Berlin Die Vorzeichen für die Weltklimakonferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich stehen nicht gut. Hitzewellen, Dürren und Überflutungen als Folgen des Klimawandels bedrohen schon heute die Lebensgrundlage vieler Millionen Menschen. Gleichzeitig schaffen der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die dadurch ausgelöste Energiekrise massive geopolitische Spannungen.
Langjährige Beobachter sind besorgt. „Die Staatengemeinschaft muss zeigen, dass sie trotz aller Spannungen bei der Überlebensaufgabe Klima zusammenrückt“, sagte Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, vor Beginn des zweiwöchigen Verhandlungsmarathons. „Deutschland und alle Staaten müssen die hohen fossilen Energiepreise zur Beschleunigung der Energiewende nutzen.“
Die bisherigen Zusagen der Staaten in Sachen Klimaschutz bleiben weit hinter dem zurück, was nötig wäre, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Auf dieses Ziel hat sich die Weltgemeinschaft geeinigt. Doch aktuell nimmt sie eher Kurs auf eine Erwärmung von 2,5 Grad. Das zeigen Zahlen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.
„Die Menschheit steuert auf einen Abgrund zu“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). „Mit verheerenden Auswirkungen auf dem einzigen Planeten, den wir haben.“ 1,5 Grad gelten als oberes Limit, um die Folgen des Klimawandels abzuwenden, die als nicht mehr beherrschbar angesehen werden. Doch schon heute nehmen die klimawandelbedingten Schäden weltweit zu. Es kommt also auf jedes Zehntelgrad an.
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Worum die Teilnehmer auf der Klimakonferenz, kurz COP (Conference of the Parties) genannt, bis zum 18. November ringen:
1. Ambitionen steigern
Werden mehr Staaten ihre Klimaziele verschärfen? Diese Frage steht in Ägypten im Mittelpunkt. Anders als 2021 bei der letzten Klimakonferenz in Glasgow versprochen, haben nur 23 Staaten von insgesamt mehr als 190 bis kurz vor Beginn des diesjährigen Treffens neue, aber wenig ambitionierte nationale Klimaziele vorgelegt.
Derweil sind die Treibhausgasemissionen nicht nur zu hoch, sie steigen auch weiter. Bis heute hat sich die globale Durchschnittstemperatur um gut 1,1 Grad erhöht.
Weltklimakonferenz startet in Ägypten
Doch die internationalen Verhandlungen werden von dem russischen Angriffskrieg und seinen geopolitischen Folgen überschattet. „Der Angriff auf die Regeln der Weltgemeinschaft hat überall zu Verunsicherung, Spaltung, Vertrauensverlust geführt, die es nicht leichter machen, die ganze Welt hinter dem gemeinsamen Ziel zu vereinen“, sagte Baerbock.
Wie in jedem Jahr stehen die weltweit größten Emittenten wie etwa China und die USA im Fokus. 2015 wurden sie dafür gefeiert, das Pariser Klimaschutzabkommen entscheidend vorangebracht zu haben. Unter Ex-Präsident Donald Trump fielen die USA als Schrittmacher aus, was wiederum China in seinen Ambitionen bremste.
Mit US-Präsident Joe Biden sind die USA wieder ein ernst zu nehmender Partner in der internationalen Klimadiplomatie. Mit einem milliardenschweren Subventionsprogramm lenkt Bidens Regierung Investitionen in eine klimafreundlichere Industrieproduktion.
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Jetzt müsse China in seinen Bemühungen nachlegen, fordern Experten. Germanwatch verweist darauf, dass ohne mehr Anstrengungen in dem Land die Ziele des Pariser Abkommens unerreichbar seien. China müsse spätestens 2025 mit der Senkung der Emissionen beginnen. Bislang hat sich das Land jedoch lediglich dazu verpflichtet, den Höhepunkt der Emissionen „vor 2030“ zu erreichen.
Gemeinsamer Taktgeber werden die USA und China in diesem Jahr jedoch wohl kaum sein. Aufgrund der Spannungen um Taiwan war der regelmäßige klimapolitische Austausch der beiden Länder auf Eis gelegt worden.
