Paris Der Besuch von Frankreichs Premierministerin Élisabeth Borne bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine Woche intensiver Gespräche beider Regierungen beendet. Die deutsch-französischen Beziehungen sollen nach den jüngsten Misstönen neuen Schwung bekommen.
Nach ihrem Treffen am Freitag in Berlin stellten Scholz und Borne die Gemeinsamkeiten heraus – auch im Umgang mit den umstrittenen US-Industriesubventionen.
Zunächst sei es eine gute Sache, dass US-Präsident Joe Biden mit den Maßnahmen im Inflation Reduction Act (IRA) den grünen Umbau der Wirtschaft voranbringen wolle, sagte der Kanzler. „Umgekehrt müssen wir natürlich für Fairness im Miteinander zwischen Europa und den Vereinigten Staaten Sorge tragen.“
Borne erklärte, dass die „lobenswerten Ambitionen, eine Antwort auf den Klimanotstand zu geben, nicht zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen Europa und den USA führen dürfen“.
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Neben Gesprächen mit Washington müsse die EU auch „ihre eigenen Instrumente stärken“, um Investitionen in die Energiewende und eine klimaneutrale Wirtschaft zu beschleunigen. „Ich glaube, wir teilen diese Sichtweise mit dem Kanzler“, sagte Borne.
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Berlin und Paris haben allerdings unterschiedliche Vorstellungen, wie stark die europäische Reaktion auf den IRA ausfallen soll. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron macht sich für einen „Buy European Act“ mit Subventionen für europäische Hersteller stark. Die Bundesregierung gibt sich zurückhaltender und hofft darauf, die Gespräche mit Washington über ein Freihandelsabkommen wiederbeleben zu können.
Bidens Gesetzespaket enthält Ausgaben in Höhe von 370 Milliarden Dollar, um die heimische Industrie bei klimaneutralen Technologien zu unterstützen. Protektionistische Passagen wie die Vorgabe, dass förderungswürdige Elektroautos zu einem bestimmten Anteil in den USA produziert werden müssen, lassen in der EU die Alarmglocken schrillen.
Macron: Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation
Macron, der in der kommenden Woche nach Washington reist, hat das Paket als Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation kritisiert. Mit Blick auf Handelsbarrieren in den USA und China sagte er jüngst: „Europa darf nicht der einzige Ort auf der Welt sein, an dem es keinen Buy European Act gibt.“
Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire forderte am Dienstag nach einem Treffen mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Paris, dass die EU eine starke Antwort auf den IRA geben müsse. „Europa muss seine Interessen verteidigen“.
Habeck betonte die Bedeutung gleicher Wettbewerbsbedingungen. Der Minister zeigte sich zwar offen für staatliche Beihilfen in der EU als Reaktion auf den IRA. Vor allem wies er darauf hin, dass Europa bei seinen Investitionen in grüne Technologien schneller werden müsse – unabhängig vom Vorgehen der USA.
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Finanzminister Christian Lindner (FDP) traf mit Le Maire am Donnerstag in Paris zusammen. Im Anschluss sagte Lindner, dass der IRA eine „große Herausforderung für die europäische Wirtschaft“ darstelle. Wichtig sei, das Gespräch zu suchen und die transatlantische Zusammenarbeit zu vertiefen.
Scholz warb kürzlich bei einer Veranstaltung der „Süddeutschen Zeitung“ dafür, sich die Idee eines Freihandelsabkommens mit den USA „noch einmal sehr genau“ anzuschauen. Ein solches Abkommen sei „allemal besser als ein Überbietungswettbewerb bei Subventionen und Schutzzöllen, wie manche ihn infolge des amerikanischen Inflation Reduction Act auf uns zukommen sehen“.
Europa muss seine Interessen verteidigen. Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire
Die ohnehin zähen Gespräche über das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP waren nach dem Wahlsieg des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump 2016 auf Eis gelegt worden. Unter Biden wurden sie bislang nicht wieder aufgenommen.
Zu den US-Industriesubventionen haben die Regierung in Washington und die EU-Kommission eine Arbeitsgruppe gegründet, die den Streit entschärfen soll. In französischen Regierungskreisen wird eingeräumt, dass man beim Umgang mit dem IRA noch nicht ganz auf einer Wellenlänge mit Deutschland sei.
In der Bundesregierung sehen manche die unterschiedliche Tonlage in Berlin und Paris dagegen als strategischen Vorteil für die laufenden Gespräche mit Washington: In „Good Cop, Bad Cop“-Manier könne Europa den Amerikanern so einerseits die möglichen Konsequenzen deutlich machen, aber auch die Hand für eine handelspolitische Kooperation ausstrecken.
Mehr: Kommentar: Die Gesprächsoffensive zwischen Berlin und Paris war überfällig
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