Nov 2, 2022
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Energiepolitik: Wie Entlastungen durch die Gaspreisbremse versteuert werden sollen

Written by pinmin


Berlin Verbraucher und Unternehmen in Deutschland sollen rasch von den stark gestiegenen Gaspreisen entlastet werden. „Der Preisanstieg besitzt erhebliche soziale Sprengkraft“, heißt es im Abschlussbericht der Expertenkommission Gas und Wärme, der am 31. Oktober der Bundesregierung übergeben wurde. Haushalte und Unternehmen könnten durch die Preisentwicklung finanziell überfordert werden.

Wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach einem Treffen mit Arbeitgebern und Gewerkschaften im Rahmen der sogenannten konzertierten Aktion sagte, wird das Bundeskabinett bereits am Mittwoch erste Entscheidungen über die Umsetzung der Vorschläge treffen. Die Inflation in Deutschland sei zuletzt auf mehr als zehn Prozent gestiegen, sagte Scholz: „Ein unvorstellbar hoher Wert.“

Um schnell für Entlastung zu sorgen, übernimmt der Staat im Dezember zudem eine Abschlagszahlung, die einem Zwölftel der jährlichen Abschlagssumme entspricht. Diese Maßnahme könnte bereits am Mittwoch auf den Weg gebracht werden.

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Neu im Abschlussbericht enthalten ist eine Passage zur Besteuerung des Gaspreisrabatts. Demnach ist dieser in der Einkommensteuererklärung als geldwerter Vorteil anzugeben, aber erst ab zu versteuernden Jahreseinkommen von 72.000 Euro.

Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Yasmin Fahimi, sprach nach dem Treffen mit Scholz von einem „klaren Signal der Verteilungsgerechtigkeit“. Allerdings gibt es im Bundesfinanzministerium Zweifel, ob sich die Regelung technisch umsetzen lässt, wie aus Ministeriumskreisen verlautete.

Die Kommission schlägt zudem Entlastungen für knapp 25.000 Industrieunternehmen vor, die jährlich mehr als 1,5 Millionen Kilowattstunden Gas verbrauchen. Sie sollen bis zu 70 Prozent ihres Verbrauchs des Jahres 2021 zu einem Beschaffungspreis von sieben Cent pro Kilowattstunde erhalten. Die Gaspreisbremse stehe allen Unternehmen offen, heißt es, sie müssen ihre Teilnahme aber bei ihrem Versorger anmelden.

Wie das Wirtschaftsministerium mitteilte, ist mit der EU-Kommission, die Beihilfen genehmigen muss, inzwischen eine Verständigung erzielt worden. Allerdings wird die Bundesregierung wohl Abstriche bei den ursprünglich geplanten Hilfen machen müssen.

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte nach dem Treffen der konzertierten Aktion, viele Unternehmen stünden vor „existenziellen Herausforderungen“, weil sie gestiegene Preise nicht einfach weitergeben könnten. In der Industrie drohten Produktionsverlagerungen ins Ausland, im Handwerk und im Dienstleistungsbereich würden Geschäftsmodelle unrentabel.

Gaspreisbremse für Unternehmen an Konditionen geknüpft

Wie das Handelsblatt berichtet hatte, schlägt die Kommission aber vor, dass der verbilligte Gaseinkauf an Konditionen geknüpft wird. So sollen sich die Firmen in Vereinbarungen mit Gewerkschaften oder Betriebsräten zum Standorterhalt verpflichten. Firmen ohne Mitbestimmungsgremien sollen garantieren, dass mindestens 90 Prozent der Arbeitsplätze ein Jahr über das Ende der Unterstützung hinaus erhalten bleiben.

„Wirtschaftshilfen müssen jetzt Beschäftigung sichern und nicht Profite“, sagte DGB-Chefin Fahimi dem Handelsblatt. Um Mitnahmeeffekte auszuschließen, müsse die Gaspreisbremse deshalb zwingend mit Vereinbarungen zur Beschäftigungs- und Standortsicherung verbunden sein.

Außerdem müsse ausgeschlossen werden, dass Unternehmen ihre Produktion drosselten und gleichzeitig subventioniertes Gas gewinnbringend am Markt verkauften, betonte Fahimi. „Das wäre völlig widersinnig.“ Auf das Problem hatte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann im Interview mit dem Handelsblatt hingewiesen.

Die Kommission schlägt auch Maßnahmen vor, wie sich das Gasangebot ausweiten und der Gasverbrauch reduzieren lässt. Sie empfiehlt beispielsweise eine große Aufklärungs- und Informationskampagne, damit das politische Ziel, den Gasverbrauch um ein Fünftel zu senken, erreicht wird. Erwogen werden sollten auch Einsparprämien für bestimmte Verbraucher, die nicht selbst die Kosten ihrer Wärmeversorgung tragen, beispielsweise Grundsicherungsempfänger.

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Das Expertengremium macht sich dafür stark, dass Vermieter die Heizungstemperaturen für den Wohnbereich auf 20 Grad am Tag und 18 Grad in der Nacht reduzieren dürfen. Auch die Absenkung der Temperatur des zentral vorgehaltenen warmen Trinkwassers von bislang 60 Grad könne zu deutlichen Gaseinsparungen führen.

Die Expertenkommission Gas und Wärme geht davon aus, dass die Gaspreise wieder sinken werden, aber nicht mehr auf das Vorkrisenniveau. Die neuen „New normal“-Preise könnten aber weiterhin viele Haushalte und Firmen überfordern. Im Abschlussbericht findet sich deshalb der Vorschlag, von Januar 2023 bis Ende April 2024 einen Soforthilfefonds einzurichten, der Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen unterstützt, falls sie die Belastungen allein nicht stemmen können.

Auch für Firmen solle ein Härtefallprogramm aufgelegt werden, das in Anlehnung an die Kreditprogramme aus der Coronapandemie konzipiert wird, empfiehlt die Kommission.

Nach Informationen des Handelsblatts will das Wirtschaftsministerium kleine und mittlere Unternehmen entlasten, die die Zeit zwischen der ausgesetzten Abschlagszahlung im Dezember bis zur Gaspreisbremse im März nicht überbrücken können.

Wirtschaftsministerium arbeitet an Überbrückungshilfen für Unternehmen

Unternehmen, die rund 10.000 Kilowattstunden im Jahr 2021 verbraucht haben, sollen beantragen können, dass ihnen die Abschlagszahlungen im Januar erlassen werden. Ihr Gaspreis muss sich im Vergleich zu 2021 mindestens vervierfacht haben.

Bund und Länder sollen sich die Kosten von rund 1,5 Milliarden Euro teilen. Der Vorschlag dürfte auch bei der Ministerpräsidentenkonferenz am kommenden Mittwoch Thema sein.

Ebenso setzt sich das Wirtschaftsministerium dafür ein, dass Mieter im Rahmen des geplanten Bürgergelds Hilfen erhalten, wenn sie durch hohe Nachforderungen aus Heiz- und Warmwasserrechnungen überfordert sind. Das soll auch beim Kauf von Heizöl und Holzpellets gelten. Wohnungsunternehmen sollen „unkomplizierte“ Kredite erhalten, wenn sie wegen der Energiekosten Finanzierungsprobleme haben. Der Bund will Kredite über maximal 1,1 Milliarden Euro absichern.

Mehr: Staatshilfe beim Gaspreis trotz Gewinn? Unternehmen droht Verbot von Boni und Dividenden

Erstpublikation: 31.10.2022, 13:22 Uhr.



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Politik

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