Stockholm In Dänemark geht es gerade gar nicht traditionell „hygge“, also gemütlich, zu. In der kommenden Woche wählen die Dänen eine neue Regierung, und die Nervosität in beiden großen politischen Lagern ist in den vergangenen Tagen deutlich gestiegen.
Mette Frederiksen, Dänemarks sozialdemokratische Regierungschefin, hatte vor drei Wochen und damit sieben Monate vor Ablauf der Legislaturperiode Neuwahlen für den 1. November ausgerufen. In Dänemark kann die Regierungschefin oder der Regierungschef innerhalb der Wahlperiode selbst entscheiden, wann genau die nächste Wahl abgehalten wird.
So ganz freiwillig hat Frederiksen den ungewöhnlich frühen Termin nicht gewählt. Da sie eine Minderheitsregierung leitet, die nicht einmal auf ein Drittel der Mandate im Parlament kommt, ist sie auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen.
Und da lag das Problem: Die sozialliberale Partei Radikale Venstre hatte bereits im Sommer damit gedroht, ein Misstrauensvotum zu initiieren und ihre Unterstützung zu entziehen, sollten nicht bis zum 6. Oktober Neuwahlen ausgerufen werden. Frederiksen entschied sich für den Wahltermin Anfang November.
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Der Ärger der kleinen Radikale Venstre mit der sozialdemokratischen Minderheitsregierung begann während der Coronapandemie. Im Spätherbst 2020 hatte Frederiksen aus Furcht vor gefährlichen Virusmutationen entschieden, rund 15 Millionen Nerze töten zu lassen. Bei den Tieren war eine Mutation entdeckt worden, die auch auf Menschen übertragen wurde.
Dänemark: Parlamentswahl in Krisenzeiten
Das Problem war, dass es für die Tötung keine Rechtsgrundlage gab. Die Regierungschefin wurde von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss gerügt, mehrere Staatssekretäre mussten zurücktreten.
Beide politischen Blöcke liegen gleichauf
Frederiksen, die seit 2019 regiert, hat angekündigt, nach den Wahlen ein breites Mitte-links-Bündnis bilden zu wollen. Sie strebt also eine Mehrheitsregierung an. In den vergangenen Jahrzehnten hat es in Dänemark wie in den anderen nordeuropäischen Ländern häufig Minderheitsregierungen gegeben. Doch auch wegen der unsicheren geopolitischen Lage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine brauche ihr Land „eine breite Zusammenarbeit und gemeinsame Lösungen“, wie sie erklärte.
Ihr stärkster Herausforderer, der frühere Regierungschef Lars Løkke Rasmussen, hat eine neue liberale Partei, die Moderaten, gegründet und wirbt ebenfalls für ein breites Regierungsbündnis. Die 14 Parteien, die sich zur Wahl stellen, lassen sich in einen Mitte-rechts- und einen Mitte-links-Block einteilen. Nach den letzten Umfrageergebnissen liegen die beiden politischen Blöcke nahezu gleichauf.
Die Frage wird sein, wie sich die kleinen Parteien schlagen. In Dänemark gibt es eine Zwei-Prozent-Hürde. Die ausländerfeindliche, rechtspopulistische Dänische Volkspartei, die zu ihren Glanzzeiten zweitstärkste politische Kraft in Dänemark war, ist in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht und muss sogar um ihren Einzug ins Parlament bangen.
Der Grund für den Niedergang: Die ehemalige, äußerst umstrittene Einwanderungsministerin Inger Støjberg hat im Sommer ihre eigene Partei, die Dänemarkdemokraten, gegründet. Diese neue Partei kommt aus dem Stand in Umfragen auf fast zehn Prozent der Stimmen und hat offenbar viele Wähler der Dänischen Volkspartei mit klar ausländerfeindlichen Parolen zu sich herüberziehen können.
Frederiksen kann nur hoffen, dass die Wähler die Arbeit ihrer Regierung während der Coronapandemie und der jetzigen geopolitischen Krise honoriert. Im internationalen Vergleich ist Dänemark verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen. Eine niedrige Arbeitslosenquote von etwas mehr als fünf Prozent und eine geringe Schuldenlast von knapp 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sprechen für die Regierung.
Die Inflation ist allerdings zuletzt hoch auf elf Prozent geschnellt. Deswegen versuchen sich die Parteien im Wahlkampf mit Versprechen für höhere Löhne zu überbieten. Gleichzeitig wollen fast alle Parteien wie in anderen europäischen Ländern ihre Militärausgaben deutlich erhöhen. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines stehen vor allem die Sicherheit in der Ostsee, aber auch in der Arktis im Vordergrund.
Mehr: Internationaler Standortvergleich: Dänemark erstmals Weltspitze – Deutschland stagniert auf Rang 15
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