Die Amtszeit der Abgeordneten ist grundsätzlich auf zwei Jahre beschränkt. Bisher haben die Demokraten dort 222 Sitze, die Republikaner 213. Zusammen mit dem Senat bildet das Repräsentantenhaus den Kongress.
Senat
Im Senat wählen die Amerikaner bei den Midterms nur ein Drittel der 100 Sitze neu – insgesamt 35. Von den nun zur Wahl stehenden Sitzen sind 14 bisher von Demokraten und 21 von Republikanern besetzt. Derzeit verfügen die Republikaner im Senat über 50 Stimmen, die Demokraten über 48 und die Unabhängigen über zwei. Zusammen mit den Unabhängigen und der Stimme der Vizepräsidentin haben die Demokraten dennoch die Mehrheit.
Gouverneursposten in den Bundesstaaten
In 36 der insgesamt 50 Bundesstaaten wird am 8. November auch der Gouverneursposten neu gewählt, also die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der einzelnen Bundesstaaten. Von den Staaten mit Gouverneurswahlen sind bisher 20 von Republikanern geführt und 16 von Demokraten.
Zu den am heißesten umkämpften Staaten, die die Machtverhältnisse in Washington verschieben könnten, gehören Arizona, Florida, Georgia, Kansas, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin.
Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, sich als „unabhängig“ zu registrieren – was insbesondere jüngere Menschen immer häufiger wahrnehmen. Mehr als die Hälfte der Millennials sind als unabhängige Wähler registriert, Tendenz steigend. Bei den Babyboomern betrug der Anteil in diesem Jahr 33 Prozent.
Ein Zweiparteiensystem spaltet nicht nur die Politik, sondern auch die Menschen im Land. Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Pew Research fanden heraus, dass Anhänger einer Partei nicht nur kritisch über die Politik der anderen Partei denken, sondern auch kritisch über die Menschen, die dieser Partei angehören.
So halten 62 Prozent der Republikaner Amerikaner, die der Demokratischen Partei angehören, für faul – ein zunehmender Trend. 2016 waren es nur 46 Prozent. 83 Prozent der Demokraten schätzen Anhänger der Republikanischen Partei als engstirnig ein.
Mehr: Neue US-Partei „Forward“ – Andrew Yang geht mit Demokraten und Republikanern auf Stimmenfang
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