London Bislang scheint der Kampf gegen den Klimawandel nicht ganz oben auf der To-do-Liste des neuen britischen Regierungschefs Rishi Sunak zu stehen. Zur Klimakonferenz der Vereinten Nationen, der COP27 im ägyptischen Scharm El-Scheich nächste Woche, wollte Sunak wegen dringender „Hausaufgaben“ im krisengeschüttelten Großbritannien erst gar nicht anreisen. Nach massiver Kritik aus den eigenen konservativen Reihen ist seine Teilnahme nun doch wieder im Gespräch.
Zuvor hatte Sunak bereits Charles III. wissen lassen, dass der königliche Umweltschützer besser auch nicht zur UN-Klimakonferenz reisen solle. Er bestätigte damit das „Reiseverbot“ seiner Vorgängerin Liz Truss für den König. Charles darf nun lediglich zu Hause einen Empfang aus Anlass des Weltklimatreffens geben.
Zu allem Ungemach übte auch noch Alok Sharma, Präsident der letztjährigen Klimakonferenz in Glasgow, massive Kritik am Regierungschef und seiner Klimapolitik: Die weitere Vergabe von Öl- und Gaslizenzen sei unvereinbar mit dem rechtsverbindlichen Net-Zero-Ziel Großbritanniens, sagte der konservative Parteifreund des Premiers.
Sunak solle seine erst im Mai eingeführte Übergewinnsteuer für Ölgiganten verschärfen. Rückerstattungen dürfe es nur für Unternehmen geben, die in erneuerbare Energien investierten.
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Sharma und andere britische Klimaschützer haben den Eindruck, Großbritannien könnte seine führende Rolle im Kampf gegen die globalen Treibhausgasemissionen einbüßen. Zwar hat sich Sunak nach der Übernahme der Regierung vergangene Woche darauf verpflichtet, bis 2050 den Ausstoß von Treibhausgasen in Großbritannien komplett zu unterbinden. Auch der frühere Premier Boris Johnson hatte versprochen, bis 2035 Strom nur noch aus erneuerbaren Energien zu erzeugen.
Diese Ziele sind jedoch durch die Energiekrise in die Diskussion geraten. So versucht die Regierung in London durch steuerliche Anreize, die heimischen Energiekonzerne dazu zu bewegen, in der Nordsee verstärkt Gas und Öl zu fördern. Sunak hat versprochen, das Königreich bis 2045 „energieunabhängig“ zu machen. Das verträgt sich offenbar nicht immer mit den Klimazielen.
Umweltaktivisten besprühten am Montag mehrere Regierungsgebäude in London und forderten, es dürften keine neuen Lizenzen für die Öl- und Gasförderung vergeben werden. Großbritannien sei gut, sich Klimaziele zu setzen, sagte Samuel Fankhauser, Umweltökonom an der Oxford University, in einem Interview. „Die Probleme beginnen dann, wenn wir diese Dinge umsetzen wollen.“
Industrie warnt vor Rückschlag bei grünen Investitionen
Kritik kommt auch vonseiten der britischen Industrie. Die im Verband Energy UK zusammengeschlossenen Energieerzeuger warnen, dass der noch von der Regierung Truss beschlossene Deckel auf die Einnahmen von Unternehmen, die ihren Strom mit erneuerbaren Brennstoffen produzieren, „katastrophale Konsequenzen“ für die Investitionen in grüne Technologien haben könnte.
Nicht nur das „Climate Change Committee“, das die Regierung im Kampf gegen den Klimawandel berät, hat den Eindruck, es fehle in London eine klare Strategie, um die Ziele zu erreichen. Obwohl die CO2-Emissionen in Großbritannien nur noch die Hälfte (47 Prozent) des Niveaus von 1990 betragen, stellte der Ausschuss im Juni „große Versäumnisse“ fest und warnte, dass das Land nicht auf dem richtigen Weg sei, sein Netto-Null-Ziel zu erreichen.
>> Lesen Sie hier einen Kommentar: Premier Rishi Sunak muss das Chaos in der Einwanderungspolitik beenden
Bei der Haltung zum Fracking zeigt sich der Zickzackkurs der britischen Regierung vielleicht am besten. Truss wollte das Verbot gegen die umstrittene Gasgewinnung noch aufheben, Sunak hat den Bann nun bestätigt, weil es insbesondere in ländlichen Gebieten massive Widerstände gegen das Fracking gibt – gerade unter konservativen Wählern.
Streit um Atom- und Windkraft
Politisch heikel ist auch der weitere Ausbau von Windkraftanlagen. Die Briten sind bei der Nutzung dieser erneuerbaren Energie weltweit führend, und Ex-Premier Truss wollte den Weg für mehr Windräder an Land frei machen.
Sunak scheint nun auch hier eine Kehrtwende zu vollziehen: Im Sommer hatte er versprochen, den weiteren Ausbau von Onshore-Windkraftanlagen zu blockieren. Jetzt spricht er von zusätzlichen Windrädern vor der Küste und dem verstärkten Ausbau der Nuklearenergie.
Doch auch bei der Atomkraft steckt der Teufel im Detail. Ex-Premier Johnson hatte noch im Sommer rund 700 Millionen Pfund (gut 800 Millionen Euro) für den Neubau eines Reaktors Sizewell C in Suffolk bewilligt. Sunak hatte sich als damaliger Schatzkanzler gegen eine hohe staatliche Beteiligung gewehrt, um seine Sparziele für den Haushalt nicht zu gefährden.
Johnsons teures Versprechen macht nun die ohnehin brenzlige Finanzlage noch schwieriger. Dem Vernehmen nach klafft im britischen Haushalt noch ein Loch von mehr als 30 Milliarden Pfund.
Schatzkanzler Jeremy Hunt will am 17. November erklären, woher das Geld kommen soll, um die Fehlbeträge auszugleichen. In der Diskussion ist offenbar, die im Mai eingeführte Übergewinnsteuer auf die Zufallsgewinne der großen Energiekonzerne noch einmal zu verschärfen. Dafür dürfte ihm der Beifall der Klimaschützer sicher sein.
Mehr: Hohe Profite bei BP befeuern die Debatte um Übergewinnsteuern
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