Berlin Weniger als die Hälfte der Schulabgänger, rund 43 Prozent, haben direkt nach der Schule eine Ausbildung oder ein Studium begonnen. Das zeigt eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung. Jeder oder jede Fünfte brauchte ein bis zwei Jahre bis zum Beginn einer Lehre oder eines Studiums.
Analysiert wurden dafür die nachschulischen Bildungswege von 7168 Personen, die 2010 in der neunten Klasse waren und in den folgenden Jahren das allgemeinbildende Schulwesen verlassen haben. Nahe liegt, dass sich die Lage durch Corona noch verschlimmert hat. Eine frühere Bertelsmann-Studie zeigte, dass die aktuellen Abgänger massiv verunsichert sind und eine Entscheidung für einen Beruf hinauszögern.
In der Konsequenz beginnt die Ausbildung immer später. Im Durchschnitt waren die untersuchten Abgänger bereits knapp 20 Jahre alt. Dabei könnte Deutschland mehr Fachkräfte im eigenen Land gewinnen, wenn mehr Schulabgänger im Anschluss eine Ausbildung oder ein Studium beginnen würden.
Für die Betriebe ist das gravierend: Sie suchen aktuell dringend nach Azubis. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gab es Ende August noch 182.000 unbesetzte Lehrstellen. Der langsamere Übergang erhöhe oft die Gefahr zu scheitern, warnen die Autoren: „Nicht zuletzt angesichts des herrschenden Fachkräftemangels müssen wir alles daransetzen, Jugendlichen den direkten Einstieg in Ausbildung oder Studium, also den sicheren Übergang, zu ermöglichen.“
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Dies könne die von der Ampelkoalition abgekündigte staatliche Ausbildungsgarantie leisten, sagte Claudia Burkard, Ausbildungsexpertin der Bertelsmann Stiftung. Sie könne die rechtliche Grundlage dafür schaffen, „dass jede und jeder ausbildungswillige Jugendliche ein Ausbildungsangebot bekommt.“
Von den untersuchten Abgängern hatten nur 43 Prozent vier Jahre nach dem Schulabschluss einen ersten Berufsabschluss. Ein Bachelorstudium oder eine Ausbildung dauern in der Regel drei Jahre. Bei einem Siebtel des Nachwuchses war die Lage dramatisch: 15 Prozent hatten nach vier Jahren noch nicht den Einstieg geschafft oder eine Ausbildung nach kurzer Zeit wieder abgebrochen.
Ungelernte haben schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Diese Erkenntnisse sind alarmierend, warnen Fachleute wie Burkard: „Die Zahlen bedeuten, dass angesichts von rund 750.000 Schulabgängerinnen und Schulabgängern jährlich mehr als 100.000 junge Menschen das Risiko haben, langfristig ohne Berufsabschluss zu bleiben. Als Ungelernte haben sie schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Und damit geringe Einkommen, wenig Aufstiegschancen und später eine knappe Rente.“
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Unter diesen Schulabgängern waren überdurchschnittlich viele Personen mit einem niedrigen Schulabschluss, aus armen Familien oder mit Migrationshintergrund. Besonders kritisch war die Situation für junge Erwachsene, die maximal einen Hauptschulabschluss haben: Vier Jahre nach Verlassen der allgemeinbildenden Schule waren 27 Prozent der Frauen und 20 Prozent der Männer noch nicht in einer regulären Ausbildung.
Um Verzögerungen in der Berufswahlentscheidung und späteren Abbrüchen vorzubeugen „brauchen wir eine stärkere Berufsorientierung an allen Schulformen“, fordert Burkard. Darauf drängt auch die Wirtschaft seit Langem.
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Die existierenden Unterstützungsmaßnahmen an der Schwelle zwischen Schule und Ausbildung oder Studium „helfen nämlich längst nicht allen Jugendlichen“, heißt es in der Studie. So schafften von den vielen Schulabgängern, „die mindestens eine Maßnahme im sogenannten Übergangssektor zur vermeintlichen Berufsvorbereitung absolviert haben, tatsächlich nur zwei Drittel den nächsten Schritt in eine Ausbildung“. Eine solche Maßnahme kann etwa ein Berufsgrundbildungsjahr sein, das häufig an Berufsschulen stattfindet.
Nach den Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) befanden sich 2021 noch 228.000 junge Leute in diesem Übergangsbereich. Zum Vergleich: Im selben Jahr begannen 473.000 junge Leute eine Lehre. Für die Studie hatten Experten der Unis Göttingen und Hamburg Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) ausgewertet.
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