Nov 28, 2022
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Ukraine-Krieg: Wie die Schweiz bei der Produktion von Gepard-Munition helfen könnte

Written by Jakob Blume

Doch der Munitionsnachschub stockt. Marcus Keupp, Militärökonom und Dozent an der Militärakademie der ETH Zürich, warnt im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Die historischen Lagerbestände für Gepard-Munition sind langsam aufgebraucht.“

Größere Bestände gebe es nur noch in der Schweiz. Der Hintergrund: Der Gepard ist eine deutsch-schweizerische Koproduktion. Die Serienfertigung ab den 70er-Jahren verantwortete der deutsche Konzern Krauss-Maffei. Die 35-Millimeter-Flugabwehrkanonen wurden vom schweizerischen Konzern Oerlikon Contraves entwickelt, der später durch den deutschen Konzern Rheinmetall übernommen wurde.

Aufgrund der Entwicklungshistorie verfügt die Schweiz über das Know-how für die Produktion der Gepard-Munition sowie größere Vorräte. An diese Bestände kommt die Ukraine jedoch nicht heran. Denn der Export von Waffen oder Munition in Kriegsgebiete ist in der Schweiz gesetzlich verboten. Grund ist die in der eidgenössischen Landesverfassung festgeschriebene Neutralität der Schweiz.

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Für den Export von Munition, die in der Schweiz produziert wurde und die sich in deutschen Beständen befindet, in Drittstaaten muss Deutschland eine Genehmigung der schweizerischen Behörden einholen. Lautet das Zielland Ukraine, erteilte die Schweiz dem Exportanliegen bislang immer eine Absage. Auch eine Beschwerde der deutschen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) beim zuständigen Eidgenössischen Departement für Wirtschaft blieb erfolglos.

Initiative gegen Übernahme von EU-Sanktionen

Während die Haltung der Schweiz in Europa auf wenig Verständnis stößt, war die Diskussion um das Tabu von Waffenexporten in Kriegsgebiete in der Schweiz schnell beendet. Der Vorsitzende der christdemokratischen Partei „Die Mitte“, Gerhard Pfister, hatte sich zwar für eine Lockerung des Verbotes starkgemacht. Er sprach mit Blick auf die Haltung der Schweiz im Ukrainekrieg von „unterlassener Hilfeleistung“.

>> Lesen Sie hier: Warum Russland die Lufthoheit über der Ukraine nicht zurückgewinnt

Doch weder die Liberalen noch das ganz linke und das ganz rechte politische Spektrum wollen eine Lockerung des Exportverbotes mittragen. Der für die Außenpolitik zuständige Bundespräsident Ignazio Cassis von der liberalen Partei FDP sagte kürzlich, militärische Hilfen für die Ukraine kämen einer Revolution gleich. „Das sind rote Linien, das können wir nicht tun.“

Die rechtskonservative Partei SVP hat Ende Oktober sogar eine Initiative zur „Rettung der Neutralität“ in der Schweiz gestartet. Setzt sie sich durch, wäre nicht nur ein Munitionsexport undenkbar. Selbst die Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland durch die Schweiz stünde dann zur Disposition.

Militärökonom Keupp plädiert in der Diskussion daher für mehr Pragmatismus. „Die Schweiz kann als neutrale Nation die Munition nicht exportieren. Und die Schweiz kann ihre Neutralität nicht aufgeben.“ Dennoch könne das Land seine Expertise weitergeben. „Die Schweiz könnte ausländische Ingenieure einladen, technische Informationen teilen – und so dazu beitragen, dass außerhalb des Landes jemand die Munition weiterbaut.“

Der technische Aufwand sei überschaubar. Denn der Gepard basiert auf erprobter Technologie aus dem 20. Jahrhundert. Es kommt 35-Millimeter-Flakmunition zum Einsatz, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg kaum verändert hat und die ohne komplexe Ziel-Suchsysteme auskommt. „Diese Munition kann im Prinzip jeder größere Rüstungskonzern produzieren“, ist Keupp überzeugt. „Bisher war es für die Hersteller jedoch ökonomisch nicht attraktiv.“ Die Bundeswehr hat den Flugabwehrpanzer beispielsweise bereits 2010 ausgemustert.

Effektives Mittel gegen Kamikaze-Drohnen

Doch in der Ukraine habe sich das Flugabwehrsystem bewährt: „Die Gepard-Panzer haben sich als besonders effektiv gegen die iranischen Shaheed-136-Drohnen erwiesen“, sagt Keupp. Russland setzt die iranischen Billigdrohnen als Kamikaze-Fluggeräte ein, die bis zu 40 Kilogramm Sprengstoff transportieren können.

Sie sind ein wichtiges taktisches Mittel der Russen, um kritische Energieinfrastruktur in der Ukraine zu treffen. Für den Gepard sind sie jedoch Kanonenfutter. Keupp sagt: „Diese Drohnen fliegen relativ langsam, sie sind gut zu sehen. Gepard-Schützen können sie ohne aufwendige optische Zielerfassung treffen.“

Kamikaze-Drohnen

Dieses Bild soll Überreste einer iranischen Drohne in der Ukraine zeigen.


(Foto: AP)

Dafür jedoch braucht die Ukraine Munition: Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat kürzlich den spanischen Wettbewerber Expal Systems für 1,2 Milliarden Euro übernommen. Die Spanier produzieren unter anderem Munition für Artilleriesysteme und Flugabwehrgeschütze. Die Produktionskapazität von Rheinmetall dürfte sich dadurch verdreifachen.

Mit Unterstützung von schweizerischen Ingenieuren ließen sich schneller weitere Produktionskapazitäten erschließen. Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft wollte sich auf Handelsblatt-Anfrage nicht äußern, ob ein Technologie-Transfer mit dem Neutralitätsgesetz vereinbar ist.

Aus Sicht von Militärökonom Keupp hat der Krieg in der Ukraine gezeigt, dass sich die Produktion von Munition für den Flugabwehrpanzer auch langfristig lohnen dürfte. Klar sei, dass die Luftverteidigung der Zukunft insbesondere Drohnen werde bekämpfen müssen.

Mehr: Der Streit über Munitionslieferungen an die Ukraine spaltet die Schweizer Politik



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Politik

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