Nov 24, 2022
192 Views
Comments Off on Strategiepapier: Stresstests, Quoten, Finanzhilfen: So will sich Habeck unabhängiger von ausländischen Rohstoffen machen
0 0

Strategiepapier: Stresstests, Quoten, Finanzhilfen: So will sich Habeck unabhängiger von ausländischen Rohstoffen machen

Written by Julian Olk


Berlin Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant weitreichende Maßnahmen, um die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von Rohstoffen aus dem Ausland abzubauen. Habeck will unter anderem Stresstests und Berichtspflichten für Unternehmen einführen, Kreislaufwirtschaft-Quoten vorgeben und einen neuen Fonds für Finanzhilfen aufsetzen. Das geht aus einem vertraulichem Eckpunktepapier aus dem Bundeswirtschaftsministerium zur Rohstoff-Strategie hervor, das dem Handelsblatt vorliegt.

Eine solche Strategie hatten SPD, Grüne und FDP bereits im Koalitionsvertrag angekündigt. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine stehen die Abhängigkeiten der deutschen Wirtschaft von einzelnen Ländern jetzt aber akut auf dem Prüfstand.

Beim Thema Rohstoffe geht der sorgenvolle Blick vor allem nach China. Dort wird ein Großteil der seltenen Erden abgebaut, die Deutschland dringend für Energie- und Mobilitätswende benötigt.

Habecks Beamte machen im Entwurf der Rohstoff-Strategie unmissverständlich klar, umfassend eingreifen zu wollen. „Die Bundesregierung wird in Zukunft eine aktivere Rolle in Bezug auf die Sicherung einer nachhaltigen und langfristigen Rohstoffversorgung einnehmen“, heißt es darin. In Zeiten der Transformation und der sich verändernden geopolitischen Lage könne nicht allein auf die freien Märkte und die Unternehmen vertraut werden.

Top-Jobs des Tages

Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.

Tatsächlich ist die Abhängigkeit im Rohstoffbereich in den vergangenen Jahren stark gewachsen. 46 Rohstoffe werden in einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young im Auftrag der Bundesregierung als „strategisch“ eingestuft, weil sie große Bedeutung für die Produktion wichtiger Güter haben, etwa Lithium für die Batterieproduktion.

Bei 39 dieser Rohstoffe sei Deutschland von Importen abhängig und es liege ein „erhöhtes Versorgungsrisiko“ vor.

Deutsche Wirtschaft: Stresstests, Berichtspflichten, Steuer- und Zoll-Umstellung

Dieses Risiko will das Bundeswirtschaftsministerium mithilfe tiefgehender Vorgaben verringern. Die Regierung müsse durch „Stresstests“ gemeinsam mit den Unternehmen die „konkreten Flaschenhälse identifizieren“.

Unternehmen mit besonders kritischen Lieferketten würden verpflichtet, darzulegen, wie sie mit den Risiken umgehen wollen. Darüber hinaus sei es eine Option, Förderprojekte des Bundes grundsätzlich daran zu koppeln, ob sich die bewerbenden Firmen um die Diversifizierung ihrer Lieferketten kümmern.

Zudem soll die Wirtschaft animiert werden, mehr Rohstoffe einzulagern, um für Lieferstopps gewappnet zu sein. Dafür schlägt das Wirtschaftsministerium vor, Rohstoffe nicht beim Import mit Zöllen und Steuern zu belegen, sondern erst, wenn sie aus den Lagern entnommen werden.

Herkunftsländer: Fonds für mehr Abbau außerhalb Chinas, internationale Partnerschaften

Gleichzeitig soll die Bundesregierung fördern, dass die Auswahl an verschiedenen Herkunftsländern bei den Rohstoffen steigt. Die Möglichkeiten dafür sind enorm.

China fördert mit Abstand am meisten seltene Erden weltweit. Die Produktion in der Volksrepublik lag laut den Marktforschern von Investing News Network 2020 bei 140.000 Tonnen. Dabei geht es neben bekannten Rohstoffen auch um andere strategisch wichtige Erden wie Neodym und Praseodym, die für Magnete in Elektromotoren und Generatoren unersetzlich sind.

Die USA kamen 2020 auf Platz zwei beim Abbau seltener Erden – mit gerade einmal 38.000 Tonnen.

Die globalen Ressourcen wiederum betragen mehr als das 1000-fache der derzeitigen Produktion, hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kürzlich in einem Gutachten festgestellt. Der Abbau in vielen Ländern mit großen Vorkommen fände aber kaum statt. Aus Brasilien etwa kämen kaum seltene Erden, obwohl dort jährlich bis zu 22.000 Tonnen abbaubar wären.

Das liegt häufig an der fehlenden wirtschaftlichen Attraktivität. Dem will das Bundeswirtschaftsministerium mit Geld begegnen: Im Zuge der Rohstoff-Strategie will Vizekanzler Habeck einen gemeinsam von Staat und Wirtschaft getragenen Fonds einrichten.

