Nov 15, 2022
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Außenpolitik : „Wir müssen einander zuhören“ – Bundesregierung will Afrikastrategie nochmal überarbeiten

Written by Dana Heide

Berlin „Wir müssen einander zuhören“, sagt Annalena Baerbock (Grüne) und blickt in das Publikum im Weltsaal im Auswärtigen Amt, und die „Wunden der Vergangenheit adressieren“. Die Außenministerin hat im Kontext der deutschen G7-Präsidentschaft acht afrikanische Staaten eingeladen. Vor deren Vertretern hält Baerbock eine Rede, in der sich viel um das „Erbe des Kolonialismus“ dreht.

Baerbocks Worte zeigen, wie viel sich gewandelt hat in der Beziehung mit den afrikanischen Staaten. Längst sind Kräfteverhältnis und Abhängigkeiten nicht mehr so klar verteilt wie früher, als Deutschland Geldgeber und Afrikas Staaten Bittsteller waren. Der Ukraine-Konflikt hat auch den Blick auf den rohstoffreichen Kontinent verändert. Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg und der Suche nach alternativen Energie- und Rohstoffquellen rückt Afrika immer stärker in den Fokus.

Auch als Absatzmarkt und Handelspartner wird der Kontinent zunehmend interessant. Der Chef der Deutschen Bank, Christian Sewing, berichtete jüngst auf dem Handelsblatt Bankengipfel, dass viele seiner Kunden gerade versuchten, die Abhängigkeit ihres Geschäftes von China zu reduzieren. Auf der Suche nach Alternativen habe eine Region besonders an Bedeutung gewonnen: Afrika.

Doch der Blick der deutschen Wirtschaft nach Süden kommt spät und wird getrübt von Aussichten auf einen Konkurrenzkampf mit China. Denn die Volksrepublik sichert sich seit langer Zeit schon durch Milliardenprojekte nicht nur den Zugang zur wichtigen Infrastruktur in Afrika, sondern auch zu Rohstoffen. Laut einer Recherche der „New York Times“ Ende 2020 gehörten 15 der 19 Minen für Kobalt im Kongo chinesischen Unternehmen oder wurden von ihnen finanziert. Kobalt kommt etwa bei Batterien für Elektroautos zum Einsatz.

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Die Bundesregierung schaut schon seit längerem kritisch auf den wachsenden Einfluss Pekings. Laut Informationen des Handelsblatts sendeten die Deutschen Botschaften aus aller Welt in den vergangenen Monaten auf Wunsch der Zentrale in Berlin detaillierte Drahtberichte über Chinas Aktivitäten auf dem Kontinent.

Deutschlands Vorteile anpreisen

Insbesondere die Entwicklungszusammenarbeit ist auch für Berlin ein wichtiger Hebel, um die Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent zu stärken und die Vorzüge einer Kooperation mit Deutschland hervorzuheben. Die eigentlich bis Ende des Jahres vom Bundesentwicklungsministerium (BMZ) geplante neue Afrikastrategie wird laut Informationen des Handelsblatts nochmal überarbeitet. Die Veröffentlichung ist derzeit für Ende Januar geplant.  

Der Grund: Die geopolitischen Einflüsse Russlands und Chinas sollen in der Strategie noch mehr Beachtung finden als ursprünglich geplant.

Peking hat im Vergleich zu Geldgebern aus Europa zwei Vorteile: Im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern hat die Volksrepublik keine belastenden Kolonialvergangenheit auf dem Kontinent, aber vor allem: Peking bringt Geld zu Bedingungen mit, die vielen afrikanischen Machthabern sehr entgegenkommen.

>> Lesen Sie hier: Chinas Schuldner in der Falle

Auf der anderen Seite nutzt China Abhängigkeiten gezielt aus, um Länder politisch gewogen zu machen – damit die etwa bei Abstimmungen auf internationaler Bühne bei den Vereinten Nationen im Sinne Pekings votieren. Eine am Dienstag veröffentlichte Analyse des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (Ifw) zeigt nun erstmals, wie Peking Hilfslieferungen an afrikanische und asiatische Länder gezielt politisch gewogenen Ländern zukommen lässt. Die Studienautoren werteten dafür chinesische Zolldaten aus den Jahren 2017 bis 2021 aus. Danach hat China insgesamt Hilfsgüter im Wert von 4,2 Milliarden US-Dollar exportiert. „Dabei fließen umso mehr Hilfsgüter in ein Land, je stärker es mit China politisch auf einer Linie ist“, heißt es in der Erhebung.

