Oct 28, 2022
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Außenwirtschaftspolitik: Geheimdienst-Gremium des Bundestags nimmt China-Deals in den Fokus

Written by Dietmar Neuerer


Berlin Die Ambitionen Chinas, seinen Einfluss in Europa durch Investitionen in sensible Technologiebereiche und kritische Infrastruktur auszuweiten, soll Thema in dem für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags werden.

Der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Roderich Kiesewetter (CDU), sagte dem Handelsblatt: „Da solche industrie- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen zunehmend eine sicherheitsrelevante Komponente haben, bin ich sicher, dass das Parlamentarische Kontrollgremium sich entsprechend befassen wird.“

Das Handelsblatt hatte am Donnerstag berichtet, die Bundesregierung wolle voraussichtlich die Übernahme der Chipfertigung von Elmos zulassen. Der schwedische Käufer Silex ist eine hundertprozentige Tochter des chinesischen Konzerns Sai Microelectronics.

Das Bundeswirtschaftsministerium prüft derzeit den Verkauf der Fabrik, innerhalb der kommenden Wochen soll die endgültige Entscheidung über die Genehmigung erfolgen. Der Fall hat vor allem deshalb für Aufregung gesorgt, weil sich die Regierung mit der Genehmigung offenbar dem Rat des Verfassungsschutzes widersetzen würde. Dieser hat von der Genehmigung des Deals abgeraten.

Weitere von China geplante Investitionen in Prüfung

Dem Vernehmen nach prüft das Bundeswirtschaftsministerium aktuell noch weitere geplante Investitionen, bei denen es um einen Erwerb durch chinesische Firmen oder ihre Tochtergesellschaften geht. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte, das Bundeskanzleramt habe erst am Donnerstag aus den Medien von dem geplanten Geschäft in Dortmund erfahren. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reist in der kommenden Woche nach China.

Ende 2021 hatte Elmos angekündigt, sich von seiner Fertigung am Stammsitz in Dortmund zu trennen. Für 85 Millionen Euro soll Silex das Werk und die Vorräte übernehmen. Mit dem Verkauf will die Firma Elmos, die vor allem für die Autoindustrie produziert, die eigene Produktion aufgeben und ihre Chips stattdessen bei Auftragsfertigern einkaufen.

Die Geschäftsführung hatte erklärt, ansonsten künftig die eigene Fabrik nicht mehr auslasten zu können. Für die Abnehmer aus der Autoindustrie seien – anders als die bislang von Elmos gefertigten Produkte – zunehmend kleinere Strukturgrößen der Chips nötig, also Halbleiter, die mit aufwendigeren Verfahren produziert werden.

So argumentieren auch Vertreter der Bundesregierung. Es gebe in dem Fall keine Gefahr für den Abfluss von sicherheitsrelevantem Know-how. Vielmehr bestehe ohne die Übernahme die Gefahr, dass die Arbeitsplätze in Dortmund verloren gehen könnten. Auch aus Kreisen des Unternehmens heißt es, die Chinesen würden hier „keinen Tesla, sondern einen zehn Jahre alten Gebrauchtwagen kaufen“.

Tatsächlich fielen die Chips von Elmos nicht in den Zertifizierungsbereich sicherheitsrelevanter Produkte, erläutert Frank Bösenberg, Halbleiterexperte und Geschäftsführer des Branchenvereins Silicon Saxony. „Das ‚Aufrüsten‘ der Fabrik in Dortmund ist teuer“, erklärt Bösenberg. Selbst mit staatlicher Unterstützung wäre es für Elmos aufgrund seiner Größe kaum machbar gewesen, die Produktion zu modernisieren und damit zukunftsfähig zu machen.

>> Lesen Sie auch: Streit um den Deal am Hamburger Hafen geht weiter

Die deutschen Sicherheitsbehörden argumentieren hingegen, dass es im Halbleitermarkt aus ihrer Sicht nicht nur um das Abfließen von Know-how, sondern auch um Produktionskapazitäten geht. Kürzlich warnten die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Verfassungsschutzes vor den Begehrlichkeiten Chinas.

