Oct 20, 2022
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Krise zwischen Deutschland und Frankreich: Macron warnt die Bundesregierung vor einer Isolation

Written by Gregor Waschinski

Auch in der Bundesregierung wurde auf „schlichte logistische Schwierigkeiten“ verwiesen, so seien Kabinettsmitglieder wegen parallel stattfindender Schulferien in Berlin verhindert. Regierungssprecher Steffen Hebestreit räumte aber ein, dass bei einigen bilateralen Fragen noch Klärungsbedarf bestehe: „Diese Abstimmungen bedürfen noch einiger Zeit.“

Die plötzliche Absage des Treffens in Fontainebleau zeigt, wie schlecht es aktuell um die deutsch-französischen Beziehungen bestellt ist. Seit Wochen ist in der französischen Regierung wachsender Unmut über die deutsche Politik zu vernehmen. Die Unzufriedenheit gilt gerade auch Kanzler Olaf Scholz (SPD), dem in Paris nationale Egoismen in der Energiekrise vorgeworfen werden.

Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron kamen am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel zusammen. Der Élysée-Palast veröffentlichte anschließend eine nüchtern klingende Erklärung.

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Scholz und Macron seien übereingekommen, „zu einer Fortsetzung der Diskussionen zwischen französischen und deutschen Ministern zu ermuntern, damit der nächste deutsch-französische Ministerrat so substanziell und ambitioniert wie möglich sein kann“. Man wolle sich bald auf ein neues Datum verständigen.

Erste Schwierigkeiten: die Terminfindung

Eigentlich treffen sich die Kabinettsmitglieder aus Deutschland und Frankreich einmal im Jahr. Zuletzt fanden die Beratungen im Mai 2021 statt und damals wegen der Pandemie auch nur als Videokonferenz. Für den ersten Ministerrat mit Kanzler Scholz wurde zunächst ein Termin Ende Juni anvisiert, dann sollte er schließlich am 26. Oktober stattfinden.

Der deutsche Bundeskanzler

Die Beziehung zwischen Olaf Scholz und seinem französischen Pendant ist abgekühlt


(Foto: Getty Images)

Anstatt eine Abschlusserklärung ohne konkrete Ergebnisse zu verabschieden oder sogar deutsch-französische Misstöne auf offener Bühne zu riskieren, sagten Paris und Berlin die Veranstaltung lieber ab. Für einen neuen Termin wird dem Vernehmen nach der Januar ins Auge gefasst – dann wollen Deutschland und Frankreich auch das Jubiläum zum 60-jährigen Bestehen des Élysée-Vertrags zwischen beiden Ländern feiern.

Die Frage ist, ob die Feierstimmung bis Januar zurückgekehrt ist. „Die Verschiebung ist ein schlechtes Zeichen“, sagte Éric-André Martin vom Pariser Thinktank Institut français des relations internationales. „Wenn Terminprobleme angeführt werden, ist das ein Hinweis darauf, dass es ernste Schwierigkeiten gibt.“

Die Differenzen seien auch ein Risiko für die Zusammenarbeit in der Europäischen Union, sagte Martin weiter. Ausgerechnet in der Energiekrise und während des russischen Kriegs gegen die Ukraine falle der deutsch-französische Motor in Europa aus.

Deutschland stellt sich quer: „Solidarität“ in der Energiekrise

Das Zerwürfnis betrifft in erster Linie die Energiepolitik. Lange wurde die Kritik in Paris nur hinter vorgehaltener Hand vorgetragen: Deutschland stelle sich bei den gemeinsamen Initiativen auf europäischer Ebene quer.

>> Lesen Sie auch: Der große Tauschhandel – Wie Deutschland und Frankreich zusammen die Energiekrise meistern wollen

In den öffentlichen Stellungnahmen wurde stattdessen viel über „Solidarität“ in der Energiekrise geredet: Frankreich liefert Gas an Deutschland, das dem Nachbarn wiederum mit Strom im Winter aushelfen will.

Am Tag der Deutschen Einheit empfing Scholz den französischen Präsidenten zu einem Abendessen im Kanzleramt. Macron twitterte: „Heute Abend in Berlin, um die Freundschaft zwischen unseren Ländern noch zu stärken und die nächsten Treffen unserer europäischen Union vorzubereiten.“

Mit dieser Art von Nettigkeiten ist es nun vorbei. Beim EU-Gipfel  kritisierte Macron den deutschen Kurs in der Energiekrise mit ungewöhnlich scharfen Worten: „Ich glaube, es ist nicht gut, weder für Deutschland noch für Europa, dass sie sich isolieren“, sagte der Präsident.

Deutsch-französische Beziehungen

Auch in der Rüstungspolitik sind sich die beiden Länder uneins.



(Foto: dpa)

Verstimmt sind die Franzosen auch über das 200 Milliarden Euro schwere Entlastungspaket der Bundesregierung in der Energiekrise. Deutschland habe die Pläne nicht in der EU abgesprochen und könne mit der riesigen Summe den europäischen Binnenmarkt verzerren, so lautet der Vorwurf. Dabei übersehen die Kritiker allerdings, dass auch die französische Regierung ohne europäische Absprachen einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag für die Abfederung der hohen Gas- und Strompreise ausgibt.

Der Egoismus-Vorwurf wird unterdessen auch in der Bundesregierung gegen Frankreich erhoben. Dabei geht es vor allem um den Bau einer Pipeline durch die Pyrenäen, durch die Gas und später grüner Wasserstoff von Spanien nach Norden strömen sollte. Scholz warb für das Projekt, Macron stellte sich quer.

Krise: Frankreich und Deutschland streiten über Rüstung

Ein weiterer Konfliktpunkt ist die Rüstungspolitik. Frankreich reagierte zufrieden, als Scholz ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ankündigte.

Die Freude verflog dann aber, als klar wurde, dass mit dem Geld Rüstungsgüter aus den USA angeschafft werden sollen. Die gemeinsamen Rüstungsprojekte, die Berlin und Paris vereinbart haben, kommen dagegen kaum vom Fleck.

>> Lesen Sie auch: Deutschland droht Niederlage beim EU-Gipfel – weil der Kanzler etwas vernachlässigt haben soll

Macron mahnte mit Blick auf die deutsche Beschaffung vor einigen Monaten: Eine europäische Verteidigungsgemeinschaft, die auf Rüstungsimporten basiere, „ergebe keinen Sinn“. Aus Regierungskreisen in Berlin kommt dagegen die Kritik, dass Paris beim geplanten Flugkampfsystem FCAS den französischen Flugzeugbauer Dassault protegiere, der zusammen mit dem Rüstungsarm des europäischen Airbus-Konzerns für das Projekt zuständig ist.

Ende September betonten Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht und ihr Kollege Sébastien Lecornu gemeinsam ihre Unterstützung für die deutsch-französischen Rüstungsvorhaben. Die Hoffnung war eigentlich, dass man auf dem Ministerrat endlich Fortschritte beim FCAS präsentieren könne – das fällt nun aus.

Mehr: Deutsch-französische Regierungsgespräche auf Januar verschoben

Erstpublikation am 20.10.22, um 18:40 Uhr.



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Politik

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