Tokio, Bangkok Beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in Bangkok steht an diesem Freitag vor allem eine Person im Scheinwerferlicht: der chinesische Präsident Xi Jinping. Doch überstrahlt China tatsächlich noch den Kontinent?
Chinas Aufstieg zur größten Volkswirtschaft Asiens war zweifelsfrei atemberaubend. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung stieg zwischen 1990 und 2021 um das 36-Fache auf 12.562 Dollar. Doch jetzt, da Peking die USA herausfordert, treten die Nachbarn aus ihrem Schatten.
Zwar dürfte China noch lange Asiens führende Macht bleiben. Aber die zehn Mitglieder des Verbands südostasiatischer Nationen (Asean) haben 2021 zusammen mit Indien mehr Investitionen angezogen als die bisher größte Werkbank des Westens, wie die Datenanalyse des Handelsblatts zeigt.
Hinzu kommen die chinesische Immobilienkrise, Corona-Lockdowns, eine aggressive Außenpolitik Pekings, der zunehmende ökonomische Konflikt mit den USA. Diese Faktoren dämpfen die Konjunkturaussichten der asiatischen Supermacht. Unternehmen und Regierungen anderer Länder suchen außerdem verstärkt nach neuen Standorten für Fabriken und Forschungszentren, um die Abhängigkeit von China zu reduzieren.
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Und sie werden fündig: Die Asean-Mitglieder (Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam) locken mit niedrigen Gehältern.
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Geostrategisch wichtig ist auch, dass sich die Technologiemächte Japan, Südkorea und Taiwan mit ihrer Dominanz von Akku- und Chiptechnologien dem Westen als Entwicklungspartner anbieten. Zudem setzen sie auch bei Investitionen ein Gegengewicht zu China. Viele gute Gründe also, weshalb Chinas Nachbarn an Bedeutung gewinnen werden.
Indien verdrängt China als Asiens Wachstumsmotor
Zum ersten Mal seit mehr als drei Jahrzehnten verzeichnet China in diesem Jahr ein geringeres Wirtschaftswachstum als die restlichen Schwellenländer Asiens. Besonders groß ist der Abstand zu Indien. Dort legt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit rund sieben Prozent mehr als doppelt so stark zu wie in der Volksrepublik.
Ökonominnen und Ökonomen erwarten, dass die Trendumkehr auch in den kommenden Jahrzehnten Bestand hat. China wird zwar weiterhin Asiens größte Volkswirtschaft bleiben. Beim Wirtschaftswachstum übernimmt aber Indien die Führung.
Investitionen fließen zunehmend in Asiens Süden
Internationale Konzerne wollen ihr Asien-Geschäft stärker diversifizieren – unter anderem wegen der zunehmenden Spannungen zwischen den USA und China. Sie tätigen neue Investitionen deshalb zunehmend außerhalb Chinas. Der Süden des Kontinents profitiert am stärksten von dieser Verschiebung.
In Ländern wie Vietnam, Malaysia und Thailand entstehen wichtige neue Produktionszentren. Bei der Summe der ausländischen Direktinvestitionen liegen die Staaten des südostasiatischen Asean-Bündnisses mit China fast gleichauf. Rechnet man die Investitionen, die Indien anzieht, hinzu, dann liegt Asiens Süden bereits deutlich vor der Volksrepublik.
Japan bietet China bei Investitionen Paroli
China ist einer der größten asiatischen Investoren, aber nicht immer der größte. Der Nachbar Japan, der nur ein Zehntel von Chinas Bevölkerung aufweist, hat 2021 mit Auslandsinvestitionen von 147 Milliarden Dollar China knapp übertroffen – wie schon in sechs der vergangenen zehn Jahre.
Für Ian Bremmer, den Chef des Politikberaters Eurasia Group, ist dies geopolitisch wichtig: So bemühten sich die USA um Asien, ohne jedoch die Grenzen für Produkte zu öffnen. „Japan könnte als Brücke dienen“, so Bremmer, etwa als Financier der Infrastruktur.
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Andere Länder würden es willkommen heißen, wenn Japan eine größere Führungsrolle übernähme. Darüber hinaus wächst auch das Gewicht der Asean-Mitglieder. 2021 investierten sie zusammengerechnet bereits mehr als halb so viel wie China außerhalb ihrer Landesgrenzen.
Indien streicht die demografische Dividende ein
Im kommenden Jahr wird Indien nach Prognosen der Vereinten Nationen China als das bevölkerungsreichste Land der Welt ablösen. Der Abstand zwischen den beiden Ländern wird in den kommenden Jahrzehnten kräftig wachsen. Unternehmen, die in Indien aktiv sind, werden bereits in einem Jahrzehnt einen Markt mit mehr als anderthalb Milliarden Einwohnern vorfinden.
Während Chinas Gesellschaft rasch altert, profitiert Indien von einer vergleichsweise jungen Bevölkerung. Das Medianalter wird 2035 Prognosen zufolge bei lediglich 33 Jahren liegen – damit sind die Inder im Schnitt um zwölf Jahre jünger als die Chinesen.
Amerikas asiatische Partner wirtschaften forschungsintensiver als China
China ist nominal zu einer wichtigen Innovationsmacht aufgestiegen. Aber die Ausgaben für Forschung und Entwicklung machten im Jahr 2020 nur 2,4 Prozent des BIP aus. In Japan waren es 3,3 Prozent, in Taiwan 3,6 Prozent und Südkorea gar 4,8 Prozent, Tendenz steigend. Und die US-Alliierten fokussieren sich dabei oft auf Bereiche wie Akkus, Elektroautos und Computerchips, die China dominieren will.
Die Industriepolitik der USA setzt daher bereits voll darauf, dass die Asiaten ihrer Schutzmacht helfen. Chiphersteller aus Taiwan und Südkorea bauen in den USA riesige Chipwerke, Japaner und Koreaner zudem Akkufabriken. Zudem hat Washington mit Tokio eine Entwicklungsallianz für die Massenproduktion von hochmodernen Zwei-Nanometer-Chips vereinbart.
Chinas Börse enttäuscht, während Indiens Aktienmarkt boomt
China ist zwar Asiens dominante wirtschaftliche Kraft. Das bedeutet aber nicht, dass es einfach ist, in dem Land Geld zu machen. Für Investoren, die ihr Kapital langfristig im chinesischen Aktienmarkt angelegt haben, gab es in den vergangenen Jahrzehnten nur wenig zu holen. Seit Anfang der 90er-Jahre brachte der MSCI-China-Index eine durchschnittliche jährliche Rendite von gerade einmal einem Prozent – obwohl Chinas Wirtschaft in dem Zeitraum boomte.
Indien-Investoren hatten deutlich mehr Grund zur Freude: Sie erzielten mit dem MSCI-India-Index in den vergangenen knapp drei Jahrzehnten eine durchschnittliche jährliche Rendite von mehr als elf Prozent. Dabei sind riesige Vermögen entstanden. Der indische Industrielle Gautam Adani ist mit einem Vermögen von mehr als 140 Milliarden Dollar in diesem Jahr zu den Top Drei der reichsten Menschen der Welt aufgestiegen – und liegt vor Amazon-Chef Jeff Bezos und Starinvestor Warren Buffett.
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