Bereits seit Jahren finanziert Peking über seine Seidenstraßeninitiative (BRI) Infrastrukturprojekte in Milliardenhöhe – allein in der 1. Jahreshälfte 2022, so eine Erhebung der deutschen Außenwirtschaftsförderungsgesellschaft GTAI, wurden in Afrika 140 BRI-Projekte geschlossen.

„Eine zentrale Lehre aus dem russischen Angriffskrieg für unsere Chinapolitik ist: wir dürfen uns von keinem Land mehr existenziell abhängig machen, das unsere Werte nicht teilt“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. „Gleichzeitig setzen wir uns dafür ein, dass nicht nur wir, sondern auch andere Länder, mit denen wir zusammenarbeiten wollen, nicht in zu große Abhängigkeiten geraten.“

Mine im Kongo

15 der 19 Minen für Kobalt im Kongo chinesischen Unternehmen oder wurden von ihnen finanziert.



(Foto: dpa)

Die Rufe nach einer strategischeren Ausrichtung von Entwicklungszusammenarbeit werden auch in Deutschland lauter. „Die Bundesregierung muss bei der China-Strategie stärker an die Länder des globalen Südens denken und auch die Entwicklungszusammenarbeit stärker an den deutschen Interessen orientieren“, sagt Andreas Fuchs, Professor für Entwicklungsökonomik an der Universität Göttingen und Forscher am Kiel Institut für Weltwirtschaft. „Wir befinden uns in einer Zeit des Systemwettbewerbs und da ist es wichtig, nicht nur Hilfe zu leisten, sondern auch stärker ins Schaufenster zu stellen, wie viel Hilfe wir leisten“, fordert er. Die europäischen Hilfen überstiegen eben in den meisten afrikanischen Ländern die chinesischen.

„Momentan findet auf dem afrikanischen Kontinent auch ein Kampf der politischen Systeme statt“, glaubt auch Wolfgang Stefinger, Entwicklungspolitiker der Unionsfraktion. China schaffe durch Infrastrukturprojekte und Kredite Abhängigkeiten, Russland durch militärische Zusammenarbeit. Da müsse Europa dagegenhalten.

Entwicklungsgelder für die Wirtschaft

Manche Wirtschaftsvertreter sprechen sich daher sogar für eine teilweise Umwidmung der Entwicklungshilfe aus. Der Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, Christoph Kannengießer, fordert ein Umdenken bei der Entwicklungspolitik und BMZ-Gelder auch für die „Absicherung von unternehmerischen Projekten in Entwicklungsländern“ einzusetzen – um die Entwicklungszusammenarbeit und die Außenwirtschaftsförderung enger zu verzahnen.

Die entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Deborah Düring, hält das für keine gute Idee: Die Afrikapolitik des BMZ sei in der Großen Koalition bereits zu sehr von wirtschaftspolitischen Interessen getrieben gewesen, etwa durch den Marshallplan des damaligen Entwicklungsministers Gerd Müller (CSU). Das habe nicht funktioniert.

„Wir sollten uns stattdessen fragen, wieso die Partnerschaft mit den Chinesen immer noch so attraktiv ist”, so Düring. „Wir müssen koloniale Abhängigkeitsstrukturen aufbrechen und mit den Partnern vor Ort auf tatsächlicher Augenhöhe kommunizieren, anstatt vor allem wirtschaftliche und innenpolitischen Interessen voranzutreiben.”

Ein Instrument, mit dem die Bundesregierung auf europäischer Ebene die Abhängigkeiten afrikanischer Länder von China reduzieren will, ist Global Gateway. Über das Projekt sollen in den nächsten fünf Jahre Investitionen in Afrika in einer Höhe von 150 Milliarden Euro möglich gemacht werden.

Mehr: Fünf Grafiken, die Deutschlands Abhängigkeit von China zeigen



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Politik

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