Paris, Rom Als Giorgia Meloni den Regierungsauftrag in Italien bekommt, folgt bald ein Glückwunsch-Tweet aus Frankreich: „Überall in Europa kommen die Patrioten an die Macht und mit ihnen das Europa der Nationen, das wir fordern“, schreibt Marine Le Pen am vergangenen Samstag. Und sie übermittelt „all meine Erfolgswünsche“ an Meloni und an den neuen Vizepremier Matteo Salvini.
Auf den ersten Blick kommt da zusammen, was zusammengehört. Le Pen, Chefin des Rassemblement National (RN), zählt wie Meloni zu den Ultrarechten in Europa. Beide haben viele Gemeinsamkeiten: Sie fahren einen strengen Kurs gegen Einwanderer. Und sie stellen nationale Interessen klar vor europäische.
Doch das einst gute Verhältnis der rechten Ikonen hat sich in Wahrheit deutlich abgekühlt. Aus der anfänglichen Freundschaft ist mittlerweile eine Hassliebe geworden – aus machtpolitischen, aber auch aus familiären Gründen.
Die Parlamentswahl in Rom hat das Verhältnis der beiden umgekehrt. Meloni hat das erreicht, was Le Pen bisher vergeblich versucht hat: die Macht in ihrem Heimatland zu übernehmen. Drei Mal wollte die Französin schon Staatspräsidentin werden, drei Mal scheiterte sie, zuletzt im April gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron.
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Bei Meloni gelang der Griff nach dem Ministerpräsidentenamt gleich im ersten Anlauf: Ihre postfaschistische Partei Fratelli d’Italia war Ende September der klare Wahlsieger, am Mittwochabend überstand die 45-Jährige auch noch die letzte Hürde und gewann die Vertrauensabstimmung im Parlament. Nun ist ihr Bündnis, das sie gemeinsam mit der rechten Lega und der konservativen Forza Italia von Silvio Berlusconi geschmiedet hat, am Ziel.
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Dabei hatte das Verhältnis der beiden Frauen eigentlich gut begonnen. Le Pen war lange Zeit ein Vorbild für Meloni. Die Italienerin, die ihre Partei vor zehn Jahren gemeinsam mit rechten Mitstreitern gründete, war von Beginn an in sozialen Medien unterwegs, dokumentierte jedes Treffen mit Le Pen. Regelmäßigen Kontakt gab es ab 2013.
Zwei Jahre später traten sie sogar zusammen im französischen Fernsehen auf. Damals dümpelten Melonis Fratelli in Umfragen noch im einstelligen Bereich herum, Le Pen holte bei den Präsidentschaftswahlen 2012 schon knapp 18 Prozent der Stimmen. In der Sendung „Dimartedi“ wurde die Französin gefragt, was sie von der jungen italienischen Rechten halte. Le Pen antwortete etwas belehrend: „Sie haben Tabus fallen lassen. Sie verdienen Respekt und Unterstützung.“
Meloni erklärte schon vor Jahren, dass sie Le Pens politische Vision bewundere, bei der „es nicht um rechts und links geht, sondern um oben und unten“. Die letzte öffentliche Zusammenkunft soll es laut französischen Medien im Jahr 2016 gegeben haben.
Ein Jahr später rief Meloni die Franzosen noch zur Wahl ihrer rechten Kollegin auf – bei den Wahlen in diesem Jahr aber nicht mehr. Keiner der Kandidaten des zweiten Wahlgangs „repräsentiert das Lager der Konservativen, zu dem ich gehöre“, erklärte sie. Beim RN betonte man nun auch, dass keine Begegnung der beiden geplant sei, weder kurz- noch mittelfristig.
Le Pen betont Treue zu Salvini
Meloni ist seit 2020 Präsidentin der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR). In der rechten Parteienfamilie tummeln sich die spanischen Populisten von Vox, die Schwedendemokraten und Polens Regierungspartei PiS. Globale Partner sind etwa die Republikaner in den USA – für Meloni war Donald Trump immer schon ein politischer Bezugspunkt. Steve Bannon, Trumps ehemaliger Chefstratege, war 2018 sogar Ehrengast auf einer Parteiveranstaltung in Rom.
Für Irritationen im Verhältnis der beiden Frauen sorgte ausgerechnet der Mann, der nun Vizepremier in Italien geworden ist: Salvini. Zwischen seiner Lega und Le Pens RN gibt es seit Jahren enge Verbindungen. Sie bilden im Europaparlament zusammen die Partei Identität und Demokratie, in der Fraktion sitzen auch die österreichische FPÖ und die neun Abgeordneten der deutschen AfD.
Einen guten Draht zu Le Pen soll vor allem Lorenzo Fontana haben, der Lega-Vize wurde jüngst zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer im italienischen Parlament gewählt. Die Allianz mit Le Pen nannte er schon mal „historisch“.
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Le Pen führt die Treue zu Salvini sogar an, um die Abwesenheit der Beziehung zu Meloni zu erklären. „Ich kenne sie seit Langem, aber ich habe keinen politischen Kontakt mehr zu ihr“, erklärte sie jüngst. „Unser historischer Verbündeter ist die Lega, aber das heißt nicht, dass wir morgen nicht zusammenarbeiten können.“
Meloni steht zu USA und Nato, Le Pen ist russlandfreundlich
Die größten Unterschiede haben Meloni und Le Pen bei ihrer internationalen Ausrichtung. Meloni ist überzeugte Transatlantikerin, steht zur Nato und zur Ukraine. Le Pen hingegen hat immer wieder ihre Bewunderung für Russland und seinen Präsidenten Wladimir Putin zur Schau gestellt – ähnlich wie Salvini. Ideologisch steht Meloni in Frankreich eher dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour nahe, der identitäre Parolen verbreitete.
Aber hinter den ideologischen Differenzen steckt noch viel mehr. Es ist eine persönliche Geschichte, wie schon so oft in der Historie der Le-Pen-Dynastie. Vizepräsidentin von Zemmours Partei ist Marion Maréchal – die Nichte von Marine Le Pen. Sie hatte vor einigen Jahren die Partei ihrer Tante verlassen, weil sie sich nicht mehr mit deren Ideen identifizieren konnte. Maréchal ist obendrein mit Vincenzo Sofo verheiratet – einem EU-Abgeordneten von Melonis Fratelli.
„Giorgia Meloni ist klar rechts, der RN vor allem populistisch“, versucht Sofo die Unterschiede der beiden Frauen zu erklären. Pikantes Detail am Rande: Ausgerechnet am Tag der Hochzeit, im September 2021, hielt Le Pen eine Wahlkampfveranstaltung im südfranzösischen Fréjus ab. Sie sprach dem Paar nur über Twitter Glückwünsche aus.
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