Berlin Früher war Gesundheitsminister Karl Lauterbach ein erbitterter Gegner der Legalisierung von Cannabis. Nun bringt der SPD-Politiker mit der kontrollierten Freigabe der Droge eines der wenigen Projekte der Ampelkoalition auf den Weg, bei denen fraktionsübergreifend Einigkeit herrscht.
Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett in Eckpunkten die Grundzüge des Vorhabens. Ein konkreter Gesetzentwurf soll erst kommen, wenn sich abzeichnet, dass es von der EU gegen die geplante Cannabisfreigabe keine rechtlichen Einwände gibt – was keinesfalls sicher ist. Internationale und europarechtliche Regeln zum Umgang mit Cannabis, bei denen vor allem der Gesundheitsschutz im Vordergrund steht, könnten der Legalisierung in Deutschland entgegenstehen.
Lauterbach äußerte sich deswegen auch zurückhaltend. „Ich werde das nicht als großen Durchbruch in der Drogenpolitik verkaufen“, sagte er in Berlin. Noch am Mittwoch werde man die Eckpunkte der Europäischen Kommission zuleiten. „Die Prüfung wird ergeben, ob wir ein Vertragsverletzungsverfahren zu erwarten haben“, sagte er.
Cannabis-Legalisierung: Lauterbach rechnet im Frühjahr 2023 mit Gesetzentwurf
Bei rechtlichen Vorbehalten werde es auf der im Kabinett beschlossenen Grundlage keinen Gesetzentwurf, sondern möglicherweise Änderungen geben. Lauterbach sieht in den Regeln auf europäischer und internationaler Ebene nicht zwingend eine Hürde. Er argumentierte, dass das Ziel, die Gesundheit der Bürger zu schützen, mit dem Ansatz der Bundesregierung besser umgesetzt werden könne.
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„Wir versuchen, den Gesundheitsschutz zu verbessern, indem wir legalisieren“, sagte er. Der Schwarzmarkt solle so verdrängt werden, zudem solle die gesamte Menge an legalisiertem Cannabis unter kontrollierten Bedingungen in Deutschland hergestellt werden. Außerdem setzt Lauterbach auf Aufklärung.
Lauterbach stellt Eckpunkte zur Cannabis-Legalisierung vor
„Wenn wir aber Erfolg haben, könnte das ein Impuls sein für die Drogenpolitik in ganz Europa“, sagte Lauterbach. Einen Gesetzentwurf erwarte er dann im Frühjahr 2023.
Die Einzelheiten der geplanten Cannabis-Legalisierung:
- Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.
- Der Erwerb und Besitz von maximal 20 bis 30 Gramm „Genusscannabis“ zum Eigenkonsum soll straffrei sein, unabhängig vom konkreten THC-Gehalt. Auf eine THC-Grenze soll wegen zu großen Aufwands bei möglicher Strafverfolgung verzichtet werden.
- Privater Eigenanbau wird in begrenztem Umfang erlaubt – „drei weibliche blühende Pflanzen pro volljähriger Person“. Diese müssen vor dem Zugriff von Kindern und Jugendlichen geschützt werden.
- Der Verkauf soll in „lizenzierten Fachgeschäften“ – Zutritt erst ab 18 Jahren – und eventuell Apotheken ermöglicht werden. Werbung für Cannabisprodukte wird untersagt. Die Menge, die pro Kunde verkauft werden darf, wird begrenzt. Einen Versandhandel soll es zunächst nicht geben. Der Handel ohne Lizenz bleibt strafbar.
- „Wegen des erhöhten Risikos für cannabisbedingte Gehirnschädigungen in der Adoleszenz“ soll geprüft werden, ob es für unter 21-jährige Käufer eine THC-Obergrenze geben soll.
- Neben der Umsatzsteuer auf Verkäufe ist eine gesonderte „Cannabissteuer“ geplant, die sich nach dem THC-Gehalt richtet. Ziel ist ein Endverbraucherpreis, „welcher dem Schwarzmarktpreis nahe kommt“.
- Cannabisprodukte zum Rauchen und Inhalieren oder zur Aufnahme in Form von Kapseln, Sprays oder Tropfen sollen zum Verkauf zugelassen werden. Sogenannte Edibles, also etwa Kekse oder Süßigkeiten mit Cannabis, zunächst nicht.
- Aufklärung, Prävention, Beratung und Behandlungsangebote sollen ausgebaut werden. Es sei insbesondere notwendig, „niedrigschwellige und flächendeckende Frühinterventionsprogramme zur Konsumreflexion für konsumierende Jugendliche einzuführen“, heißt es in den Eckpunkten.
- Begleitend sollen Daten erhoben und analysiert werden zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Cannabisfreigabe. Nach vier Jahren sollen die Regelungen bewertet und gegebenenfalls angepasst werden, vor allem mit Blick auf den Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutz sowie mit Blick auf die Straßenverkehrssicherheit.
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SPD, Grüne und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. Zur Vorbereitung umfangreicher Regelungen dafür waren mehrere Expertenanhörungen organisiert worden.
Mitte Mai erhöhte der Haushaltsausschuss zudem die Mittel für Suchtprävention um drei Millionen Euro. „Das ist nicht nur angesichts der Cannabis-Legalisierung notwendig, sondern auch angesichts der weiterhin großen Zahl an Suchterkrankungen in der Gesellschaft“, sagte die die Grünen-Politikerin Paula Pichotta dem Handelsblatt.
Kritiker sprechen bei Plänen zu Cannabis-Legalisierung von „gefährlichem Signal“
Die bayerische Landesregierung bekräftigte ihre Kritik an dem Vorhaben der Ampelkoalition. „Die Legalisierungspläne der Bundesregierung stellen nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa ein gefährliches Signal dar“, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) der „Augsburger Allgemeinen“.
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„Cannabis besitzt eine starke stimmungs- und wahrnehmungsverändernde Wirkung“, warnte er. Der Konsum berge „wesentliche und teils irreversible gesundheitliche und soziale Risiken“.
Holetschek äußerte auch die Befürchtung, dass eine Legalisierung in Deutschland auch Cannabisfans aus anderen europäischen Ländern anlockt. „Deshalb muss die Bundesregierung sicherstellen, dass keine Anreize für einen Drogentourismus nach Deutschland geschaffen werden.“
Mit Agenturmaterial.
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