Berlin Nach der Abberufung des BSI-Chefs Arne Schönbohm drängen Ampelpolitiker Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zur Aufklärung der Vorwürfe gegen ihn.
„Ich erwarte, dass die Innenministerin der Bitte von Herrn Schönbohm entspricht, ein Disziplinarverfahren einzuleiten“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, dem Handelsblatt. „Es dürfen keine Zweifel an der Integrität einer deutschen Sicherheitsbehörde im Raum bleiben.“ Im Kern gehe es um die Frage, ob russische Vertreter direkten Einfluss auf das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) nehmen konnten.
Auch der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin sieht Faeser am Zug. „Die Abwesenheit Schönbohms darf nicht zur Lähmung von Deutschlands oberster Cybersicherheitsbehörde führen“, sagte Höferlin dem Handelsblatt und forderte Tempo im Disziplinarverfahren. Das sei auch wichtig, um das BSI, seine Arbeit und seinen Ruf zu schützen. „Das Thema Cybersicherheit ist zu wichtig, als dass wir hier Verzögerungen hinnehmen könnten“, betonte Höferlin.
Schönbohm werden Kontakte zum Verein „Cybersicherheitsrat Deutschland“ zur Last gelegt, den er mitgegründet hat und dem in Teilen problematische Kontakte zu Russland vorgeworfen werden. Noch im September war er bei einem Fest zum zehnjährigen Bestehen des Vereins aufgetreten. Die Verbindung des BSI-Chefs zu dem Verein war zuvor von Jan Böhmermann in der Sendung „ZDF Magazin Royale“ thematisiert worden.
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Wenige Tage nach Ausstrahlung der Sendung untersagte Faeser Schönbohm mit sofortiger Wirkung die Führung der Dienstgeschäfte. Über die Nachfolge will man im Innenministerium rasch entscheiden. Denn Faeser hat mit dem BSI viel vor. Die Bonner Behörde soll im Bund-Länder-Verhältnis zur Zentralstelle in Sachen IT-Sicherheit ausgebaut werden. Ob allerdings aus der vom Innenministerium geplanten raschen Neubesetzung der Leitungsposition im BSI etwas wird, ist noch offen.
Schönbohm will Ministerium zu Disziplinarverfahren zwingen
Denn Schönbohm lässt bisher nicht erkennen, dass er mit einer Versetzung auf einen anderen Posten einverstanden wäre. Da Schönbohm als Behördenchef kein politischer Beamter ist, kann er nicht jederzeit aus einem sachlichen Grund in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Er muss vielmehr im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums einen anderen gleichwertigen Dienstposten angeboten bekommen.
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Um das Ministerium zum Nachweis konkreter Vorwürfe zu zwingen, hat er um ein Disziplinarverfahren gebeten. Dies wurde seitens des Ministeriums in einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestages am vergangenen Dienstag mitgeteilt.
Demnach hatte Schönbohm am Vortag per Mail die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst beantragt. Diese Möglichkeit hat ein Beamter, um sich von dem Verdacht eines Dienstvergehens zu entlasten.
In der Ausschusssitzung hat ein Staatssekretär des Ministeriums erklärt, Schönbohm habe in der schriftlichen Aufforderung erklärt, er wisse nicht, wie die Vorwürfe gegen ihn konkret aussähen und was das Ministerium eigentlich geprüft habe. Ein Ministeriumssprecher bestätigte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, dass es bislang kein Disziplinarverfahren gebe.
Das Vorgehen Schönbohms setzt die Innenministerin nun unter Zugzwang. Zwar kann Faeser einem Beamten in Schönbohms Position aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Das Verbot erlischt aber gemäß Beamtenrecht, „wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist“.
Rückendeckung bekommt Faeser vom digitalpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann. Die Ministerin müsse sich uneingeschränkt auf den Präsidenten des BSI verlassen können. „Dies ist offensichtlich nicht länger der Fall“, sagte Zimmermann dem Handelsblatt. Durch die Abberufung werde jetzt eine lange Hängepartie vermieden. „Das halte ich angesichts der Sicherheitslage für geboten“, so Zimmermann.
Umstrittener Cybersicherheits-Verein war im Fokus mehrerer Geheimdienste
Derweil wurden neue Details über den umstrittenen Cybersicherheits-Verein bekannt. Wie der „Spiegel“ berichtet, hat es eine langjährige Operation des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND gegeben. Zudem seien der heutige Vereinsvorsitzende Hans-Wilhelm Dünn sowie eine Person aus dem Umfeld des Vereins vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) überwacht worden.
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Dem Bericht zufolge geht es bei den Untersuchungen um eine unkritische Nähe zu Russland und mögliche Verbindungen zu russischen Geheimdiensten. Nach Informationen des Handelsblatts haben die Nachrichtendienste über Details in dem Fall auch mehrmals im geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags berichtet.
Einige Regierungsbeamte und Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden haben den Verein, den Schönbohm vor seiner Zeit beim BSI 2012 gegründet hatte, von Anfang an kritisch gesehen. Das hatte anfangs allerdings nichts mit dem Verdacht einer russischen Einflussnahme zu tun. Man stört sich vielmehr an dem Namen.
Denn die Befürchtung liegt nahe, dass es zu Verwechslungen mit dem ein Jahr zuvor ins Leben gerufenen Nationalen Cyber-Sicherheitsrat kommen könnte – einem Gremium der Bundesregierung, das sich um Bedrohungen im Cyberraum und den Schutz wichtiger Einrichtungen vor Hackerangriffen kümmert. Das Bundesinnenministerium empfiehlt daher, Distanz zum Verein zu wahren.
Als der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Schönbohm 2016 zum BSI-Präsidenten machte, gab dieser die Leitung des Vereins ab.
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