Nov 16, 2022
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COP27: Team Deutschland: Wie die Außenministerin einen Aufbruch in der Klimapolitik versucht

Written by Silke Kersting

Berlin Palau, ein Inselstaat im Pazifischen Ozean, ein Südseetraum. Aber auch ein Ort des Schreckens. „Das Meer verschlingt unsere Ernten, unsere Strände, unsere Inseln, unsere Häuser“, war die Botschaft an Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Besuch der Inselgruppe im Sommer.

Baerbock war nach Palau geflogen, um zu sehen, „wie wir dort unterstützen können beim Thema Umsiedlung – in den nächsten 20 oder 30 Jahren“. Dort realisierte sie, dass das keine Sache der nächsten 20 oder 30 Jahre sei, sondern der nächsten zehn Jahre.

Und sie befand, dass Deutschland künftig nicht mehr darum herumreden solle, wenn es um den Ausgleich von Schäden und Verlusten in Entwicklungsländern durch den Klimawandel gehe.

Die Finanzierung von Schäden und Verlusten, im Jargon der Vereinten Nationen „Loss and Damage“ genannt, ist eines von Baerbocks zentralen Themen, wenn sie an diesem Mittwoch zur Klimakonferenz (COP) nach Ägypten fliegt. Jahrelang hatte es auf den Konferenzen ein Schattendasein geführt, blockiert von den Industriestaaten.

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Erst in diesem Jahr war es gelungen, das Thema als eigenen Verhandlungsstrang auf die Agenda zu setzen. Durchgesetzt hatten das Baerbocks Staatssekretärin Jennifer Morgan und die chilenische Umweltministerin Maisa Rojas. Die ägyptische COP-Präsidentschaft hatte sie beauftragt, als Vermittlerinnen das Thema voranzutreiben.

Baerbock pocht auf Solidarität der Industrieländer mit den Entwicklungsländern

Viele Delegationen in Scharm el-Scheich kämpften dort „buchstäblich um das Überleben ihres Landes“, sagte die Außenministerin vergangene Woche im Bundestag. Es sei „eine himmelschreiende Ungerechtigkeit“, so Baerbock, „dass Teile pazifischer Inselstaaten vom steigenden Meeresspiegel verschluckt werden, obwohl sie so gut wie keine Verantwortung für die aktuellen Treibhausgase haben“. Es sei notwendig, dass sich die Industrieländer solidarisch mit diesen Ländern zeigten.

>> Lesen Sie hier: „Fordern Unterstützung von den reichen Superemittenten“ – Das Ringen um milliardenschwere Hilfen beginnt

Ein knappes Jahr ist die 41-Jährige nun im neuen Amt, zunächst mit allerlei Skepsis konfrontiert, sie werde das Amt nicht ausfüllen können. In dem am Freitag veröffentlichten „ZDF-Politbarometer“ belegte Baerbock erstmals den ersten Platz der Beliebtheitsliste.

Ihr, der früheren klimapolitischen Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion und späteren Grünen-Chefin, gelang es, die Steuerung und Koordination der internationalen Klimapolitik – einschließlich der internationalen Klimaverhandlungen – aus dem Umweltministerium ins Außenamt zu holen. Und sie überzeugte Jennifer Morgan, die frühere Chefin der Umweltorganisation Greenpeace International, als Sonderbeauftragte für internationalen Klimaschutz in ihr Haus zu kommen.

Während Baerbock selbst ihre Antrittsbesuche im Ausland machte und mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beschäftigt war, hatte ihre „Traumbesetzung“ Morgan damit zu tun, internationale Klimapolitik im Auswärtigen Amt zu verankern.

Deutsche Klimapolitik in der Bewährungsprobe

Seitdem hat sich einiges geändert. Nach anfänglichen Ruckeleien wurde die Koordinierung der Ressorts innerhalb der Bundesregierung verstärkt, wurden Projekte besser aufeinander abgestimmt. Viel Lob gibt es für Baerbocks Staatssekretärin auch auf der COP. Morgan kennt das Verhandlungsgeschäft, nur steht sie jetzt auf der anderen, der diplomatischen Seite.

Bis Baerbock ankommt, ist Morgan die Delegationschefin, aber Allüren zeigt sie nicht. In Ägypten treten die vier mit Klimaschutz befassten Schlüsselministerien – neben dem Auswärtigen Amt sind das die Ressorts für Wirtschaft, für Umwelt- und für Entwicklungspolitik – als „Team Deutschland“ auf.

Jennifer Morgan habe diesen Begriff geprägt, sagt Kathrin Henneberger, bei den Grünen Expertin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. „Jennifer“ habe „unglaubliche“ Arbeit geleistet, die Ministerien auf Arbeitsebene zusammenzuführen „und auch uns im Parlament einzubeziehen, damit wir als gemeinsames Team auftreten“.

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Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, ist nicht ganz so euphorisch. Auf die Frage, ob sich die Umstrukturierung innerhalb der Bundesregierung bewährt habe, sagt sie: „Wir sind gerade in der Bewährungsprobe.“ Der Prüfstein sei eine ambitionierte Klimaaußenpolitikstrategie, die zeitnah vorgelegt werden müsse.

Die Klima- und Umweltszene ist sich weitgehend einig: Die Ampel gibt in der Klimapolitik ein besseres Bild ab als frühere deutsche Regierungen. Die Umverteilung der Zuständigkeiten zwischen den Ministerien habe Potenzial, heißt es. Doch es bleibe abzuwarten, ob damit das Handeln der gesamten Bundesregierung beeinflusst werde.

Noch keine Politik aus einem Guss

Stimmig ist der Auftritt längst noch nicht. „Weitere Reformen sind dringend notwendig, damit Deutschland alle Möglichkeiten für eine kohärente, konsistente und effektive Klimaaußenpolitik ausschöpft und die formulierte Vision, nach der die deutsche Außenpolitik aus einem Guss agieren soll, in die Tat umsetzen kann“, meint die Denkfabrik NewClimate Institute.

Unzufrieden ist man eher mit dem Kanzleramt als mit dem Auswärtigen Amt. Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings, sagt: „Die Klimakrise lässt sich nur aus allen Ressorts stoppen. Deshalb gehört der Klimaschutz auch ins Kanzleramt – dort muss er aber dann auch ernst genommen werden.“

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), bringt die Kritik vieler Beobachter auf den Punkt: „Die in sich widersprüchlichen Signale zur Finanzierung neuer Erdgasprojekte im Senegal und anderswo widersprechen den auf der Vorjahreskonferenz in Glasgow gemachten Zusagen, die Finanzierung fossiler Projekte in Entwicklungsländern einzustellen, und lassen die deutsche Politik international wenig glaubwürdig erscheinen.“ Dekarbonisierungsziele und praktisches Handeln in Deutschland, so Müller-Kraenner, passten nicht zusammen.

Auch wenn sich diese Kritik ebenfalls eher an den Kanzler richten dürfte als an die Außenministerin, steht in den nächsten Tagen doch sie im Fokus. Es geht um viel. Am Ende der Konferenz mit leeren Händen nach Hause zurückzufahren wäre eine Blamage.

Mehr: Deutschland fordert von allen mehr Klimaschutz – aber wie gut sind wir eigentlich im weltweiten Vergleich?



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