Berlin Vor dem ersten Chinabesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an diesem Freitag gewinnt die Debatte um chinesische Auslandsinvestitionen in Deutschland an Fahrt. Der Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums, Matthias Machnig, warnte davor, sich bei schärferen Vorgaben nur auf die Volksrepublik zu fokussieren.
„Nicht jede Beteiligung ist sicherheitsrelevant. Wir sollten symbolische Debatten vermeiden“, sagte Machnig dem Handelsblatt. Insgesamt brauche Deutschland eine „umfassende Resilienz-Strategie“. China sei dabei nur ein Teil davon.
Machnig reagierte auf einen Vorstoß von Bundesfinanzminister Christian Lindner. Der FDP-Vorsitzende hatte gesetzliche Vorkehrungen angekündigt, um chinesische Einflussnahme in Deutschland zu begrenzen. Peking wolle „Abhängigkeiten schaffen und Einfluss nehmen“, sagte Lindner der Funke-Mediengruppe. „Deshalb muss das Außenwirtschaftsrecht verändert werden.“
Machnig unterstützt das Bestreben der Ampelkoalition, die Regeln zur Kontrolle ausländischer Investitionen zu verschärfen, um sensible Wirtschaftsbereiche in Deutschland besser zu schützen.
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Seit der Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka von einem chinesischen Konzern im Jahr 2016 sei zwar schon eine Reihe von gesetzlichen Regelungen auf den Weg gebracht worden, sagte er. Nun seien weitere Maßnahmen erforderlich. „Sie sollten sich auf kritische Infrastrukturen und strategische Technologiebereiche konzentrieren.“
Das Beispiel Kuka zeigt, dass ausländische Konzerne etwa aus China, immer wieder versuchen, deutsche Firmen zu übernehmen. Den Einstieg eines chinesischen Konzerns beim Stromnetzbetreiber 50Hertz konnte die Bundesregierung nur mit Mühe verhindern. Allerdings sind die chinesischen Übernahmen zuletzt weniger geworden. Im Jahr 2020 fielen sie laut einer Studie sogar auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren.
Industrie will Neudefinition der Zusammenarbeit mit China
Das dürfte etwa dem Umstand geschuldet sein, dass China inzwischen viel in Forschung und Entwicklung investiert hat und damit weniger auf Zukäufe angewiesen ist. Gleichzeitig haben die EU und Deutschland ausländischen Unternehmen Übernahmen erschwert.
Im Juni 2020 beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit ein Gesetz, mit dem Investitionen aus Nicht-EU-Staaten in strategisch wichtigen Bereichen umfassender und vorausschauender geprüft werden können. Es ging dabei zum Beispiel um die Versorgung mit Impfstoffen oder um kritische Infrastrukturen wie Stromnetze. Hauptadressat war damals China.
Die Industrie kritisierte seinerzeit das Gesetz scharf. Neue Hürden für Investitionen seien kontraproduktiv, hieß es vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die Unternehmen unter Denkmalschutz zu stellen und von Investoren abzuschirmen werde ihre Innovationskraft nicht schützen.
Inzwischen hat auch beim BDI ein Umdenken eingesetzt – zumindest was einseitige Abhängigkeiten von China betrifft. In einem Positionspapier plädiert der Verband für eine Neudefinition der Zusammenarbeit mit der Volksrepublik.
„Risikovorsorge ist das Gebot der Stunde“, sagte der BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Montag. Einzelne Staaten wendeten sich immer mehr von den Regeln der internationalen Ordnung ab. „Die Zusammenarbeit insbesondere mit gewichtigen Volkswirtschaften wie China muss neu definiert werden.“ Europa müsse unabhängiger und widerstandsfähiger werden.
Hören Sie hier unseren Podcast: Wie Deutschland sich aus der Abhängigkeit Chinas lösen will
Handlungsbedarf sieht der BDI unter anderem bei Energierohstoffen, kritischen Metallen sowie bestimmten Technologien. Hier sollte die Industrie ihre Abhängigkeiten reduzieren. Die EU müsse die künftige Energieinfrastruktur europaweit koordinieren, sagte Russwurm. In der Industriepolitik sollte sie einen Schwerpunkt auf eigene Produktionskapazitäten im Chipbereich legen sowie mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung anstoßen.
Lindner plant Initiative aus Anlass des Falls Cosco
Das Chip-Thema ist pikant, weil momentan in Deutschland über die geplante Übernahme einer Chipfabrik der Dortmunder Firma Elmos durch eine Tochter des chinesischen Konzerns Sai Microelectronics diskutiert wird. Der Verkauf muss von der Bundesregierung genehmigt werden.
Der Fall hat vor allem deshalb für Aufregung gesorgt, weil sich die Regierung mit der Genehmigung offenbar dem Rat des Verfassungsschutzes widersetzen würde. Dieser hat von der Genehmigung des Deals abgeraten.
Auch wegen solcher Deals sehen etwa die Grünen dringenden Bedarf für „gesetzliche Nachjustierungen“. Das Ziel müsse sein, zukünftig strategisch motivierte Übernahmen ausländischer Investoren noch leichter untersagen zu können, sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz.
Lindner plant aus Anlass des Falls Cosco eine Initiative für schärfere Vorgaben. Damit meint er die umstrittene geplante Beteiligung der chinesischen Staatsreederei Cosco an einem Containerterminal im Hamburger Hafen.
Am Mittwoch vergangener Woche hatte sich das Bundeskabinett auf einen Kompromiss verständigt. Demnach können die Chinesen nur einen Anteil unterhalb von 25 Prozent an dem Containerterminal Tollerort erwerben. Cosco wollte ursprünglich 35 Prozent erwerben.
Mehr: Streitgespräch zur China-Strategie – Hat es sich mit der Globalisierung erst einmal erledigt?
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