Kiew/Berlin/New York/Moskau Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat den Kampf seines Landes gegen Russland mit dem Widerstand gegen die Nazis im Zweiten Weltkrieg verglichen. Russland verfolge wie einst der Nationalsozialismus dieselben Ziele, sagte Selenski in einer in der Nacht zum Freitag in Kiew verbreiteten Videobotschaft. „Die Form des Bösen hat sich gewandelt, aber das Wesen ist unverändert.“
Russland sei vom Nachbarn zum Aggressor und zum Terroristen geworden – und habe sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht. Der russische Angriffskrieg gegen das Nachbarland dauert inzwischen schon mehr als acht Monate.
Selenski stand bei seinem Auftritt neben einer abgeschossenen Kampfdrohne. Er sagte, immer wieder würden friedliche Städte mit Bomben und Raketen beschossen. Allein innerhalb der vergangenen zwei Tage habe es 30 russische Angriffe mit iranischen Drohnen gegeben. Davon seien 23 abgeschossen worden. Russland vermine und besetze Kraftwerke, stehle Getreide und verschleppe auch Kinder.
Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg und den Kampf der Ukrainer gegen die Nazis damals sagte Selenski, dass sich das „Böse nach 80 Jahren wieder aus der Asche“ erhoben habe. Er beklagte, dass der Aggressor Russland seit Beginn des Krieges 4500 Raketen auf die Ukraine abgeschossen und insgesamt 8000 Luftangriffe geflogen habe. Sein Land werde sich aber nicht brechen lassen.
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Der Staatschef zeigte sich zuversichtlich, dass der Eindringling kapitulieren und in die Flucht geschlagen werde. Russland werde auch Reparationen zahlen; und die besetzten Gebiete Cherson, Luhansk, Donezk und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim würden wieder frei sein.
„Russlands einzige Taktik ist der Terror“, sagte Selenski. Das könne nur zu einer Niederlage führen. Angesichts der Stromabschaltungen im Zuge der zerstörten Energieinfrastruktur meinte er, dunkel sei nicht ein Leben ohne Licht, sondern ohne Freiheit. Auch den harten Winter würden die Ukrainer überstehen. „Wir haben keine Angst vor der Dunkelheit.“
Kadyrow gibt hohe Verluste bei eigener Einheit in Ukraine zu
Der Machthaber der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, hat nach einem Artilleriebeschuss durch ukrainische Truppen hohe Verluste in den eigenen Reihen zugegeben. „Es sind 23 Kämpfer gestorben und 58 verletzt worden“, schrieb Kadyrow in der Nacht zum Freitag auf seinem Telegram-Kanal. Ukrainische Quellen hatten Anfang der Woche berichtet, dass eine tschetschenische Einheit im südukrainischen Gebiet Cherson über Fotos in sozialen Netzwerken ihren Standort verraten habe und so durch Artilleriebeschuss getroffen wurde.
Normalerweise veröffentlichen russische Offizielle keine Zahlen zu eigenen Gefallenen. In diesem Fall ging es Kadyrow wohl darum, die von ukrainischer Seite genannten noch höheren Zahlen zu relativieren. Gleichzeitig nutzte der Tschetschenenführer das Eingeständnis zu einem Aufruf an seine Landsleute, sich für den Krieg in der Ukraine mobilisieren zu lassen.
Kadyrow hat sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor mehr als acht Monaten als einer der schärfsten Befürworter der blutigen Auseinandersetzung profiliert und auch eigene Einheiten in die Ukraine geschickt. Die russische Armeeführung kritisierte er regelmäßig – oft im Verbund mit dem Finanzier der Söldnereinheiten „Wagner“, Jewgeni Prigoschin – als zu weich. Kadyrow fordert auch den Einsatz von Atomwaffen gegen die Ukraine.
Putin bekräftigt Bereitschaft zu Verhandlungen mit Ukraine
Der russische Präsident Wladimir Putin bekräftigte unterdessen nach mehr als acht Monaten Krieg gegen die Ukraine seine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen. Allerdings habe sich die Regierung in der Ukraine unter dem Einfluss der USA gegen solche Gespräche entschieden, sagte Putin am Donnerstag bei einem Moskauer Diskussionsforum mit internationalen Experten.
