Paris Die französische Energieministerin Agnès Pannier-Runacher möchte zeigen, dass es wieder vorwärtsgeht mit der Atomkraft im Land. Die Ministerin machte sich ein Bild von den Wartungs- und Reparaturarbeiten in Chinon, wo vier Atomreaktoren stehen. Zwei von ihnen waren zuletzt abgeschaltet.
„Ich habe eine sehr engagierte Belegschaft gesehen, die daran arbeitet, dass die Reaktoren wieder ans Netz gehen“, sagte Pannier-Runacher am Freitag bei ihrem Ortstermin in dem Kraftwerk, das gut drei Autostunden von Paris entfernt am Ufer der Loire liegt. Einer der abgeschalteten Meiler werde in den kommenden Tagen wieder hochgefahren, der andere dann im Laufe des Monats November.
Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron hat in diesen Tagen eine Botschaft für die Franzosen: Die Probleme mit dem Atomkraftpark neigen sich dem Ende zu. Pünktlich zum Winter soll in der Energiekrise Verlass sein auf die Kernkraft, die in Normalzeiten rund 70 Prozent des französischen Stromverbrauchs abdeckt.
Auf dem Höhepunkt der Nuklearflaute im vergangenen August musste der staatlich kontrollierte Energiekonzern EDF auf 32 der 56 französischen Reaktoren verzichten. Zuletzt waren noch 24 Meiler vom Netz.
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Einen Teil hatte EDF vorübergehend abschalten müssen, um Rohrleitungen des Notkühlsystems auf kleinste Risse zu überprüfen. Daneben standen mehr Reaktoren als üblich wegen routinemäßiger Wartungen still. Während der Lockdown-Phasen in der Pandemie waren Instandsetzungsarbeiten verschoben worden, nun überschneiden sie sich mit den Korrosionsproblemen.
Druck der Regierung auf EDF
Trotz des Drucks der Regierung ist nicht sicher, dass die Wette am Ende auch aufgeht. Der von EDF vorgelegte Zeitplan, den Großteil der betroffenen Reaktoren bis Ende Dezember und die restlichen fünf Meiler bis Mitte Februar wieder anzuschalten, gilt als knapp kalkuliert.
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So hatte EDF Ende August die Wiederinbetriebnahme von vier Reaktoren mit mutmaßlichen Korrosionsproblemen verschieben müssen, weil die Arbeiten länger als geplant dauerten. Das Personal des Konzerns befindet sich angesichts der Mammutaufgabe am Limit: Laut einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Senders Radio France hat EDF kurzfristig Fachkräfte von anderen französischen Nuklearunternehmen und sogar aus dem Ausland auf die Baustellen geholt, darunter rund 100 Schweißer aus den USA und Kanada.
In den vergangenen Wochen behinderten zudem Streiks in mehreren Atomkraftwerken die Arbeiten. Der französische Stromnetzbetreiber RTE warnte vor „ernsthaften Konsequenzen“ des Arbeitskampfs für die Energieversorgung im Winter. Am Donnerstag unterzeichneten EDF und die Gewerkschaften schließlich einen neuen Tarifvertrag für die Mitarbeiter.
Für die Regierung Frankreichs geht es auch darum, mit der baldigen Rückkehr zur Normalität beim Atomstrom zu zeigen, dass die Energiestrategie des Landes richtig ist. In Paris war man genervt von Kritik aus Deutschland und vor allem von den deutschen Grünen. Deren Ko-Chefin Ricarda Lang hatte beispielsweise gesagt, die Strompreise stiegen auch deshalb, weil die Atomkraft in Frankreich auf „voller Linie versagt“ habe.
Genervt von Kritik aus Deutschland
Der Eindruck in Paris war, dass den Atomkraftgegnern in der Bundesrepublik die vorübergehenden Probleme der französischen Meiler als Argument in der unbequemen Debatte über den Weiterbetrieb drei letzten deutschen Reaktoren gerade recht kamen.
„Kritik an der französischen Atomkraft ist unangebracht“, sagte kürzlich der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Dieselben Leute, die die französische Atomkraft angreifen, fragen uns immer wieder, ob unsere Reaktoren schnell wieder ans Netz gehen werden.“
Macron setzt sowohl auf einen Ausbau der erneuerbaren Energien, vor allem der Offshore-Windkraft, als auch auf Investitionen in neue Atomkraftwerke. Mit dieser Doppelstrategie verfolgt er zwei Ziele: Erstens soll das Land bei der Energieversorgung unabhängig werden, insbesondere von Gas aus Russland. Zweitens sei die Kombination der CO2-armen Atomenergie mit Wind- und Solarenergie der beste Weg für den Schutz des Klimas.
Energieministerin Pannier-Runacher bekräftigte am Freitag in Chinon, dass die Kernkraft eine wichtige Rolle spiele, um sich vollständig von fossilen Energiequellen wie Kohle und Gas zu befreien. Am kommenden Mittwoch werde sie ein Gesetz ins Kabinett einbringen, um den Bau von neuen Atomreaktoren in Frankreich zu beschleunigen.
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„Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, mit der Vereinfachung der Genehmigungsverfahren Zeit zu gewinnen“, sagte die Ministerin. „Sobald wir die Zustimmung des Parlaments haben, werden wir nicht eine Minute verlieren.“
Die Grundzüge der französischen Atompläne hatte Macron Anfang des Jahres verkündet: Mittelfristig sollen sechs neue Druckwasserreaktoren der nächsten Generation entstehen. Darüber hinaus soll EDF den Bau von acht weiteren Atomreaktoren prüfen. Die Laufzeit der bestehenden Atomkraftwerke soll, wo immer möglich, von 40 auf 50 Jahre verlängert werden.
Baubeginn neuer Reaktoren noch unter Macron
Die Grundsteinlegung für den ersten neuen Reaktor soll noch vor Ende von Macrons Amtszeit im Jahr 2027 erfolgen. Als Standorte hat die Regierung das Gelände von bereits bestehenden Atomanlagen ausgesucht: Jeweils zwei Meiler sollen in Penly und Gravelines am Ärmelkanal entstehen, zwei weitere im Rhône-Tal.
Die französische Regierung rechnet mit Kosten von gut 50 Milliarden Euro. Ab 2035 sollen die neuen Reaktoren ans Netz gehen. Wie unsicher Budget- und Zeitpläne in der Atomkraft sind, zeigt allerdings der Europäische Druckwasserreaktor (EPR) in Flamanville: Das einstige Prestigeprojekt der französischen Atomindustrie hat schon mehr als zehn Jahre Verspätung.
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