Berlin Bund, Länder und Kommunen werden fürs Erste kein Geld mehr investieren, um das Breitbandnetz in unwirtschaftlichen Gebieten auszubauen. Wie das Handelsblatt aus Regierungskreisen erfuhr, wird es frühestens im Frühjahr ein neues Förderprogramm geben.
Zunächst will das Bundesverkehrsministerium auf einem zweitägigen Workshop Mitte Dezember mit den Ländern und Kommunalverbänden ein neues Konzept beraten. „Auf der Basis der Ergebnisse wird das Förderkonzept umgesetzt und die Richtlinie erarbeitet.“
Die Richtlinie werde danach innerhalb der Bundesregierung abgestimmt, bestätigte ein Sprecher von Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP). „Ziel ist es, die neue Förderung im ersten Quartal 2023 in Kraft zu setzen.“
Damit gibt es voraussichtlich für mindestens ein halbes Jahr keine Förderung mehr. Der Bund hatte Mitte Oktober das laufende Förderprogramm frühzeitig gestoppt, weil es zu viele Anträge von Kommunen und Landkreisen gegeben hatte. Das Programm wäre Ende des Jahres offiziell ausgelaufen.
Vor allem aus Sachsen und aus Baden-Württemberg waren große Summen beantragt worden. Die eingegangenen Anträge will das Bundesministerium nun noch prüfen und spätestens im Januar bescheiden.
Neues Förderkonzept steht weiter aus
Wie es hieß, seien angesichts der unsicheren Situation viele Anträge noch gestellt worden. Schließlich diskutieren Bund, Länder und Kommunen seit Anfang des Jahres, wie sich der Staat künftig beteiligen soll, um bis 2030 flächendeckend ein Glasfasernetz zu schaffen.
Die Länder wollen gerne wie bisher überall dort fördern können, wo die Privatwirtschaft in den kommenden drei Jahren nicht bereit ist zu bauen; der Bund will nur noch dort fördern, wo auf längere Sicht niemand investieren wird und entsprechend beantragte Projekte priorisieren. Im Sommer sollte bereits ein neues Förderkonzept vorliegen, die Debatte aber dauert noch an.
Der baden-württembergische Digitalminister, Thomas Strobl (CDU), kritisiert: „Nun stehen wir vor der großen Herausforderung, die Planungen an ein bis jetzt unbekanntes neues Förderregime anzupassen.“
Die Ankündigung vom Bund, die Zuschüsse künftig noch stärker am tatsächlichen Bedarf in den Regionen ausrichten zu wollen, sorge Strobl zufolge für zusätzliche Unsicherheit und Ungewissheit.
Ungleichgewicht zwischen Privatwirtschaft und staatlicher Finanzierung
Das Land hat seit 2016 vom Bund mehr als zwei Milliarden Euro erhalten, um das Breitbandnetz auszubauen. Auch ist jeder fünfte Antrag eingereicht worden, ohne vorher mit einem Markterkundungsverfahren zu prüfen, ob nicht auch ein privates Unternehmen ohne Steuergeld bereit ist, das Netz auszubauen.
Der bayerische Finanzminister Albert Füracker sprach von einem „Armutszeugnis“ der Bundesregierung angesichts des nun fehlenden Förderprogramms. Seit 2021 habe festgestanden, dass das Förderprogramm auslaufen werde. „Und dennoch hat der Bund es nicht für nötig gehalten, die dringend notwendige Anschlussförderung rechtzeitig auf den Weg zu bringen“, sagte der CSU-Politiker. In anderen Ländern war von „halbgaren Vorschlägen“ des Bundes die Rede, die im Raum stünden.
Aus Sicht des Bundesministeriums gibt es angesichts der vielen gestellten Anträge längst ein Ungleichgewicht zwischen privatwirtschaftlichem und staatlich finanziertem Ausbau. Dies sei „jetzt der Fall“, erklärte der Sprecher.
Kay Ruge, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Landkreistag, kritisierte hingegen: „Hätte der Bund rechtzeitig Klarheit über die Höhe der in den nächsten Jahren zur Verfügung stehenden Fördermittel und die ab 2023 geltenden Förderbedingungen geschaffen, wäre dies alles vermieden worden.“ Die seit Oktober bestehende Förderlücke habe bei vielen Landkreisen „Kosten verursacht und Vertrauen zerstört“.
Bundesdigitalminister Wissing indes pocht darauf, Projekte künftig zu priorisieren. Fördergeld solle zunächst in Kommunen fließen, „wo der Förderbedarf sehr hoch ist“, erklärte sein Sprecher. Deswegen soll es auch keine Anträge mehr ohne vorherige Marktanalyse geben. Vielmehr will der Bund im Dezember eine sogenannte „Potenzialanalyse“ vorlegen. Sie soll aufzeigen, wo eigenwirtschaftlicher Ausbau wahrscheinlich ist.
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Laut Ministerium wurden bisher 87 Prozent der bis Ende 2021 geschaffenen rund 8,9 Millionen Glasfaseranschlüsse privatwirtschaftlich gebaut. In Flächenländern wie Bayern sind zwei Drittel aller Anschlüsse privat finanziert.
Wirtschaft warnt vor zu viel Fördergeld
Die ausbauenden Unternehmen halten die Förderlücke für die kommenden fünf Monate für wenig problematisch. „Der Antragsstopp hat keine Auswirkungen auf den weiteren Glasfaserausbau“, sagte Sven Knapp, Geschäftsleiter beim Bundesverband Breitbandkommunikation.
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Staatliche Fördermittel beschleunigen ihm zufolge den Ausbau nicht, sie ermöglichten ihn in den Gebieten, in denen die Internetversorgung besonders schlecht sei und kein Potenzial für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau bestehe, stellte er klar. Sie müssten aber dringend priorisiert werden. Ansonsten wäre „eine neuerliche Diskussion um leere Fördertöpfe spätestens im Sommer 2023 programmiert“.
Die Mehrheit der Länder hingegen lehnt es ab, dass der Bund in Zukunft Förderanträge priorisiert. Sie sollte allenfalls „in enger Abstimmung mit den Ländern erfolgen“ – wenn die Haushaltsmittel nicht ausreichen.
Allerdings könnte diese Einschränkung obsolet sein: Die Ampelkoalition hat in dieser Woche mit dem Bundeshaushalt 2023 mehr Geld bewilligt: Statt der drei Milliarden wie in diesem Jahr soll es eine Milliarde Euro mehr geben, um den Glasfaserausbau zu unterstützen. Das Geld fließt allerdings nicht, ehe ein neues Konzept gefunden wird.
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