Oct 28, 2022
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Großbritannien: Ungelöster Brexit-Streit führt zu Neuwahlen in Nordirland

Written by Torsten Riecke


Nordirland steuert auf Neuwahl zu

Parlamentsgebäude im Belfaster Stadtteil Stormont: Keine Einigung auf eine Regierung.



(Foto: dpa)

London In Nordirland wird es voraussichtlich Mitte Dezember zu Neuwahlen kommen. Da sich die Democratic Unionist Party (DUP) weiterhin einer Regierungsbildung in Belfast verweigert, wird das Regionalparlament aufgelöst. Die britische Regierung hatte den nordirischen Parteien eine Frist bis zum Freitag gesetzt, um doch noch eine Lösung für die seit Mai andauernde Regierungskrise zu finden.

Bei den Regionalwahlen im Mai war die nationalistische Partei Sinn Féin erstmals zur stärksten politischen Kraft in Nordirland geworden und hatte die London-treue DUP auf den zweiten Platz verdrängt. Die stärkste Partei stellt nach dem Karfreitags-Abkommen von 1998 den „First Minister“, also den Regierungschef.

Da das Friedensabkommen, das den Bürgerkrieg in Nordirland beendete, jedoch die Zustimmung beider Bevölkerungsgruppen für eine Regierungsbildung verlangt, konnten die Unionisten den Prozess blockieren.

„Die Bevölkerungsgruppen in Nordirland waren nicht in der Lage, sich auf die Bildung einer Exekutive zu einigen, sodass es zu Wahlen kommen wird“, kündigte Umweltministerin Thérèse Coffey am Freitagmorgen in der BBC an. Während Sinn Féin den Unionisten die Schuld an dem Scheitern gab, zeigte DUP-Chef Jeffrey Donaldson mit dem Finger nach London. Westminster habe es nicht geschafft, das umstrittene Nordirland-Protokoll des Brexit-Vertrages rückgängig zu machen. Dazu habe auch das Chaos der vergangenen sechs Monate in Westminister beigetragen.

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Nordirland-Minister Chris Heaton-Harris zeigte sich auf Twitter „extrem enttäuscht“ über das Scheitern der Regierungsbildung und wollte noch am Freitag den Fahrplan für Neuwahlen bekannt geben.

Hintergrund des Streits ist das Tauziehen zwischen London und Brüssel über die künftigen Handelsbeziehungen zwischen der nordirischen Provinz und dem Rest Großbritanniens. Im sogenannten Nordirland-Protokoll ist festgehalten, dass die Provinz weiterhin den Regeln des EU-Binnenmarktes unterliegt, um eine „harte“ Zollgrenze zwischen Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden.

Hoher EU-Zoll auf Stahl aus Großbritannien

Letzteres wäre politisch heikel, da eine solche Grenze die Konflikte zwischen Protestanten und Katholiken neu entzünden und so das Friedensabkommen vom Karfreitag 1998 gefährden könnte. Die Folge des Nordirland-Protokolls ist, dass nun eine Zollgrenze mitten durch die Irische See verläuft, was nach Angaben Londons zu Handelshemmnissen zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens führt und die Nordiren benachteiligt.

DUP-Chef Donaldson nannte als Beispiel für die Defizite des Nordirland-Protokolls, dass britische Stahllieferanten einen EU-Zoll von 25 Prozent bezahlen müssten, wenn sie bestimmte Baumaterialien nach Nordirland liefern wollten. „Das schadet unserer Wirtschaft“, kritisierte der Unionist.

Grund für die ungewöhnlichen Zölle ist, dass Quoten für globale Stahlimporte in die EU erschöpft sind. Neben wirtschaftlichen Nachteilen befürchten die Unionisten jedoch auch, dass sie den Anschluss an Großbritannien verlieren und Nordirland auf eine Wiedervereinigung mit der Republik im Süden zusteuert.

Einigung zwischen London und Brüssel noch nicht in Sicht

Brüssel beharrt auf der Einhaltung der Binnenmarktregeln in Nordirland, um die Kontrolle über seine Zollgrenze nicht zu verlieren. Um den britischen Bedenken entgegenzukommen, hat die EU die Anforderungen für Zollkontrollen zwischen Großbritannien und Nordirland bereits deutlich gelockert. London reicht das jedoch noch nicht. Obwohl die beiden konservativen Parlamentarier Steve Baker und Simon Hoare eine „Lösung für zum Greifen nahe“ halten, ist eine Einigung noch nicht in Sicht.

Der frühere britische Premier Boris Johnson hatte der Regelung bei den Austrittsverhandlungen mit Brüssel zugestimmt, dennoch will die konservative Regierung in Westminster das Nordirland-Protokoll notfalls einseitig aufkündigen. Die frühere Außenministerin und spätere Regierungschefin Liz Truss hatte dazu im Frühjahr ein Gesetz auf den Weg gebracht, das es britischen Ministern ermöglichen würde, bestimmte Teile des Nordirland-Protokolls auszusetzen.

Der neue britische Premierminister Rishi Sunak will an der Drohung festhalten. Sollten Brüssel und London ihren Streit über das Nordirland-Protokoll nicht beilegen, würden auch Neuwahlen keinen Weg aus der Sackgasse in Belfast weisen.

Mehr: Neuwahl in Nordirland kaum noch zu verhindern





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