Nov 16, 2022
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Interview: Russland-Experte zu Raketeneinschlag in Polen: „Solche Vorfälle sind der Worst Case“

Written by pinmin


Polizist in der Nähe des Einschlagortes

Bei dem Raketeneinschlag kamen zwei Menschen ums Leben.


(Foto: Getty Images)

Berlin Nach dem Einschlag einer Rakete im Osten Polens gibt es Hinweise, dass das Geschoss von ukrainischen Truppen abgefeuert wurde. Stefan Meister, Russlandexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), sieht in dem Vorfall einen „Worst Case, vor dem Experten immer wieder gewarnt haben, da sie zu Kurzschlussreaktionen führen können“. Die Gefahr eines „größeren Kriegs, an dem sich die Nato mit eigenen Truppen direkt beteiligt, steigt eher.“

Lesen Sie hier das vollständige Interview:

Handelsblatt: Herr Meister, rechnen Sie nach den Raketeneinschlägen in Polen mit einer militärischen Reaktion der Nato?
Davon gehe ich nicht aus. Das Verteidigungsbündnis, die USA als wichtigstes Mitglied und Polen als unmittelbar betroffenes Land haben sehr besonnen reagiert. Alle Beteiligten haben klargemacht, dass nun die Aufklärung im Vordergrund steht. Die Nato will auf keinen Fall in diesen Krieg direkt hineingezogen werden.

Stefan Meister

Russlandexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)


(Foto: Robert Bosch-Zentrum)

Die Hinweise verdichten sich, dass es sich bei dem Geschoss um eine Flugabwehrrakete aus der Ukraine handeln könnte.
Es sieht tatsächlich aktuell so aus, dass es eine ukrainische Abwehrrakete war, ein Blindläufer in der Abwehr eines russischen Raketenbeschusses. Es könnte sich aber auch um eine verirrte russische Rakete gehandelt haben. Dennoch schaut Russland natürlich genau darauf, wie die Nato reagiert. Es braucht ein klares Signal, dass ein Angriff auf polnisches Territorium nicht hingenommen wird.

Welche könnte das sein?
Die Nato könnte beispielsweise Truppen in Osteuropa und an der ukrainischen Grenze verstärken und die Ukraine noch stärker mit Waffen beliefern. Eine zu vorsichtige Reaktion könnte Russland anstacheln, doch anzugreifen oder zumindest zu provozieren.

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Der ukrainische Außenminister hat eine „prinzipienfeste“ Reaktion gefordert und sprach von „Russlands Raketenterror“.
Man muss wirklich aufpassen, dass man sich von dieser scharfen Rhetorik nicht anstacheln lässt. Die Ukraine und insbesondere Präsident Wolodimir Selenski spielen rhetorisch damit, die Nato stärker zu involvieren. Auch wenn ich glaube, dass der Raketeneinschlag ein Versehen war. Man erhofft sich dadurch mehr militärische Unterstützung. Aber wir sind in einer sehr gefährlichen Eskalationsspirale.

Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von den Raketeneinschlägen erfahren haben?
Ich war erstaunt, dass es zu so einem Vorfall nach so vielen Kriegsmonaten nicht schon früher gekommen ist. Solche Vorfälle sind der Worst Case, vor dem Experten immer wieder gewarnt haben, da sie zu Kurzschlussreaktionen führen können. Die Gefahr eines größeren Kriegs, an dem sich die Nato mit eigenen Truppen direkt beteiligt, steigt eher.

Solche Vorfälle sind der Worst Case, vor dem Experten immer wieder gewarnt haben, da sie zu Kurzschlussreaktionen führen können. Stefan Meister

Liegt es im Interesse des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die Nato in den Krieg zu ziehen?
Nein, davon gehe ich nicht aus. Die Nato ist durch die Waffenlieferungen bereits indirekt Kriegspartei. Dass die Russen das akzeptieren, zeigt, dass sie ihre Grenzen kennen und die Eskalation in diese Richtung nicht wollen. Putin weiß, dass er eine solche Auseinandersetzung nicht gewinnen kann. Ihm gehen die Präzisionswaffen aus, seine Armee ist ein Desaster, er ist massiv geschwächt.

Der Krieg aber geht weiter. Die Explosionen in Polen waren trauriger Höhepunkt eines Tages, an dem die Russen versucht haben, die Infrastruktur zu zerstören.
Das ist etwas untergegangen. Dass zehn Millionen Ukrainer ohne Strom sind, ist eine Katastrophe. Der Westen ist davon ausgegangen, dass Putin Kompromisse eingeht, wenn der Druck auf ihn wächst. Wir sehen aber das Gegenteil. Putin ist noch nicht am Ende, er eskaliert weiter.

Mehr: Explosion in Polen überschattet G20-Gipfel: Biden hält Abschuss der Rakete aus Russland für „unwahrscheinlich“



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