Oct 17, 2022
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AKW-Laufzeiten: Kanzler Scholz greift durch und verlängert die Laufzeiten für alle drei Atomkraftwerke

Written by Klaus Stratmann

Berlin Bundeskanzler Olaf Scholz setzt den Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland bis „längstens zum 15. April 2023“ durch. Das geht aus einem Schreiben des Kanzlers an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die für die nukleare Sicherheit zuständig ist, hervor.

Das Bundespresseamt veröffentlichte das Schreiben am Montagabend. Darin verweist Scholz auf seine Richtlinienkompetenz als Kanzler, von der er damit zum ersten Mal Gebrauch macht.

Scholz beendet so einen wochenlangen Streit zwischen Habeck und Lindner. Lindner hatte darauf gepocht, die drei Kernkraftwerke bis 2024 am Netz zu lassen und darüber hinaus möglichst noch drei Atomkraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen, die 2021 abgeschaltet wurden.

Habeck dagegen wollte allein die beiden süddeutschen Kernkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 bis Mitte April 2023 weiterlaufen lassen. Der Grünen-Parteitag hatte ihm dafür am Wochenende grünes Licht gegeben. Die Beschaffung neuer Brennstäbe für den Weiterbetrieb bis 2024 lehnen die Grünen ebenso ab wie die Reaktivierung alter Anlagen.

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Im Schreiben des Kanzlers heißt es außerdem, es werde ein „ambitioniertes Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz vorgelegt“. Zusätzlich wird angekündigt, die Vereinbarung zwischen Bundesregierung, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Energiekonzern RWE zum vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinischen Revier 2030 gesetzgeberisch umzusetzen.

Podcast: Haben die Grünen im AKW-Streit zu früh rote Linie gezogen?

Erste Reaktionen auf das Machtwort des Kanzlers fielen positiv aus. Politiker von Grünen und SPD bemühten sich gleichermaßen, die Entscheidung als Erfolg darzustellen. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Dieter Janecek, sagte dem Handelsblatt, auch der Kanzler habe klargestellt, dass der Ausstieg aus der Atomenergie zum 15. April 2023 unwiderruflich stattfinde. „In einer solchen Krisensituation werden von allen Kompromisse verlangt, die über die Schmerzgrenze hinausgehen“, sagte Janecek.

Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte: „Es ist ein wichtiger Schritt, dass die drei noch laufenden Kernkraftwerke während der Energiekrise in diesem Winter weiter zur Verfügung stehen. Als Freie Demokraten haben wir in den letzten Monaten hart dafür gekämpft, dass alle verfügbaren Kraftwerke am Netz bleiben.“

Das Verhandlungsergebnis zeige, dass sich gut begründete Positionen durchsetzten. „Wir senden mit dem Weiterbetrieb auch ein Signal an die Märkte, dass im Winter mehr Strom zur Verfügung stehen wird. Das senkt die Preise und erhöht die Planungssicherheit von Unternehmen und Bürgern“, ergänzte Kruse.

Kanzler Scholz erhält Zuspruch aus der Energiebranche

Auch die Energiebranche begrüßte die Entwicklung. „Es ist gut, dass der Bundeskanzler eine Entscheidung getroffen hat“, sagte Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Die Bundesregierung sollte sich jetzt wieder mit aller Kraft den notwendigen schnellen Entscheidungen für eine kurz- und langfristig sichere, bezahlbare und klimafreundliche Energieversorgung widmen“, so Andreae.

Es gehe darum, die Haushalte zu entlasten und gleichzeitig die Energie-, Wärme- und Verkehrswende voranzutreiben. „Jede zusätzliche Erneuerbare-Kilowattstunde erhöht die verfügbare Menge Strom und kann in den kommenden Jahren dazu beitragen, die Preise zu senken und die Versorgung zu sichern“, sagte sie.

AKW-Laufzeitverlängerung bis April gebilligt

Mit seiner Entscheidung verlangt Scholz beiden Seiten Zugeständnisse ab. Die Liberalen vertraten die Position, ein Weiterbetrieb aller drei Atomkraftwerke sei unerlässlich. Wenn die Liberalen von einem „Weiterbetrieb“ sprachen, dann meinten sie bislang – anders als die Grünen – allerdings einen Weiterbetrieb bis ins Jahr 2024.

Scholz dagegen begnügt sich nun mit einem Weiterbetrieb bis Mitte April 2023. Außerdem hätten die Liberalen am liebsten neben den drei derzeit noch laufenden Atomkraftwerken zusätzlich ältere Anlagen reaktiviert, die bereits Ende vergangenen Jahres abgeschaltet wurden. Auch dieser Lösung schiebt Scholz einen Riegel vor.

Die FDP fühlte sich durch den zweiten Stresstest bestätigt, den Bundeswirtschaftsminister Habeck im Sommer bei den vier Betreibern der Stromübertragungsnetze – 50Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW – in Auftrag gegeben hatte. „Unsere Botschaft ist ganz klar: Es ist sinnvoll und notwendig, alle Erzeugungskapazitäten zu nutzen“, hatte einer der Chefs der Unternehmen Anfang September in Habecks Beisein gesagt. Die Liberalen deuteten das als Aufforderung zum Weiterbetrieb aller drei Meiler.

Grünen-Spitze holte sich Zustimmung auf dem Parteitag – aber nur für zwei Meiler

Habeck jedoch zog aus dem Stresstest einen anderen Schluss: Er vertrat die Auffassung, lediglich zwei der drei Atomkraftwerke seien noch erforderlich: Isar 2 und Neckarwestheim 2 würden „in eine Reserve überführt“, sagte Habeck. Sie würden nur dann genutzt, „wenn die Situation es gebietet“, so der Minister noch vor wenigen Wochen. Der Meiler im niedersächsischen Emsland dagegen werde Ende des Jahres endgültig vom Netz gehen.

Kernkraftwerk Isar 2

Der Streit um den Weiterbetrieb der AKWs in der Krise hat die Ampel lange beschäftigt.



(Foto: dpa)

Selbst das war vielen Grünen zu viel. Die Ablehnung der Atomkraft liegt der Partei in den Genen, sie gehört zum Gründungsmythos. Darum musste die Parteispitze auf dem Parteitag hart darum ringen, die Zustimmung für den Reservebetrieb der beiden süddeutschen Anlagen zu erhalten. Am Ende erhielt sie den Segen der Parteibasis. Am 15. April kommenden Jahres sollte aber dann nach Überzeugung der Grünen auch für die beiden Meiler Schluss sein. Ein deutlich längerer Betrieb von AKWs wäre mit der Beschaffung neuer Brennelemente verbunden, was die Grünen auf ihrem Parteitag ablehnten.

FDP-Chef Lindner hatte dagegen noch Ende vergangener Woche betont, er erwarte von allen Beteiligten, dass sie keine roten Linien zeichneten. „Ich kann für mich nur sagen: Wenn es darum geht, Schaden von unserem Land abzuwenden, die ruinös hohen Energiepreise zu reduzieren, Blackouts zu verhindern – dann gibt es für mich keine roten Linien“, betonte Lindner. „Hier geht es nicht um Parteipolitik.“ Und er fügte hinzu: „Ich bin über meinen finanzpolitischen Schatten schon Milliarden Mal gesprungen.“

Nun müssen FDP und Grüne von ihren Positionen abrücken. Die Grünen, weil drei statt nur zwei Atomkraftwerke am Netz bleiben. Die FDP, weil sie den Weiterbetrieb bis 2024 zu den Akten legen muss.

Mehr: Stresstest für die Energiewende – Warum der Atomausstieg nicht unantastbar ist



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Politik

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