„Der Fonds soll Eigenkapital, Darlehen und Bürgschaften zur Finanzierung von Projekten zur Rohstoffgewinnung, Verarbeitung und Recycling bereitstellen“, heißt es.

>> Lesen Sie hier: Fünf Grafiken, die Deutschlands Abhängigkeit von China zeigen

Darüber hinaus will man bi- und multilaterale Partnerschaften im Rohstoffbereich schließen. Vorbild soll die „Partnerschaft für die Sicherheit von Mineralien“ (MSP) sein, die Deutschland mit neun anderen Industrienationen und der EU-Kommission Mitte dieses Jahres geschlossen hat. Mit der Partnerschaft wollen die Länder im Verbund den Zugang zu kritischen Rohstoffen sicherstellen.

Kreislaufwirtschaft: Wiederverwendung verdoppeln, Recycling-Quoten einführen

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht neben neuen Rohstoff-Quellen einen großen Hebel in der Wiederverwendung von Materialien. Mit der Rohstoff-Strategie will das Haus von Minister Habeck einen großen Wurf beim oft zitierten, aber bislang wenig ausformulierten Thema Kreislaufwirtschaft machen. Dabei geht es um die möglichst häufige und effiziente Wiederverwendung eingesetzter Rohstoffe.

Das Bundeswirtschaftsministerium bekennt sich im Strategiepapier zum Ziel der EU-Kommission, den Einsatz von recyceltem Material von derzeit zwölf Prozent bis 2030 zu verdoppeln. Bei etablierten Recycling-Verfahren wie bei Eisen, Kupfer oder Aluminium schlägt das Ministerium vor, den Einsatz von wiederverwendetem Material anhand spezifischer Quoten vorzugeben.

Rohstoffe recyceln

Viele Rohstoffe wie zum Beispiel Kupfer lassen sich gut recyceln.


(Foto: IMAGO/YAY Images)

Bei anderen Gütern funktioniert die Kreislaufwirtschaft bislang kaum. „Gerade im Bereich der seltenen Erden oder anderer kritischer Metalle kommen Verfahren häufig erst gar nicht über den Stand von Forschung und Entwicklung hinaus, da Aufwand und Kosten der Wiedergewinnung“ zu hoch seien, heißt es im Strategieentwurf.

Die Ministeriumsbeamten schlagen deshalb vor, speziell für diesen Bereich finanziell zu helfen. Das könnten Förderprogramme, Umlagen oder Zuschüsse, bei der der Bund die Differenz zu den Marktkosten übernimmt, sein.

Der heimische Rohstoff-Abbau fehlt im Strategie-Entwurf

Ein signifikanter Bereich fehlt allerdings in den Eckpunkten für die Strategie: der heimische Abbau. In Deutschland, einst Land der Kohlegruben, ist der Abbau von Rohstoffen inzwischen nur ein Nebenthema.

Dabei besitzt die Bundesrepublik durchaus Vorkommen bei strategisch wichtigen Gütern. Im Rheingraben etwa wird gerade erprobt, mithilfe von Geothermie Lithium zu gewinnen.

>> Lesen Sie hier: Erzeugerpreise sinken überraschend – Was das für die Inflation bedeutet

Allerdings ist der heimische Abbau politisch vermintes Gebiet. Das hat spätestens die hitzig geführte Debatte um die Förderung von Fracking-Gas hierzulande gezeigt. Die FDP will nach wie vor die Möglichkeiten dafür schaffen, die Grünen sind strikt dagegen.

Grünen-Politiker Habeck und sein Wirtschaftsministerium sollen sich, wenn auch nicht beim Gas, sondern bei anderen Rohstoffen wie Lithium, inzwischen aber offener gegenüber Abbaumöglichkeiten im Inland zeigen, heißt es aus Regierungskreisen.

Steffi Lemke

Wenn es um Lockerungen beim Umweltschutz geht, um den Abbau von Rohstoffen zu ermöglichen, ist die Umweltministerin kritisch.



(Foto: dpa)

Doch das größte Problem sei Parteikollegin Steffi Lemke. Die Bundesumweltministerin gilt als eiserne Verfechterin einer restriktiven Politik, wenn es um die Abwägung zwischen Abbau und damit einhergehenden Lockerungen von Umweltschutzstandards geht.

Und so hat Habeck im Entwurf der Rohstoffstrategie das umstrittene Thema erst einmal ausgelassen. In den Eckpunkten ist bloß an einer Stelle von einer „Stärkung der heimischen Rohstoffgewinnung“ die Rede, mehr taucht dazu nicht auf.

Im weiteren Verfahren wird das Thema aber sicherlich innerhalb der Bundesregierung grundsätzlich diskutiert werden. Das gesamte Bundeskabinett muss die Strategie letztlich verabschieden. Bis es so weit ist, dürften aber noch ein paar Monate vergehen.

Mehr: Bundesregierung will Investitionen deutscher Unternehmen in China deutlich beschränken



<< Den vollständigen Artikel: Strategiepapier: Stresstests, Quoten, Finanzhilfen: So will sich Habeck unabhängiger von ausländischen Rohstoffen machen >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.