New York Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach bei der Verleihung des Henry-Kissinger-Preises im Metropolitan Club in New York von einer „Zeit der Verhärtung“ und warnte überraschend deutlich vor dem neuen Kurs Chinas. „China hat sich verändert“, sagte er. Besonders problematisch sei die „autoritäre Politik, die jegliche Abweichung unterdrückt“, aber auch Chinas „hegemonialen Ansprüche in der südpazifischen Region“.
Steinmeier zitierte den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der eine neue bedrohliche außen- und wirtschaftspolitische Philosophie ausgerufen habe: „China unabhängig machen von der Welt – und die Welt abhängig machen von China“. Das seien aber „Regeln für ein Spiel, das wir nicht spielen wollen – und können“, sagte Steinmeier, „darauf müssen wir reagieren“.
Gleichzeitig machte das deutsche Staatsoberhaupt deutlich, dass dies nicht ein „Ende des Austauschs und des Dialogs“ mit Peking bedeute. China werde schon wegen seiner Größe ein Faktor der Weltwirtschaft bleiben. Es sei ständiges Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. „Wir brauchen China auch im Kampf gegen den Klimawandel“, betonte Steinmeier. Aus diesen Gründen sei es richtig, dass US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Dialog mit dem chinesischen Präsidenten suchten.
Richtig sei aber auch: „Wir müssen uns schützen – wir müssen verhindern, politisch und wirtschaftlich verwundbar zu sein.“ Abhängigkeiten müssten reduziert werden, von chinesischen Zulieferungen ebenso wie von chinesischen Rohstoffen. „Wir müssen unsere Volkswirtschaften widerstandsfähig machen.“
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Dabei gehe es nicht um Protektionismus, Deglobalisierung oder „naive Bestrebungen von Autarkie“, sagte der Bundespräsident. Vielmehr müsse man die eigene Vernetzung mit der Welt ausbauen und die Chancen sowie wirtschaftlichen Risiken auf viele Länder verteilen.
Steinmeier erinnerte an Kissingers Geheimreise nach Peking im Juli 1971, mit der die Öffnung Chinas gegenüber dem Westen, insbesondere gegenüber den USA, begonnen habe. Es sei Kissinger, wie er später in seinem Buch „On China“ geschrieben habe, nicht um Freundschaft gegangen, „sondern um etwas viel Pragmatischeres: das Ermöglichen einer Koexistenz“, sagte der Bundespräsident.
„Diese Koexistenz ermöglicht zu haben, die Öffnung Chinas entscheidend vorangetrieben zu haben“, das gehöre zu Kissingers großen Leistungen. Aber er müsse leider feststellen, dass sich China seitdem verändert habe.
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Steinmeier war nach New York gekommen, um den Henry-Kissinger-Preis entgegenzunehmen, der von der Berliner American Academy verliehen wird. Die Laudatio sprach die ehemalige Außenministerin Condoleezza Rice. Steinmeier und sie waren zwischen 2005 und 2009 gleichzeitig Außenminister.
Steinmeier spricht von Scheitern jahrzehntelanger Bemühungen
In seiner Rede sprach er auch die jüngsten Entwicklungen in dem Krieg in der Ukraine an. Er ging zwar nicht auf die eigene Russlandpolitik in der Vergangenheit ein. Aber er sprach von einem „Scheitern jahrzehntelanger politischer Bemühungen, auch meiner eigenen, genau diesen Krieg zu verhindern“. Die Welt sei heute eine andere.
Lange sei Krieg in Europa unvorstellbar gewesen. Doch die jüngste Angriffsserie Russlands auf zivile Ziele in der Ukraine und die Raketenexplosion in Polen zeigten, wie real der Krieg sei. Der Krieg habe auch gezeigt: „Es gibt keine Garantie dafür, dass wirtschaftlicher Austausch politische Annäherung mit sich bringt.“
In seiner imperialen Besessenheit hat der russische Präsident das Völkerrecht gebrochen, Grenzen infrage gestellt, Landraub begangen. Frank-Walter Steinmeier
„In seiner imperialen Besessenheit hat der russische Präsident das Völkerrecht gebrochen, Grenzen infrage gestellt, Landraub begangen“, sagte Steinmeier. Man wisse zwar bisher noch nicht definitiv, worum es sich bei dem in Polen gelandeten Geschoss handele. „Aber nichts von alledem wäre passiert, wenn Russland nicht diesen rücksichtslosen Krieg führen würde.“ Steinmeier versicherte, dass Deutschland der Ukraine helfen werde, „solange es nötig ist“, und warnte, dass ein erzwungener Scheinfriede „Putins Hunger nur vergrößern“ würde.
Henry Kissinger selbst war bei der Preisverleihung per Video zugeschaltet. Er sprach die Hoffnung aus, dass Russland in der Zukunft wieder Teil der internationalen Gemeinschaft werde. „Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es keiner für möglich gehalten, dass der Aggressor Deutschland“ sich zu so einem verlässlichen Alliierten entwickle, sagte Kissinger in der Laudatio für den nach ihm benannten Preis an Steinmeier.
Zuvor wurden mit diesem Preis Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Angela Merkel, Richard von Weizsäcker, Wolfgang Schäuble und George H.W. Bush ausgezeichnet. Kissinger, der im Mai 100 Jahre alt wird, wollte eigentlich an der Preisverleihung teilnehmen. Auf ärztliches Anraten sagte er aber kurzfristig ab und übermittelte lediglich eine Videobotschaft.
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