Berlin In der Ampelkoalition ist eine Debatte über die Entschädigungsregeln der Deutschen Bahn entbrannt. Verbraucherschützer wollen die Bahn dazu verpflichten, schon ab 30 Minuten Zugverspätung eine Entschädigung zu zahlen. Die FDP befürwortet eine frühere Entschädigung, SPD und Grüne lehnen das ab.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Liberalen im Bundestag, Torsten Herbst, sagte dem Handelsblatt: „Wenn wir mehr Menschen für das Bahnfahren begeistern wollen, braucht es auch bessere und einfachere Entschädigungsregelungen.“
Eine teilweise Fahrpreiserstattung bereits ab 30 Minuten Verspätung wäre für die Bahn ein „wichtiger finanzieller Anreiz, im Fernverkehr endlich pünktlicher und zuverlässiger zu werden“, sagte Herbst und mahnte: „Wenn die Deutsche Bahn hier selbst nicht liefert, muss die Politik nachhelfen.“
Der SPD-Verkehrspolitiker Detlef Müller will hingegen bei den Engpässen im Schienennetz ansetzen, um „die ärgerlichen Verspätungen“ einzudämmen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte „Beschleunigungskommission Schiene“ werde dazu „zeitnah“ Ergebnisse vorlegen, sagte Müller. „Mit Hochdruck werden wir Maßnahmen zu mehr Effizienz im Schienenverkehr angehen.“
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Die Fernzüge der Deutschen Bahn waren zuletzt zwar zuverlässiger unterwegs als in den Monaten davor – doch viele kommen noch immer zu spät. Knapp 63 Prozent erreichten laut Konzernangaben im September ohne größere Verzögerung ihr Ziel. Das waren sechs Prozentpunkte mehr als im August. Anfang des Jahres hatte Bahn-Chef Richard Lutz noch ein Pünktlichkeitsziel von 80 Prozent in Aussicht gestellt, dieses Vorhaben aber nach wenigen Wochen kassiert.
Verspätungen der Bahn
63
Prozent
der Fernzüge erreichten laut Deutscher Bahn im September ohne größere Verzögerung ihr Ziel.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) forderte vor diesem Hintergrund kundenfreundlichere Entschädigungsregeln. „Wenn sich jetzt Verspätungen häufen, dann sollte die Bahn bereits ab 30 Minuten Verspätung eine Entschädigung zahlen, nicht erst ab einer Stunde“, sagte VZBV-Chefin Ramona Pop. „Das wäre auch ein Anreiz, dass die Bahn pünktlicher wird.“
CSU-Politiker: Entschädigungen müssen automatisch erfolgen
Bisher gibt es ab einer Stunde Verspätung ein Viertel des Fahrpreises zurück. Ab zwei Stunden ist es die Hälfte des Fahrpreises. Fahrgäste können die Erstattung per Papierformular, über die Bahn-Website oder die App DB Navigator beantragen. Die Regelungen beruhen auf einer EU-Verordnung.
Aus Sicht der Verbraucherzentrale haben die Mitgliedstaaten beim Thema Entschädigungen aber einen Spielraum. „Obwohl durch die Verordnung ab 2023 viele Aspekte europaweit geregelt werden, gibt es bei einigen Punkten die Möglichkeit, national nachzuschärfen“, erklärte der VZBV auf Anfrage.
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Der CSU-Verbraucherpolitiker Volker Ullrich begrüßte den Vorstoß. Ullrich verlangte zudem, dass Entschädigungen automatisch erfolgen. „Bahnreisende müssen bei Verspätungen bessergestellt werden“, sagte er. Daher müsse die Entschädigung für alle, die per Karte bezahlt haben, automatisch erfolgen.
Bahnreisende müssen bei Verspätungen bessergestellt werden. CSU-Verbraucherpolitiker Volker Ullrich
Der Grünen-Verkehrspolitiker Matthias Gastel sieht momentan keinen Grund, am Entschädigungsprozedere der Bahn etwas zu ändern. Die hohe Quote unpünktlicher Züge sei zwar „ein Ärgernis erster Güte für die Fahrgäste“, sagte er. „Eine Änderung der Entschädigungsregelung würde aber nicht helfen, sondern wegen der höheren Kosten für die Verkehrsunternehmen zu höheren Ticketpreisen führen.“
Viele schlecht koordinierte Baustellen im Netz
Wie Müller will auch Gastel die Ursachen für die Verspätungen stärker in den Blick nehmen, etwa die vielen schlecht koordinierten Baustellen im Netz und das zunehmend überlastete Streckennetz.
Um Verbesserungen zu erreichen, erhöhe die Ampel etwa die Investitionsmittel für die Infrastruktur. „Damit erhöhen wir schrittweise die Kapazität im Netz und stabilisieren die Fahrpläne“, sagte Gastel.
Tatsächlich sind die zahlreichen Baustellen das Hauptproblem der Bahn, wie der Konzern selbst einräumt. Infolgedessen werde der Verkehr bei gleichzeitig hoher Nachfrage ausgebremst.
Insbesondere in den trockenen Sommermonaten wurden zudem zahlreiche Gütertransporte vom Schiff auf die Schiene verlagert. Aufgrund des Niedrigwassers konnten Schiffe auf vielen Abschnitten des Rheins nicht fahren.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing dringt auf eine koordinierte Sanierung und Digitalisierung des Schienennetzes, um zu mehr Verlässlichkeit für Fahrgäste und Gütertransporte zu kommen. „Die Durchsage, Grund für die Verspätung ist eine Störung im Betriebsablauf, möchte ich eigentlich möglichst bald nicht mehr hören“, sagte der FDP-Politiker kürzlich.
Angeblich gingen 50 Prozent aller Verspätungen darauf zurück. Es müssten aber ausreichend ausgebildetes Personal und einsatzfähige Fahrzeuge bereitstehen, um beabsichtigte Verkehre auch fahren zu können.
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