Der CDU-Politiker Kiesewetter mahnt denn auch, die Bedenken der Nachrichtendienste nicht zu ignorieren. Das Aufkaufen kritischer Infrastruktur und zentraler Unternehmen und Produktionsketten sei Teil der chinesischen Strategie, sagte er. Der „Systemkonflikt“ habe bereits begonnen, wie man an den zunehmenden Drohungen gegen Taiwan sehe, aber auch an der chinesischen Infrastruktur-Initiative der „Neuen Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative, BRI).

China wolle die Kontrolle über Lieferketten in Europa erhalten und damit einen Wettbewerbsvorteil gewinnen. Dazu nutze die Volksrepublik gezielt Wissen und Produktionskapazitäten „als Waffe zur Interessendurchsetzung“.

FDP will Außenwirtschaftsgesetz verschärfen

In der Ampelkoalition wird der mögliche Verkauf der Chipfabrik entsprechend kritisch gesehen. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz verlangte von der Bundesregierung, den Deal zu untersagen. Auf Twitter schrieb er: „This has to stop!“ („Das muss aufhören!“)

Auch Gitta Connemann, Chefin der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), forderte, den Deal zu stoppen. „Es darf kein Putin II geben. Sonst heißt es: gestern der Transrapid, heute Chips, morgen unsere Freiheit“, sagte Connemann dem Handelsblatt. Die CDU-Politikerin warnte: „Das chinesische Regime will die Welt umbauen. Der gezielte Kauf von Industrien dient einem Ziel: Know-how-Erwerb.“ Die Schwächung des Technologie- und Wirtschaftsstandorts Deutschland sei programmiert.

Der FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle kritisierte, dass in vielen Bereichen weder die vermeintliche Zeitenwende noch ein neues Verständnis strategischer Souveränität angekommen sei.

„Der Kanzler denkt immer noch nicht um“

Kuhle hält es daher für dringend geboten, die rechtlichen Regeln, mit denen der Einstieg ausländischer Investoren geprüft werde, an die neue Zeit anzupassen. „Es geht nicht darum, jede wirtschaftliche Beziehung mit China zu kappen“, sagte er dem Handelsblatt. „Es geht darum, nicht sehenden Auges in eine weitere Abhängigkeit in zentralen Wirtschaftsbereichen abzurutschen.”

Der CDU-Politiker Kiesewetter warf Bundeskanzler Scholz ein „unstrategisches Vorgehen“ vor. „Der Kanzler denkt immer noch nicht um, sondern setzt das gescheiterte „Wandel durch Handel“-Denken fort“, sagte er. China werde weiter vorrangig als Partner gesehen, systemische Rivalität und das hybride Vorgehen würden ausgeblendet. Damit drohe die nationale Sicherheitsstrategie, die zurzeit in der Schlussphase der Erarbeitung sei, schon jetzt zur Makulatur zu werden, warnte Kiesewetter.

Olaf Scholz (l.), Robert Habeck

Während der Bundeskanzler bislang weiter eine eher chinafreundliche Politik an den Tag legt, gibt sich der Wirtschaftsminister kritisch – beschwert sich im aktuellen Elmos-Fall aber wohl nicht.


(Foto: AP)

Die nationale Sicherheitsstrategie wird derzeit ebenso wie die Chinastrategie unter Federführung des Auswärtigen Amts erarbeitet. Dabei gibt es in der Ampel unterschiedliche Einschätzungen über den richtigen Umgang mit der Volksrepublik. Während insbesondere ein Großteil der Grünen sich besonders chinakritisch gibt, sind Vertreter der SPD zurückhaltender.

Dabei halten auch Experten wie Katrin Kamin, Vizeleiterin für Handelspolitik am Kiel Institut für Weltwirtschaft, ein stringenteres Vorgehen der Bundesregierung für nötig: „Wo ist die nationale Sicherheitsstrategie, wenn man sie braucht?“

Mehr: Es wird kein „Weiter-so“ geben – So entsteht die neue China-Strategie



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Politik

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