Eine ähnliche Infrastruktur für die CCS-Technologie soll auch in Deutschland aufgebaut werden.
(Foto: Klaus Stratmann, Handelsblatt)
Berlin Lange wehrten sich Umweltverbände und große Teile der Grünen gegen das sogenannte CCS-Verfahren, jetzt rückt es auf der politischen Tagesordnung deutlich nach oben: Am Mittwoch wird ein Forum mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Verbänden seine Arbeit aufnehmen und nach Wegen suchen, die Technologie, mit der Kohlendioxid im Untergrund gespeichert werden kann, auch in Deutschland zu etablieren.
CCS steht für Carbon Capture and Storage. Mit dem Verfahren lassen sich CO2-Emissionen, die sich bei bestimmten industriellen Prozessen nicht vermeiden lassen, handhabbar machen. Das Umweltbundesamt beziffert die Menge dieser Emissionen aus der Industrie sowie der Abfall- und Abwasserwirtschaft in Deutschland auf jährlich 43 Millionen Tonnen. Insgesamt wurden 2020 in Deutschland 739 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt.
Das „CCS-Forum“ soll nun Konzepte für den Aufbau einer Infrastruktur für die Technologie entwickeln. Mit am Tisch werden Vertreter des von Robert Habeck (Grüne) geführten Bundeswirtschaftsministeriums sitzen. Weitere Akteure sind Unternehmen wie BASF, Covestro und Heidelberg Cement, Verbände wie der BDI und die Wirtschaftsvereinigung Stahl sowie Vertreter der Abfallwirtschaft und der Papierindustrie.
In vier Arbeitsgruppen werden sich die Teilnehmer mit den technischen Anforderungen, dem regulatorischen Rahmen sowie mit den Themen Kosten und Akzeptanz befassen. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Deutschland hat bereits eine lange Debatte über CCS hinter sich. Im April 2009 verabschiedete die damalige Bundesregierung einen ersten Entwurf für ein CCS-Gesetz. Dieses hätte es möglich gemacht, die Technologie großtechnisch anzuwenden.
Bevölkerung wehrte sich gegen die CO2-Speicherung
Nachdem erste Unternehmensaktivitäten zur CO2-Speicherung auf großen Widerstand in der Bevölkerung gestoßen waren, weil Leckagen und Grundwasserverunreinigungen befürchtet wurden, zog die Bundesregierung das Gesetz zurück.
Ein neuer Entwurf trat nach langen Debatten im August 2012 in Kraft. Er engt die Technik auf Demonstrations- und Pilotprojekte ein und begrenzt das zulässige Speichervolumen erheblich. Außerdem haben die Bundesländer die Möglichkeit, für ihr Land die CO2-Speicherung auszuschließen.
Inzwischen haben sich die Vorzeichen verändert. Die Kritiker der Technologie hatten vor einem Jahrzehnt noch argumentiert, CCS diene vornehmlich dem Zweck, Kohlekraftwerken eine Überlebensperspektive zu geben. Der gesetzlich festgeschriebene Kohleausstieg hat dieses Argument entkräftet.
Mittlerweile vollzieht sich ein Umdenken bei Umweltschützern – und auch bei den Grünen. Bereits im Koalitionsvertrag der Ampelparteien ist das Thema berücksichtigt, wenngleich es SPD, Grüne und FDP geschafft haben, das Kürzel „CCS“ zu vermeiden: „Wir bekennen uns zur Notwendigkeit auch von technischen Negativemissionen und werden eine Langfriststrategie zum Umgang mit den etwa fünf Prozent unvermeidbaren Restemissionen erarbeiten“, heißt es darin.
>> Lesen Sie hier: „Sie nehmen die Realität an“ – Die Energiewende der Grünen
Im August war Grünen-Chefin Ricarda Lang in Norwegen zu Besuch, wo sie sich zwei Tage lang ausschließlich mit dem Thema CCS befasste. Norwegen gehört zu den Vorreitern der Technik. Bereits seit 1996 wird sie dort eingesetzt. Das Land ist im Moment dabei, eine CCS-Infrastruktur aufzubauen, die Unternehmen aus ganz Europa offenstehen soll. Forums-Mitglied Heidelberg Cement gehört zu den ersten Unternehmen, die davon Gebrauch machen wollen.
Motor des „CCS-Forums“ ist die norwegische Umweltschutzorganisation Bellona, die seit 2021 mit einer eigenen Vertretung in Deutschland präsent ist. Sie hat die Plattform initiiert und koordiniert deren Arbeit. „CCS muss branchenübergreifend gedacht werden und ist für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland zentral“, sagt Erika Bellmann, Geschäftsführerin von Bellona Deutschland. Arne Müller, Projektleiter des CCS-Forums, sagt, mit der Plattform solle ein gemeinsames Verständnis zur Rolle der CO2-Speicherung auf dem Weg zur Klimaneutralität Deutschlands erarbeitet werden.
>> Lesen Sie hier: Wohin mit dem CO2? Wie Norwegen der deutschen Industrie beim Klimaschutz helfen kann
Im Gegensatz zu vielen deutschen Umweltschutzorganisationen propagiert Bellona CCS als Beitrag zum Klimaschutz. Die Organisation will alle Bestrebungen unterstützen, die dabei helfen, die CO2-Emissionen zu reduzieren. In Norwegen begleitet Bellona seit Jahren die dortigen Aktivitäten im Bereich CCS. Die Stiftung ist außerdem in Diskussionen rund um CCS in der Industrie in Großbritannien und den Niederlanden eingebunden.
<< Den vollständigen Artikel: Klimaneutralität: Umdenken bei den Grünen: CO2-Speicherung bekommt eine neue Chance >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.