Berlin Verwirrung um die Schuldenbremse: Bundeskanzler Olaf Scholz plant einem Bericht der „Welt am Sonntag“ zufolge, das Instrument auch 2023 auszusetzen.
Doch die Nachricht war noch keine fünf Minuten in der Öffentlichkeit, da meldete sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) per Twitter zu Wort – und dementierte.
„Missverständliche Meldung. Es geht um die längst bekannte Forderung der Länder nach einem Notlagenbeschluss, damit diese mehr Kredite aufnehmen können. Um den Bundeshaushalt 2023 geht es dabei nicht. Ob dieser Beschluss nötig ist und kommt, ist allerdings nicht entschieden“, schrieb der FDP-Vorsitzende.
Was war passiert? Dem Bericht zufolge will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Schuldenbremse im kommenden Haushaltsjahr aussetzen. Dies soll laut dem Bericht der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) in einer Sitzung der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in Hannover mitgeteilt haben. Übereinstimmenden Angaben mehrerer Teilnehmer zufolge informierte der derzeitige MPK-Vorsitzende Weil seine Amtskollegen über ein Gespräch, das er darüber mit Scholz geführt habe.
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Dabei habe er gesagt: „Der Bundeskanzler hat erstens zum Ausdruck gebracht, es sei ihm bewusst, dass die Länder zur Deckung der jetzt anstehenden Aufgaben auch auf Kreditmittel würden zurückgreifen müssen. Und zweitens, er gehe davon aus, dass Bund und Länder gemeinsam die Feststellung treffen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen einer außerordentlichen Notsituation vorliegen.“
Schuldenbremse: Gibt es eine Notsituation?
Dieser zweite Punkt ist entscheidend. Denn das Grundgesetz legt eine Notsituation als zwingende Voraussetzung fest, um die Schuldenbremse auszusetzen. Gibt es keine Notsituation, gilt die Schuldenbremse weiter.
Gerade heute hat der Bundestag mit der Mehrheit der Ampel-Koalition die Schuldenbremse für 2022 ein zweites Mal aufgehoben. Nun kann der Bund bis zu 200 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen, um damit die Folgen des Ukrainekriegs zu mildern – etwa über die Energiepreisbremse. In dem Antrag wurde der russische Angriff auf die Ukraine explizit als Notsituation benannt.
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In dem Bericht geht es allerdings um das kommende Haushaltsjahr 2023: Kurz nach der Veröffentlichung erfuhr das Handelsblatt aus dem Umfeld des Bundesfinanzministers, dass eine Aussetzung der Schuldenbremse im Bund auch im nächsten Jahr ein schwere Koalitionskrise nach sich ziehen würde. Die Einhaltung im kommenden Haushaltsjahr sei nicht verhandelbar.
Die Schuldenbremse gilt in Deutschland sowohl für den Bund als auch für die Länder. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die Länder der Regelung zufolge keine neuen Schulden aufnehmen dürfen, während der Bund noch bis zu 0,35 Prozent des BIP an neuen Schulden machen kann. Von dieser Vorgabe sollen nun offenbar die Länder abweichen dürfen.
Laut Informationen des Handelsblatts aus Koalitionskreisen soll aber erst die Steuerschätzung abgewartet werden, deren Ergebnisse kommende Woche veröffentlicht werden. Hier könnten sich die Zahlen für die Bundesländer als sehr positiv herausstellen, heißt es. Zudem sei ein mit Corona vergleichbarer Wirtschaftseinbruch noch nicht erkennbar. Mit dem 200 Milliarden Euro schweren Abwehrschirm gebe es ohnehin die nötige Hilfe.
Neuer Streit über Schuldenbremse steht bevor
Doch bereits die angebliche Ankündigung von Scholz dürfte die Debatte auch über die Schuldenbremse im Bund weiter anfachen. Die Union lehnte am Freitag die Aussetzung für 2022 ab. Fraktionsvize Mathias Middelberg kritisierte, bisher gebe es weder für die Gaspreisbremse noch für die Strompreisbremse ein Konzept.
„Heute steht zur Entscheidung, dass Sie von uns einen Geldsack haben wollen, gefüllt mit 200 Milliarden Euro, den wollen Sie sich dann in den Keller ihrer Regierung stellen und dann wollen Sie überlegen, was Sie damit anfangen“, sagte er. „Kein Mensch in diesem Land weiß, was Sie konkret machen.“
Bisher werden die Vorschläge der Expertenkommission zur Gaspreisbremse von der Bundesregierung noch ausgewertet. Sie sollen ihren Berechnungen zufolge gut 90 Milliarden Euro kosten. Aus den Koalitionsparteien gibt es aber bereits Forderungen danach, die Unterstützungsmaßnahmen auszudehnen.
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