Berlin Bundesverkehrsminister Volker Wissing will vom Transportgewerbe für jeden gefahrenen Kilometer auf Autobahnen und Bundesstraßen erst dann eine zusätzliche Klima-Maut verlangen, wenn ausreichend Fahrzeuge mit alternativen Antrieben auf dem Markt sind.
„Wir wollen die Mautreform Ende 2023 starten“, bestätigte der FDP-Politiker am Donnerstag auf einer Fachkonferenz des Ministeriums zu klimafreundlichen Nutzfahrzeugen in Berlin zwar den Beschluss der Ampelkoalition. Wenn die Maut aber stärker nach dem Kohlendioxidausstoß (CO2) differenziert werde, müssten auch andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen. „Das muss synchron laufen. Ansonsten ist das kein fairer Umgang.“
Der Verkehrsminister stellt sich mit seiner Position gegen ambitionierte Ziele, die etwa Klimaminister Robert Habeck (Grüne) in seinem Entwurf für ein Klimaschutzsofortprogramm vermerkt hat. Danach strebt er an, zur bestehenden Lkw-Maut eine ebenso hohe Klimakomponente anzusetzen, was eine neue Richtlinie der Europäischen Kommission erlaubt. Demnach könnte die Lkw-Maut ab 2024 doppelt so hoch ausfallen.
Ein Expertengremium der Bundesregierung hatte in der vergangenen Legislaturperiode bereits ermittelt: Vor allem die Höhe der Maut entscheidet darüber, ob ein batteriebetriebenes Fahrzeug über die Einsatzdauer insgesamt günstiger ist als ein heutiger Diesel-LKW. Der CO2-Preis habe „eine wichtige Signalwirkung und bringt in Verbindung mit einem höheren Mautabschlag auf die Infrastrukturkomponente den größten Vorteil für die alternativen Antriebe“, erklärte die Regierungskommission.
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Die Maut ist demnach ein großer Anreiz auf den alternativen Antrieb umzusteigen. Derzeit nimmt der Staat pro Jahr rund sieben Milliarden Euro mit der Lkw-Maut ein. Im Verkehrsministerium ist die Rede davon, die zusätzliche Klima-Maut stufenweise einzuführen – abhängig von den zur Verfügung stehenden Lkw.
Klima-Maut soll stufenweise ab 2024 den Umstieg befördern
Der Verkehrssektor steht vor enormen Herausforderungen, um seine Klimaziele zu erreichen: Bis zu 175 Millionen Tonnen CO2 muss der Sektor noch bis 2030 einsparen und damit mehr, als er in einem Jahr verursacht. 2030 soll er nur noch 85 Millionen Tonnen pro Jahr emittieren. Den Großteil der Emissionen verursacht der Güterfernverkehr auf der Straße.
Eingefahren
7
Milliarden Euro
nimmt der Staat pro Jahr mit der Lkw-Maut ein.
Allein schwere Lastwagen ab 26 Tonnen erzeugen die Hälfte der Emissionen, obwohl sie nur ein Viertel der gesamten Fahrleistung erbringen. 2030 soll ein Drittel der Fahrtstrecken klimaneutral erfolgen. Wie schwer die Aufgabe ist, verdeutlichen zwei Zahlen: Laut Transportgewerbe sind aktuell 112 Fahrzeuge beim Mautbetreiber Toll Collect als Null-Emissionsfahrzeuge mautbefreit. Auf den Autobahnen fahren aber täglich mehr als 700.000 Lkw allein aus Deutschland.
Das Verkehrsministerium setzt darauf, zunächst den Kauf neuer Lkw weiter zu fördern. So übernimmt der Bund seit 2021 bis zu 80 Prozent der Mehrkosten beim Kauf im Vergleich zu Dieselfahrzeugen. Doch auch die restlichen 20 Prozent haben es in sich: Während ein dieselbetriebener Lkw rund 100.000 Euro kostet, sind es beim batteriebetriebenen dreimal so viel.
Wasserstoffbetriebene Lkw werden noch nicht angeboten, sollen aber laut Prognosen rund ein halbe Million Euro kosten.
