Nov 18, 2022
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Tarifpolitik: Ökonomen zu hohen Tarifabschlüssen: Sind weit weg von Lohn-Preis-Spirale

Written by Frank Specht


Berlin Mit den Lohnabschlüssen in der Metall- und der Chemiebranche haben die Tarifparteien nach Einschätzung von Ökonomen Augenmaß bewiesen. Derzeit drohe kein gegenseitiges Aufschaukeln von Löhnen und Preisen.

Der inflationsbedingte Kaufkraftverlust bei den Beschäftigten werde durch die höheren Tariflöhne und die Einmalzahlungen zu einem guten Teil ausgeglichen, sagte der Konjunkturchef des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI, Torsten Schmidt, dem Handelsblatt. „Zu höheren Reallöhnen dürften die Abschlüsse aber erst im übernächsten Jahr führen, daher ist eine Lohn-Preis-Spirale durch die bisherigen Tarifeinigungen nicht zu erwarten.“

Durch die lange Laufzeit und die Möglichkeit, Tarifbestandteile zu verschieben oder ausfallen zu lassen, verschaffe der Tarifabschluss den Unternehmen stabile Rahmenbedingungen, sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, dem Handelsblatt. „Gleichwohl gibt es vor allem energieintensive Betriebe, die damit Schwierigkeiten haben werden.“

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Auf einen in der Struktur ähnlichen Tarifvertrag hatten sich Mitte Oktober bereits die Tarifparteien für die 580.000 Beschäftigten der chemisch-pharmazeutischen Industrie geeinigt. Hier steigen die Löhne und Gehälter in zwei Stufen um insgesamt 6,5 Prozent, und es gibt ebenfalls 3000 Euro Inflationsprämie in zwei Tranchen. Die Laufzeit ist mit 20 Monaten aber etwas kürzer als in der Metallindustrie mit 24 Monaten.

Einmalzahlungen halten Kosten für Unternehmen in Grenzen

Die im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung enthaltene Möglichkeit, Sonderzahlungen von bis zu 3000 Euro bis Ende 2024 steuer- und abgabenfrei auszuzahlen, hat erheblichen Druck aus den Tarifkonflikten genommen. „Das Instrument ist für beide Seiten gut“, sagte der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf. Ohne die Option der steuerfreien Sonderzahlung hätte die IG Metall sich kaum mit der jetzt vereinbarten Prozenterhöhung zufriedengegeben, heißt es bei den Metallarbeitgebern in Baden-Württemberg.

Dank der Einmalzahlungen gelang es, die dauerhaft wirkende Kostensteigerung für die Unternehmen in Grenzen zu halten – und damit auch den Inflationsdruck. Der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, angesichts der hohen Unsicherheit über die weitere Wirtschaftsentwicklung sei es sinnvoll, Einmalzahlungen zu nutzen, statt allein auf dauerhafte Lohnerhöhung zu setzen.

8,5 Prozent plus Sonderzahlung seien zwar hoch, kommentierte der Chefvolkswirt der Berenberg-Bank, Holger Schmieding, den Metall-Tarifkompromiss. Der Lohndruck nehme aber im Zeitverlauf ab, da dem hohen Anstieg von 5,2 Prozent im kommenden Jahr ein „erträglicherer“ Anstieg von 3,3 Prozent im Jahr 2024 folge. „Buckel statt Spirale“, sagte Schmieding.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung rechnet mit einer Inflationsrate von acht Prozent für das laufende Jahr und 7,4 Prozent für 2023. Bisher bleibt die Entwicklung der Tarifverdienste deutlich hinter der Preissteigerung zurück. Sie sind im ersten Quartal aufgrund hoher Sonder- und Einmalzahlungen um 3,4 Prozent gestiegen. Im zweiten Quartal hat sich die Dynamik wieder auf 1,2 Prozent abgeschwächt.

>> Lesen Sie hier: Chefin der Wirtschaftsweisen rechnet mit anhaltend hoher Inflation

Mit der Metall- und der Chemieindustrie sind zwei der ganz großen Tarifrunden, die für Lohndruck sorgen könnten, beendet. Am 24. Januar beginnen die Verhandlungen für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Hier haben die Gewerkschaften Verdi sowie DBB Beamtenbund und Tarifunion 10,5 Prozent für zwölf Monate gefordert, mindestens aber 500 Euro monatlich mehr. Durch den Mindestbetrag beläuft sich die Forderung im Mittel sogar auf rund 15 Prozent.       

Beamtenbund-Chef Ulrich Silberbach

„Die Lebenshaltungskosten haben sich dramatisch erhöht.“



(Foto: dpa)

Dennoch rechtfertigt DBB-Chef Ulrich Silberbach die hohe Zahl: „Die Lebenshaltungskosten haben sich dramatisch erhöht, und der größte Teil der Beschäftigten arbeitet im unteren und mittleren Dienst und wird nicht wie Staatssekretäre bezahlt“, sagte er im Interview mit dem Handelsblatt. Außerdem gelte es, den Reallohnverlust aufzuholen, den die Beschäftigten seit dem letzten Abschluss vor fast zwei Jahren erlitten hätten.

Die Politik habe in kurzer Zeit 500 Milliarden Euro für Coronahilfen, Bundeswehr, Entlastungspakete und Gaspreisbremse mobilisiert, sagte Silberbach. Da wären die 16 Milliarden Euro, auf die die Arbeitgeber die Tarifforderung der Gewerkschaften beziffert hatten, „nicht der Untergang des Abendlandes“.

>> Lesen Sie hier: Beamtenbund-Chef Silberbach im Interview: „Die Lebenshaltungskosten sind dramatisch gestiegen“

Silberbach begründete die Tarifforderung auch mit der im Zuge des Bürgergelds geplanten Anhebung der Regelsätze in der staatlichen Grundsicherung. Bei der Bundespolizei seien Beschäftigte teils noch in den Besoldungsgruppen A6 oder A7 eingruppiert, das bedeute eine Grundvergütung von 2500 beziehungsweise 2600 Euro brutto im Monat. „Die legen jetzt schon den Rechenschieber an und schauen, wie sie im Vergleich zur Grundsicherung dastehen“, sagte Silberbach. „Der Staat kann es sich nicht erlauben, seine Bediensteten nur minimal besser zu behandeln als Grundsicherungsbezieher.“ Dazu gebe es inzwischen jede Menge höchstrichterliche Rechtsprechung.

Mehr: Warum die Bürgergeld-Reform zu einer höheren Besoldung für Beamte führen könnte



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