Berlin Deutsche Politiker sind besorgt über das Ausmaß der Einflussnahme der Kommunistischen Partei (KP) auf die deutsche Wirtschaft in China. Wie das Handelsblatt am Dienstag berichtet hatte, nimmt die KP durch ihre Mitglieder und sogenannte Parteizellen immer stärker direkten Einfluss auf Geschäfte deutscher Unternehmen in China.
„Die Einrichtung von Parteizellen ist nicht neu, offenbar haben die Auswirkungen aber ein neues, besorgniserregendes Ausmaß erreicht“, sagte Johannes Vogel, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. „Nachdem die KP den Joint-Venture-Zwang offiziell zurückfährt, hat die Kommunistische Partei offenbar einfach den Hebel der Einflussnahme gewechselt“, so der FDP-Vize. Die Parteizellen seien der subtilere und damit aber potenziell auch gefährlichere Weg.
Wie aus Unternehmensdokumenten und Insiderinformationen hervorgeht, die dem Handelsblatt vorliegen, entscheiden in mindestens einem Werk eines Konzerns, der im deutschen Leitindex Dax gelistet ist, KP-Parteimitglieder in China mit über Standortfragen, Geschäftsmodelle und Personalien.
In anderen deutschen Konzernen vor Ort besteht die Gefahr einer ähnlichen Entwicklung. Denn seit mehreren Jahren schon müssen Unternehmen in China, in denen drei oder mehr Parteimitglieder arbeiten, eine offizielle Vertretung der Kommunistischen Partei einrichten. Im Jahr 2017 hatten laut staatlichen Angaben bereits 70 Prozent der ausländischen Unternehmen eine solche Einrichtung der KP. Neuere Zahlen gibt es nicht.
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„Es hat sich schon in den vergangenen Jahren abgezeichnet, dass der Einfluss der Kommunistischen Partei und des chinesischen Staates auf Unternehmen in China wächst“, sagte Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Man müsse damit rechnen, dass dieser Einfluss stärker werde. „Unternehmen müssen sich genau überlegen, wie stark sie in einem solchen Umfeld noch weiter investieren wollen.“
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Die versuchte Einflussnahme sei ein weiteres Beispiel dafür, wie sich in China die Unfreiheit aus der Sphäre der Politik zunehmend auch in die Sphäre der Wirtschaft übertrage und damit auch Eigentumsrechte ausgehöhlt würden, warnte FDP-Politiker Vogel.
Aufforderung an Kanzler Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der am Freitag in Peking Staats- und Parteichef Xi Jinping sowie Premierminister Li Keqiang trifft, forderte Vogel auf, wirtschaftspolitische Interessen wie diese Frage neben drängenden Menschenrechtsthemen klar anzusprechen.
Es sei extrem naiv gewesen zu glauben, die Kommunistische Partei würde ihren Einfluss nicht auch gegenüber ausländischen Unternehmen in China geltend machen und sogar bei Personalentscheidungen mitmischen, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. „Wie deutsche Unternehmen ihre Mitarbeiter gegen den Einfluss der KP schützen wollen, ist mir ein Rätsel“, so Röttgen.
Die wichtigste Aufgabe des Kanzlers sehe er darin, gemeinsam mit der deutschen Industrie Wege zu finden, die Abhängigkeit vom China-Geschäft zu reduzieren. „Leider macht Scholz gerade das glatte Gegenteil, indem er mit großer Wirtschaftsdelegation nach China reist.“
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„Die Asymmetrie der Beziehungen nimmt weiter zu“, warnte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) auf Twitter. „Damit machen wir uns zunehmend erpressbar.“
Auch die deutsche Wirtschaft selbst schaut sehr genau auf den steigenden Einfluss der KP in China. „Wir haben uns 2017 lautstark für die Erhaltung unternehmerischer Freiheit eingesetzt und uns klar gegen einen politischen Einfluss auf ausländische Unternehmen ausgesprochen“, sagte Jens Hildebrandt, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China (AHK).
Das gelte auch weiterhin. Der mögliche Einfluss von Parteizellen sei je nach Unternehmen sehr verschieden. Aus Gesprächen der Handelskammer mit den Firmen gehe hervor, dass diese derzeit nicht als konkrete Herausforderung betrachtet werden. „Es ist dennoch wichtig, die deutsche Wirtschaft weiterhin für dieses Thema zu sensibilisieren und etwaige Entwicklungen in dem Bereich genau zu beobachten“, sagte Hildebrandt.
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