Während die Branche klagt, dass es zu lange dauere, bis Anträge genehmigt würden, verweist das Ministerium auf beantragte Fördermittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Es stehen aber nur 1,3 Milliarden Euro bis 2025 zur Verfügung. Hinzu kommen 6,3 Milliarden Euro, um Ladesäulen für Pkw und Lkw aufzustellen. „Das Programm soll fortgesetzt werden“, kündigte Minister Wissing an.
Der Weg zum Klimaziel ist weit, die Hersteller wollen dabei technologieoffen bleiben. „Wir brauchen alle Alternativen“, betonte Volvo-Trucks-Chef Peter Ström. Batterien seien auf der kurzen und mittleren Strecke richtig, Wasserstoff auf der Fernstrecke. Auch den Verbrennungsmotor, der etwa mit synthetischen Kraftstoffen arbeitet, hat Volvo im Blick. Bis 2030 sollen 70 Prozent der Neufahrzeuge klimaneutral unterwegs sein.
Traton-Vorstandsmitglied Bernd Osterloh kündigte an, das Unternehmen wolle 2030 rund 90 Prozent seiner Stadtbusse und jeden zweiten Lkw batterieelektrisch betreiben. Den Wasserstoffbetrieb behalte Traton im Blick. Beat Hirschi, Chef von Hyundai Hydrogen Mobility, stellte klar: „Wir setzen 100 Prozent auf Wasserstoff.“
Mercedes-Benz Trucks setzt auf batterie- und wasserstoffbetriebene Lkw und will bis 2030 gut 60 Prozent seiner Flotte emissionsfrei betreiben. Es gebe aber noch „große Herausforderungen bei der Ladeinfrastruktur“, mahnte Vertriebschef Joachim Schlereth. Der Ulmer Hersteller Iveco Magirus forderte, ebenso auch die Wasserstoffladeinfrastruktur aufzubauen. „Wir müssen beides parallel machen“, sagte Vertriebschef Christian Sulser.
Wissing lehnt staatliche Ladenetze ab
In der Tat gehört eine flächendeckende Ladeinfrastruktur zu den großen Herausforderungen. So will Minister Wissing ein „Grundnetz“ für Wasserstofffahrzeuge schaffen. Aktuell gibt es rund 130 Ladepunkte in Europa, die meisten davon in Deutschland. „Wir müssen vorbereitet sein, wenn in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts Fahrzeuge auf den Markt kommen“, sagte Wissing.
Dies gelte umso mehr für die batterieelektrischen Lkw. Das Stromladenetz müsse „vorzeitig“ ausgebaut werden, mahnte der Minister und prophezeite einen „steilen Hochlauf“ batteriebetriebener Lkw nach 2025. Bis dahin müsse das Hochleistungsladenetz stehen. Es solle privat betrieben und entsprechend „wirtschaftlich lukrativ sein“. Derzeit dauert es aber noch bis zu zehn Jahre, bis eine Ladestation an ein Hochspannungsnetz angeschlossen wird.
Entlang der A2 von Berlin Richtung Ruhrgebiet würden bis 2024 erste Hochleistungsladestationen erprobt. Diese sollen nötig sein, um die schweren Lkw mit ihren Batterien mit einem Gewicht von rund vier Tonnen an Bord in weniger als einer Stunde aufladen zu können.
„Die Klimaschutzziele können im Straßengüterverkehr erst zum Ende der Dekade und auch nur dann erreicht werden, wenn die Rahmenbedingungen passen“, stellt Dirk Engelhardt fest, Vorstandssprecher beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung. „Dazu gehören die Verfügbarkeit von wettbewerbsfähigen E-Lkw und H2-Lkw am Markt, eine flächendeckende Lade- und Tankinfrastruktur auf Basis regenerativer Energien sowie Planungs- und Investitionssicherheit bei Förderprogrammen und Maut.“ Die Maut dürfe nur „stückchenweise“ kommen.
Mehr: Koalition einigt sich auf höhere Lkw-Maut – CO2-Aufschlag erst ab 2024.
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