Nov 25, 2022
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Transmutation: Ein neues Verfahren könnte Atommüll harmloser machen – und die Suche nach Endlagern vereinfachen

Written by Klaus Stratmann

Berlin Für Guido Houben ist die Sache klar: Mittels Transmutation könnte die Radioaktivität von Atommüll „erheblich reduziert“ werden, schwierige Spaltprodukte wie Jod 129 oder Technetium 99 würden entschärft. Houben ist einer der Köpfe des schweizerischen Start-ups Transmutex, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Technologie so schnell wie möglich in industriellem Maßstab anzuwenden.

Mit dem Begriff „Transmutation“ wird ein Umwandlungsprozess bezeichnet, bei dem ein chemisches Element in ein anderes chemisches Element verwandelt wird. Weltweit wird an Konzepten gearbeitet, um das Gefahrenpotenzial radioaktiver Abfälle durch Transmutation zu verringern.

Im Labor funktioniert die Transmutation bereits. Die Anwendung in großem Maßstab ist nach Überzeugung Houbens zum Greifen nahe. „Wir arbeiten daran, die erste beschleunigergetriebene Anlage spätestens im Jahr 2032 fertigzustellen. Es geht also nicht um Jahrzehnte weiterer Forschungsarbeit“, sagt Houben.

Sein Unternehmen sei bereits in der Konzeptionsphase und auch mit deutschen Zulieferern im Gespräch über den Aufbau von Lieferketten für die Serienproduktion. Einen ersten digitalen Zwilling einer Transmutationsanlage werde man 2024 präsentieren, der erste Spatenstich für den Bau einer Anlage könnte nach Houbens Worten 2028 erfolgen.

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Durch die Transmutation werde der Atommüll „deutlich leichter handhabbar“ und bekomme eine „humanere Dimension“, sagt Houben. Es gehe nicht mehr um eine Lagerung des Mülls für Hunderttausende von Jahren, sondern nur noch um mehrere Hundert Jahre.

Die Suche nach einem Endlager könnte bis 2068 dauern

Houben ist sich sicher, dass sich dadurch ganz neue Perspektiven für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Müll aus den deutschen Atomkraftwerken ergeben. „Die Anforderungen, die an ein Endlager zu stellen wären, könnten neu definiert werden“, sagt Houben. Darin stecke eine große Chance für Politik und Gesellschaft. „Letztlich ließe sich auf diesem Weg vielleicht sogar die Endlagerdebatte befrieden“, ergänzte er.

Die Anforderungen, die an ein Endlager zu stellen wären, könnten neu definiert werden. Guido Houben vom schweizerischen Start-up Transmutex

Die Suche nach einem Endlager gestaltet sich in Deutschland schwierig. Erst vor einigen Tagen war bekannt geworden, dass sie sich noch Jahrzehnte hinziehen könnte. Bis 2031 sollte eigentlich geklärt sein, wo in Deutschland hochradioaktive Abfälle langfristig gelagert werden sollen. Doch daraus wird nichts, wie das Bundesumweltministerium kürzlich erklärte. Mittlerweile ist davon die Rede, dass sich das Verfahren im ungünstigsten Fall bis 2068 hinziehen könnte.

Die Frage, ob Transmutation zur Lösung des Endlagerproblems beitragen kann, ist nicht unumstritten. Viele Forscher sind offen für die Technologie, etwa Dirk Bosbach, Experte für nukleare Entsorgung am Institut für Energie- und Klimaforschung des Forschungszentrums Jülich.

Die Transmutation sei ein Verfahren, „das man im Auge behalten sollte“, sagt Bosbach. „Bei der tiefengeologischen Endlagerung, für die Deutschland sich entschieden hat, ist eine der Herausforderungen, die hochradioaktiven Abfälle für einen Zeitraum von einer Million Jahren sicher einzuschließen.“ Das sei „ohne Frage nicht einfach, aber machbar“.

Durch Transmutation könnten langlebige Radionuklide in kurzlebige umgewandelt werden. „Das könnte dazu führen, dass die Anforderungen, die an die Endlagerung zu stellen sind, weniger hoch werden“, sagte er.

Für die Ewigkeit

1

Million Jahre

So lange sollen hochradioaktive Abfälle bei der tiefengeologischen Endlagerung eingeschlossen werden, für die Deutschland sich entschieden hat.

„Start-ups, die sich mit dem Thema befassen, sind eine Bereicherung. Sie gehen anders vor als klassische Forschungszentren“, ergänzte der Wissenschaftler. Möglicherweise könnten sie dazu beitragen, bestimmte Entwicklungen zu beschleunigen. „Allerdings glaube ich nicht, dass wir beim Thema Transmutation kurzfristig industrielle Lösungen sehen werden.“

Grüne lehnen die Technologie ab, FDP ist offen

Eine im Auftrag des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) entstandene Analyse kommt zu dem Ergebnis, die für die Transmutation erforderlichen Anlagen stünden „nicht im großtechnischen Maßstab zur Verfügung“. Es gehe „also nicht um heute bereits einsatzfähige Technologien“.

Es seien aller Voraussicht nach noch viele Jahrzehnte an Forschungs- und Entwicklungsarbeit erforderlich. Aus Sicht der Befürworter ist diese Aussage zu hinterfragen, da wesentliche Teile der Forschungsarbeit bereits geleistet seien.

Allerdings kann die Transmutation in Deutschland ohnehin nur dann ein Thema werden, wenn die Politik mitzieht. Das sieht auch Houben von Transmutex so. „Natürlich sind wir in Deutschland wesentlich davon abhängig, wie sich die politische und gesellschaftliche Debatte entwickelt“, sagt er. Technologie, Finanzierung und Genehmigungsverfahren seien „relativ absehbar“. Entscheidend sei am Ende der politische Wille.

Wissenschaftlicher Fortschritt in der Kerntechnik hat das Potenzial, die Jahrhundertaufgabe der Endlagerung zu beschleunigen und zu vereinfachen. Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag

Doch die Ampelkoalition ist in dieser Frage zerstritten. Die Grünen lehnen die Technologie ab. Transmutation sei „keine Option zur Lösung des Atommüllproblems“, sagt Stefan Wenzel, parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. „Einigen Nukliden mit verkürzten Halbwertszeiten stünden deutlich größere Mengen Abfall mit etwas niedrigeren Halbwertszeiten gegenüber. Die Jahrhundertaufgabe der Endlagersuche bliebe ohnehin bestehen“, gibt Wenzel zu bedenken.

Dagegen stehen FDP-Politiker wie Michael Kruse, der energiepolitische Sprecher seiner Fraktion im Bundestag, der Technologie offen gegenüber: „Wissenschaftlicher Fortschritt in der Kerntechnik hat das Potenzial, die Jahrhundertaufgabe der Endlagerung zu beschleunigen und zu vereinfachen“, sagt er.

Es bestünden gute Chancen, mittels innovativer Technologien Erfolge bei der weiteren Verwertung der Spaltprodukte zu erzielen. „Transmutation ist dabei ein interessanter Ansatz, der technologieoffen erforscht und ergebnisoffen weiterverfolgt werden sollte“, sagt Kruse.

Mehr: Kernbrennstäbe aus Tomsk – Die unglaubliche Abhängigkeit Europas von Russland



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