Die Spannungen mit Russland, immerhin der viertgrößte Emittent der Welt, gelten als Bürde für die Verhandlungen, doch geächtet werden soll das Land in Scharm el-Scheich nicht. Es gehe in Ägypten nicht um Verhandlungen zwischen einzelnen Staaten, sagte UN-Diplomat Achim Steiner im Interview mit dem Handelsblatt. „Der Krieg darf die Verhandlungen nicht so beeinträchtigen, dass kein gemeinsamer Weg gefunden werden kann.“
2. Klimafinanzierung sichern
Die Industrieländer haben ihr Finanzierungsversprechen gebrochen, Entwicklungsländer ab 2020 jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar bei Klimaschutz und -anpassung zu unterstützen. 2020 beliefen sich die Hilfen auf rund 80 Milliarden US-Dollar. Ob die 100 Milliarden Dollar noch 2022 oder erst 2023 erreicht werden, ist bislang unklar.
Klimaschützer wie David Ryfisch, Leiter des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch, kritisieren das. „Es ist kaum zu vermitteln, dass Industrieländer auf Pandemie und Auswirkungen der russischen Aggressionen mit dreistelligen Milliarden-Paketen antworten können, aber gemeinsam keine 100 Milliarden für die Ärmsten und Verletzlichsten zur Bewältigung der Klimakrise aufbringen.“
Wolfgang Obergassel, Co-Leiter des Forschungsbereichs Internationale Klimapolitik beim Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie, äußerte die Hoffnung, „dass die Industrieländer ihr Versagen bei der finanziellen Unterstützung wieder wettmachen“. Aus seiner Sicht müssten sie zusagen, dass es zumindest im Durchschnitt 2020 bis 2025 dann 100 Milliarden jährlich würden.
>> Lesen Sie hier: „Die geopolitischen Spannungen sind eine schwere Bürde“, sagt UN-Diplomat Steiner im Interview
Im Fokus steht auch das Thema klimabedingte Schäden und Verluste. Damit sind Folgen des Klimawandels gemeint, an die sich Staaten nicht mehr anpassen können.
Auch hier stehen die Industrieländer nach Auffassung von Klimaschützern in der Pflicht. Schließlich waren die wohlhabenden Länder über Jahre die Hauptverursacher der Treibhausgasemissionen, die den Entwicklungsländern jetzt Schäden in Milliardenhöhe bescheren.
Außenministerin Baerbock kündigte Solidarität mit den betroffenen Ländern an. Deutschland „ist dazu bereit, sowohl bei der Klimafinanzierung als auch bei der Bewältigung von Schäden und Verlusten“.
Ein Durchbruch ist in Ägypten allerdings nicht zu erwarten. Die Diskussionen etwa über die Einrichtung eines Fonds zur Bewältigung von Schäden und Verlusten sind seit Jahren verhärtet. Viele Entscheidungsträger befürchten eine Klagewelle von besonders betroffenen Ländern.
3. Partnerschaftsprojekte fördern
Große Erwartungen richten sich auf sogenannte Energie- oder Klimapartnerschaften zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Sie sollen etwa energiehungrigen, aufstrebenden Staaten dabei helfen, klimafreundlichere Energiequellen zu nutzen.
Niklas Höhne, Geschäftsführer des New Climate Institute in Köln, erklärte, er hoffe, „dass sich hier einzelne Länder bilateral oder in kleineren Gruppen zu sehr ambitionierten Dingen zusammenfinden und sagen: Wir setzen das um auf der einen Seite und wir finanzieren das auf der anderen Seite.“
Nach Aussagen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist hier Bewegung zu erwarten. „Die Weltklimakonferenz bietet das richtige Forum dafür“, sagte er zum Auftakt der Konferenz.
Bereits am Freitag vereinbarten Deutschland und Peru eine Klimapartnerschaft und damit die erste Deutschlands mit einem lateinamerikanischen Land. Als beispielhaft gilt auch eine Partnerschaft der EU, der USA und Großbritanniens mit Südafrika, die bei der vergangenen Klimakonferenz in Glasgow geschlossen wurde. Die Industrieländer fördern den Ausstieg aus der Kohleverstromung.
Mehr: „In den USA gibt es Geld, um zu investieren – in Europa gibt es Gesetze und Vorschriften“
<< Den vollständigen Artikel: Start der COP27: „Menschheit steuert auf Abgrund zu“ – Darauf kommt es bei der Klimakonferenz in Ägypten an >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.