Nov 2, 2022
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Kohle, Öl und Erneuerbare: Energiebranche kritisiert geplante Zufallsgewinnabschöpfung: „Nicht mit EU-Recht vereinbar“

Written by Kathrin Witsch


Photovoltaikanlage

Auch die Unternehmen, die ihr Geld mit dem Verkauf von erneuerbarem Strom machen, sollen nun zur Kasse gebeten werden.


(Foto: dpa)

Düsseldorf Seit mehr als einem Jahr fahren viele Energiekonzerne deutlich höhere Gewinne ein als sonst. Damit könnte nun bald Schluss sein. Laut einem ersten Eckpunktepapier von Bundeskanzleramt, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und Bundesministerium der Finanzen (BMF) soll die Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ schon bald Realität werden. Sie soll die Kosten der zum 1. Januar angekündigten Strompreisbremse für Verbraucher zu einem großen Teil finanzieren.

Dafür plant die Bundesregierung, die außergewöhnlich hohen Profite aus dem Verkauf von Strom, der mit erneuerbaren Energien, Atomkraft, Mineralöl, Abfall und Braunkohle erzeugt wurde, für einen befristeten Zeitraum abzuschöpfen. Ausgenommen sind Speicher, Steinkohle, Erdgas, Biomethan und Sondergase. 

Für den Rest solle die Regelung „rückwirkend ab dem 1. September 2022“ gelten, heißt es in einem Papier. Zwar sind die Details noch nicht final, trotzdem erhofft sich die Bundesregierung Einnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe. Die Aufregung in der Energiebranche ist groß. 

Die Vorsitzende des Bundesverbands Erneuerbarer Energien (BEE), Simone Peter, kritisiert: „Wir appellieren dringend an die Beteiligten, den verfassungswidrigen Irrweg zu verlassen.“ Vor allem die rückwirkende Abschöpfung ab September sei, so Branchenvertreter, nicht mit EU-Recht vereinbar. Laut einem Rechtsgutachten, das der BEE in Auftrag gegeben hat, gäbe es gegen eine sogenannte Übergewinnsteuer hingegen rein rechtlich keine Vorbehalte.

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Der baden-württembergische Energiekonzern EnBW warnt zudem vor negativen Folgen für nötige Investitionen in die Energiewende: „Es handelt sich dabei um einen starken regulatorischen Eingriff in einen funktionierenden Markt. Ein solcher sollte auf die absehbare Dauer der Energiekrise beschränkt sein und – ganz wichtig – durch ein klares Datum verbindlich begrenzt werden“, sagte Finanzchef Thomas Kusterer dem Handelsblatt. Dass bei Energieunternehmen Erlöse abgeschöpft werden, die sie ausschließlich den hohen Strompreisen verdanken, sei mehr als nachvollziehbar. Es komme aber eben sehr auf die konkrete Ausgestaltung an, so Kusterer. 

Treiber der Preise

Seit mehr als einem Jahr haben die Preise für Kohle, Öl, Gas und Strom eine nie da gewesene Rally hingelegt. Im Jahr 2021 belief sich der durchschnittliche Strompreis im Großhandel nach Angaben der Bundesnetzagentur auf 96,85 Euro pro Megawattstunde (MWh), 2020 lag er noch bei 30,47 Euro je MWh.

Kraftwerk

Seit Herbst 2021 klettern die Strompreise immens.



(Foto: dpa)

Auf dem Spotmarkt, also im tagesaktuellen Handel, schossen die Stromhandelspreise teilweise auf neue Rekordwerte von 400 bis 700 Euro in der Spitze. Zum Vergleich: In den vergangenen vier Jahren bewegte sich der Preis in der Regel zwischen 50 und 70 Euro die MWh. 

Seit Herbst 2021 klettern die Strompreise immens. Zunächst wegen der sprunghaft gestiegenen Nachfrage nach den weltweiten Corona-Lockdowns; seit Februar 2022 treibt mit dem Ausbruch des Ukrainekriegs vor allem der Mangel an Erdgas den Strompreis hierzulande.

Dementsprechend groß waren die Gewinne der Krisenprofiteure in den vergangenen Monaten. So verdiente der Essener Energieriese RWE mit 2,8 Milliarden Euro Gewinn (bereinigtes Ebit) im ersten Halbjahr über ein Drittel mehr als im Vorjahr. 

Die Profiteure der Krise

Neben RWE profitieren hierzulande vor allem zahlreiche Betreiber von Wind- und Solarparks von den gestiegenen Strompreisen. So konnte der Wind- und Solarparkbetreiber Encavis aus Hamburg seinen Umsatz in den ersten sechs Monaten des Jahres um 40 Prozent steigern, den Gewinn (bereinigtes Ebit) sogar um 60 Prozent. In der Folge hat das Unternehmen seine Prognose für das Gesamtjahr nach oben angepasst. Der Aktienkurs stieg innerhalb eines Jahres um fast 23 Prozent. 

Solarpark

Neben RWE profitieren hierzulande vor allem zahlreiche Betreiber von Wind- und Solarparks von den gestiegenen Strompreisen.


(Foto: IMAGO/Christian Ender)

Während Verbraucher und Industrie unter den hohen Energiekosten leiden, streichen solche Unternehmen „Übergewinne“ ein, kritisieren viele Politiker, Aktivisten und Experten seit Monaten. Mit Einführung der Strompreisbremse soll deswegen nun zeitgleich die Gewinnabschöpfung für ebenjene Unternehmen beschlossen werden. Im Gespräch ist dafür ein sogenanntes „Treppenmodell“.

Das heißt, die Erlösobergrenze, ab der abgeschöpft wird, soll je nach Technologie unterschiedlich hoch sein. Wie genau diese Rechnung aussieht und wo genau die Obergrenze je Kraftwerksart liegt, ist allerdings noch nicht bekannt. Experte Jens Burchardt von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group sagt: „Dadurch, dass die Obergrenzen für Strompreise je nach Kraftwerksart unterschiedlich sind, ist die Gewinnabschöpfung relativ fair.“ Außerdem garantiere ein Sicherheitspuffer, dass die Gewinne der Stromerzeuger weiterhin über dem liegen, womit sie in normalen Zeiten rechnen konnten.

>> Lesen Sie hier: So wirken Gas- und Strompreisbremse – diese Hilfen können Verbraucher erwarten

Trotzdem erzeugten einige der betroffenen Unternehmen nicht nur Strom, sondern sie hätten auch andere Geschäftssegmente, die negativ von der Krise betroffen seien, gibt Burchardt zu bedenken. So zum Beispiel der norwegische Energieriese Statkraft. Zwar hat der Strompreisanstieg auch bei Statkraft zu einer deutlichen Steigerung der Bruttoerträge geführt. Aufgrund der gleichzeitig stark gestiegenen Absicherungssummen für den Handel lag das bereinigte Ebit im zweiten Quartal mit umgerechnet 370 Millionen Euro allerdings fast 200 Millionen unter dem Vorjahresergebnis. 

Einige Vertreter der Erneuerbaren-Industrie befürworten deswegen die Abführung von Übergewinnen über eine Steuer: „Die Lösung liegt auf der Hand: eine sorgfältig konzipierte, befristete und technologieneutrale Steuer auf Übergewinne“, schrieb Statkraft-Tradingchef Carsten Poppinga erst vor Kurzem in einem Gastbeitrag für das Branchenportal Energate. Diese Lösung werde aber vonseiten der Regierung erst gar nicht ins Auge gefasst. 

Mehr: Gaspreisbremse soll vorgezogen werden – Strompreis wird bei 40 Cent gedeckelt



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Politik

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