London Der neue britische Premierminister Rishi Sunak hat dem krisengeschüttelten Königreich „wirtschaftliche Stabilität und Vertrauen“ versprochen. In seiner Antrittsrede vor dem Regierungssitz in 10 Downing Street sagte der 42-Jährige: „Es wurden Fehler gemacht. Ich bin hier, um sie zu korrigieren.“
Damit distanzierte sich der konservative Politiker von seiner Vorgängerin Liz Truss, die vergangene Woche nach einem wirtschaftspolitischen Fehlstart und nur 44 Tagen im Amt zurückgetreten war. „Wir stehen vor einer ernsthaften Wirtschaftskrise“, sagte Sunak und bereitete seine Landsleute auf „schwierige Entscheidungen“ vor. Er wolle den kommenden Generationen keinen Schuldenberg hinterlassen.
Am kommenden Montag will der von Sunak gerade wieder ernannte Schatzkanzler Jeremy Hunt einen Haushaltsplan vorlegen, der neben den von ihm zuvor schon angekündigten Steuererhöhungen auch eine Reihe von Ausgabenkürzungen beinhalten dürfte.
Er wisse, wie schwierig die Lage für viele Briten sei, sagte Sunak, dessen Privatvermögen nach Schätzungen britischer Medien größer als das von König Charles III. sein soll, und versprach, er werde „Mitgefühl“ zeigen.
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An den Finanzmärkten kam der neue Kurs in London gut an: Die Zinsen für die meisten britischen Staatsanleihen gingen auf das Niveau zurück, auf dem sie vor dem desaströsen „Mini-Haushalt“ der Regierung Truss am 23. September gestanden hatten. „Es herrscht eine gewisse Erleichterung darüber, dass nun ein Erwachsener die Regierung zu führen scheint“, sagte die Vermögensverwalterin Paola Binns von Royal London Asset Management.
Ökonomen: Sunak muss Finanzen in Ordnung bringen
Allerdings mehren sich unter Ökonomen die Fragen, wie die neue Regierung das chronisch schwache Wirtschaftswachstum in Großbritannien ankurbeln will. „Der neue Premier muss erst mal die Finanzen in Ordnung bringen, bevor er neue Wachstumspläne machen kann“, sagte David Marsh, Chairman der Londoner Denkfabrik Official Monetary and Financial Institutions Forum (OMFIF).
Sunak steht vor großen Herausforderungen
Tony Danker, Chef des Industrieverbands CBI, warnte vor einer Wiederholung der Austeritätspolitik nach der Finanzkrise, auf die „ein sehr geringes Wachstum, Null-Produktivität und geringe Investitionen“ gefolgt seien.
Vor seiner Antrittsrede hatte Sunak, der dritte britische Premier in nur drei Monaten, von König Charles III. den Regierungsauftrag erhalten. Seine Vorgängerin Truss verabschiedete sich mit einem Statement, in dem sie ihre riskanten steuerpolitischen Entscheidungen noch einmal verteidigte. Vor Truss war Ex-Premier Boris Johnson im Sommer über den „Partygate“-Skandal während der Pandemie gestürzt.
Sunak brach nicht nur mit der Politik seiner Vorgängerin, sondern versprach auch mit einem Seitenhieb auf Johnson „Integrität, Professionalität und Verantwortung“ in seiner Regierung. „Ich weiß, dass ich Vertrauen zurückgewinnen muss“, sagte er und wies Forderungen der Opposition nach Neuwahlen zurück. Die Tories hätten 2019 von den Wählern ein Mandat erhalten, und dieser Wählerauftrag sei nicht das „Eigentum einer Person“. Er wolle die Wahlversprechen der Konservativen erfüllen.
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Ob und wie ihm das gelingen kann, hängt davon ab, welches Team Sunak um sich herum versammelt. Das gilt umso mehr, als der erste britische Premier mit indischen Wurzeln nur über wenig Regierungserfahrung verfügt. Sunak wurde erst vor sieben Jahren ins Unterhaus gewählt und war von 2020 bis 2022 zwei Jahre lang Schatzkanzler unter Johnson.
Die Bestätigung von Hunt als Finanzminister war erwartet worden. Sein finanzpolitischer Sparkurs deckt sich mit den Vorstellungen des neuen Premiers. Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg vom rechten Parteiflügel trat dagegen zurück. Sein Nachfolger wird Grant Shapps. Rees-Mogg hatte Sunak wegen seiner restriktiven Steuerpolitik noch im Sommer als „Sozialisten“ bezeichnet. Insgesamt reichten bis zum Abend elf Minister und Staatssekretäre aus der früheren Regierung ihren Rücktritt ein.
Sunak muss Machtbalance seiner Partei beachten
Der neue Regierungschef hat zwar versprochen, „ein Kabinett von Talenten“ zu bilden, musste jedoch auch auf die Machtbalance in seiner zerstrittenen Partei achten. Vize-Premier und Justizminister soll der Sunak-Anhänger Dominic Raab werden, der diese Posten bereits unter Boris Johnson innehatte.
Besonders heikel ist die Besetzung des Innenministeriums. Sunak berief Suella Braverman in das Schlüsselministerium, obwohl die Parteirechte erst vor sechs Tagen wegen der unerlaubten Weitergabe von Regierungsinformationen zurückgetreten war. Das könnte zum ersten Konflikt im Kabinett führen: Während Sunak auf den Zuzug von ausländischen Talenten angewiesen ist, um den Fachkräftemangel auf der Insel zu mildern, will die Brexit-Anhängerin Braverman die Grenzen weitgehend geschlossen halten wollen.
Kontinuität gibt es auch im Außen- und im Verteidigungsministerium. Der bisherige Außenminister James Cleverly darf sein Amt ebenso behalten wie Verteidigungsminister Ben Wallace. Beide hatten im Rennen um die Parteispitze noch Boris Johnson unterstützt.
Wallace beharrt zudem darauf, dass die britischen Verteidigungsausgaben bis 2030 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steigen. Sunak will das bislang nicht versprechen, um seine Spielräume für notwendige Einsparungen im Staatshaushalt nicht einzuengen.
Neuer Generalsekretär von Sunaks Konservativer Partei wird Nadhim Zahawi, der sich zuletzt für eine Rückkehr Johnsons in die Downing Street stark gemacht hatte. Die Ernennung gilt als Versuch, das Lager um Johnson einzubinden, dessen Verhältnis zu Sunak als schwer belastet gilt. Penny Mordaunt, die Sunak noch bis kurz vor Schluss den Sieg im Wettkampf um die Führung der Tories streitig machen wollte, bleibt konservative Führerin im Unterhaus.
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