Der Kremlchef hatte Ende September vier ukrainische Regionen annektiert und bei einer Rede im Kreml auch Verhandlungen angeboten. In Kiew lehnte Selenski Gespräche mit Putin per Dekret ab.
Mit Blick auf den von ihm befohlenen Überfall auf das Land sagte Putin, dass die Ukraine ohne Rücksicht auf ihre Soldaten kämpfe und deutlich höhere Verluste verzeichne als Russland. Zu den Gründen des Krieges sagte er einmal mehr, dass das Streben der Ukraine in die Nato mit russischen Sicherheitsinteressen nicht vereinbar sei. Auch habe die Ukraine damals einen mit Deutschland und Frankreich vereinbarten Friedensplan für den Donbass aufgekündigt.
Putin machte deutlich, dass er seinen Krieg in dem Nachbarland auch als Kampf gegen einen „aggressiven Westen“ sehe, der versuche, seine Regeln und liberalen Werte anderen aufzudrücken. Die „tektonischen Veränderungen“ in der Ukraine zeigten, dass die von den USA angestrebte Vormachtstellung in einer monopolaren Welt der Vergangenheit angehöre.
Die „historische Periode“ einer Dominanz des Westens neige sich dem Ende zu, meinte der 70-Jährige. In der Diskussion warf Putin den westlichen Regierungen auch „systematische Fehler“ vor, die zu Energie- und wirtschaftlichen Krisen führten. Mit einem „Diktat“ eines „neokolonialen Westens“ werde sich Russland nicht abfinden.
Es entstünden etwa in Asien und Südamerika andere Machtzentren und eine multipolare Welt, sagte Putin. „Der Westen ist nicht in der Lage, allein die Menschheit zu führen, so sehr er das verzweifelt versucht.“ Der Kremlchef betonte, dass Russland ein Interesse an guten Beziehungen zu allen Ländern habe. „Russland ist kein Feind.“
US-Militärstrategie: Russland „akute“ Bedrohung
Die US-Regierung sieht in ihrer neuen Militärstrategie Russland als „akute“ Bedrohung. Das Wort sei sorgfältig gewählt worden, sagte Verteidigungsminister Lloyd Austin bei der Vorstellung des Dokuments am Donnerstag. „Anders als China kann Russland die USA nicht auf lange Sicht systematisch herauszufordern“, sagte Austin zur Begründung. „Aber die russische Aggression ist eine direkte und scharfe Bedrohung unserer Interessen und Werte.“
China wurde als dauerhaft größte Bedrohung eingestuft. Es sei das einzige Land, dass „sowohl die internationale Ordnung umbauen will als auch zunehmend die Kraft dafür hat“.
Zum Einsatz amerikanischer Atomwaffen heißt es, man werde dafür weiterhin eine sehr hohe Schwelle setzen. Die Strategie schreibt dabei allerdings nicht fest, dass sie nur als Antwort auf einen nuklearen Angriff verwendet werden sollen.
IAEA plant noch diese Woche Inspektionen in Ukraine
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) will nach den Vorwürfen Russlands, Kiew plane im Krieg den Einsatz einer „schmutzigen“ Bombe, noch in dieser Woche einer Beobachtermission in die Ukraine entsenden. Das sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am Donnerstag laut einer Mitteilung. Experten der Organisation würden in dieser Woche an zwei Standorten in der Ukraine Nachprüfungen durchführen, nachdem die ukrainische Regierung schriftlich um die Entsendung von Inspektorenteams gebeten habe. Putin hatte sich auch für die schnelle Entsendung einer IAEA-Beobachtermission in die Ukraine ausgesprochen.
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Was am Freitag wichtig wird
Kremlchef Putin leitet an diesem Freitag eine Sitzung des Rates der von Russland geführten Militärallianz Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS). Dabei dürfte es einmal mehr auch um die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Staaten der früheren Sowjetunion gehen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird sich nach seiner Rückkehr aus Kiew zu den Herausforderungen im Zuge des russischen Kriegs gegen die Ukraine äußern. Bei einer Veranstaltung mit der Deutschen Nationalstiftung in Berlin (11 Uhr) will er mit einer Rede den Zusammenhalt der deutschen Gesellschaft beschwören.
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