Auch der SPD-Digitalpolitiker Jens Zimmermann sieht die momentane Entwicklung „äußerst kritisch“. Mit einer halbierten Belegschaft werde Twitter die gesetzlichen Anforderungen an die Moderation von Inhalten und den Umgang mit Beschwerden in Europa nicht erfüllen können, sagte Zimmermann dem Handelsblatt.
„Das Bundesamt für Justiz muss deshalb Twitter unter verschärfte Aufsicht nehmen und bei Verstößen schnell und entschieden handeln.“ Hier erwarte er auch von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) ein „entschiedenes Handeln“.
Laut dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) ist in Deutschland das Bundesamt für Justiz für Beschwerden über problematische Inhalte in sozialen Netzwerken zuständig und kann notfalls auch Bußgelder gegen die Plattformbetreiber verhängen.
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Zimmermann sagte: „Sollte Twitter den Anforderungen nicht nachkommen, drohen nicht nur Strafen gegen das Unternehmen, sondern auch gegen verantwortliche Manager.“ Ob ein für Deutschland verantwortlicher Manager bereit sei, persönlich mit mehreren Millionen Euro zu haften, dürfte die Diskussionen innerhalb des Unternehmens befeuern.
Twitter verliert prominente Werbekunden
Musk hatte vergangene Woche den Kauf von Twitter für rund 44 Milliarden Dollar abgeschlossen. Etwa die Hälfte der Beschäftigten verliert ihren Job. Das teilte der Leiter der Abteilung für Sicherheit und Integrität des Unternehmens, Yoel Roth, mit. Jedem der etwa 3700 Betroffenen sei eine Abfindung angeboten worden.
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Beschäftigte hatten bereits eine Sammelklage gegen Twitter eingereicht. Sie werfen dem Unternehmen vor, die bei Entlassungen vorgeschriebene 60-Tage-Frist nicht eingehalten zu haben. Das verstoße gegen kalifornisches Recht und Bundesrecht, hieß es.
Firmenchef Musk begründete den Stellenabbau mit einem deutlichen Umsatzrückgang. So verliere Twitter pro Tag vier Millionen US-Dollar. Das liegt auch am Rückgang der Werbeeinnahmen.
In den vergangenen Tagen hatten unter anderem die Volkswagen-Gruppe, der Pharmakonzern Pfizer und der Lebensmittelriese Mondelez angekündigt, Werbung bei Twitter aussetzen zu wollen. Dass Firmen sich darüber sorgen, dass ihre Anzeigen neben negativen Inhalten auftauchen könnten, ist kein neues Phänomen. Auch etwa Googles Videotochter Youtube hatte bereits damit zu kämpfen.
Führende SPD-Politiker verlassen Twitter
Musk hatte solche Sorgen selbst mit häufiger Kritik ausgelöst, Twitter habe zu sehr die Redefreiheit auf der Plattform eingeschränkt. Vergangene Woche versuchte er dann, Werbekunden mit einem offenen Brief zu beruhigen: Twitter werde kein Ort sein, an dem man sich ohne Konsequenzen alles erlauben könne. Auch jetzt betont er, dass sich an den Inhalte-Regeln der Plattform bislang nichts verändert habe. Einige Werbekunden halten sich trotzdem zurück.
Für den Grünen-Politiker Dieter Janecek zeigt die Entwicklung zweierlei, wie er dem Handelsblatt sagte. Zum einen, dass soziale Netzwerke „auf Gewinnmaximierung ausgerichtete“ kommerzielle Unternehmungen seien. Und zum anderen, dass die „ständigen Empörungsschleifen“ auf Twitter, Facebook und Co. dem demokratischen Diskurs in der Vergangenheit schon mehr geschadet als genutzt hätten.
Dazu passt nun aus Sicht Janeceks die Situation bei Twitter. „Mit Elon Musk steuert jetzt ein Multimilliardär Twitter, der selbst ziemlich krude politische Ambitionen hegt.“ Über Recht und Gesetz dürfe er sich trotzdem nicht stellen.
Der FDP-Digitalpolitiker Maximilian Funke-Kaiser hält die Twitter-Übernahme durch Musk „zunächst für unproblematisch“. Die Plattform habe sich zuvor schon an geltendes Recht halten müssen, und das gelte weiterhin – erst recht, nachdem in Europa mit dem sogenannten Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA), die Vorschriften für Netzwerkbetreiber „noch mal klarer definiert“ worden seien.
Sicherlich habe Twitter auch seinen Anteil an politischen Debatten, fügte der FDP-Politiker hinzu. Insbesondere die Vorfälle in den USA veranschaulichten das. „Allerdings lebt Twitter auch von Meinungsvielfalt und der schnellen und direkten Debatte“, sagte Funke-Kaiser. „Das kann eine Bereicherung sein.“
In der SPD hat indes die Parteispitze dem Kurznachrichtendienst teilweise schon den Rücken gekehrt. Erst hat Generalsekretär Kevin Kühnert die Plattform verlassen, dann Co-Parteichefin Saskia Esken.
Zur Begründung verwies sie auf einen Gastbeitrag von ihr auf „Zeit Online“. „Die Ökonomie von Aufmerksamkeit und Empörung, wie wir sie heute in den sozialen Medien erleben, beschädigt unsere politische Kultur. Hass und Hetze bedrohen den gesellschaftlichen Zusammenhalt, Kampagnen zur Desinformation und Manipulation der öffentlichen Meinung gefährden unsere Demokratie“, schreibt Esken in dem Beitrag.
„Twitter unternimmt nichts gegen Fake-Profile, agiert im Umgang mit gemeldeten strafbaren Inhalten wie Beleidigung oder Volksverhetzung ausgesprochen nachlässig und lässt auch nach klaren Urteilen nicht von unrechtmäßigen Twitter-Sperren ab. Die angekündigte Übernahme von Twitter durch Elon Musk wird die Plattform ganz sicher nicht zu einem gemeinnützigen Unternehmen machen.“
SPD-Co-Chef Klingbeil bleibt der Plattform treu – vorerst zumindest. „Ich bleibe erst mal auf Twitter“, sagte er.
Mehr: Tröts statt Tweets – Das ist die Twitter-Alternative Mastodon
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