Menschen mit Behinderung sind im Schnitt häufiger und länger arbeitslos.
(Foto: IMAGO/Westend61)
Düsseldorf In nahezu allen Branchen wird händeringend Personal gesucht. Im dritten Quartal gab es nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt– und Berufsforschung bundesweit 1,82 Millionen offene Stellen. Das waren 437.600 mehr als im Vorjahreszeitraum – und das, obwohl die deutsche Volkswirtschaft womöglich gerade am Beginn einer Rezession steht. Laut Bundesagentur für Arbeit (BA) fehlen dabei keineswegs nur Fachkräfte und Spezialisten, auch Stellen für Lagerarbeiter, Servicekräfte und Aushilfen bleiben oftmals unbesetzt.
Ein Arbeitskräftereservoir, das oft noch immer übersehen wird, sind Menschen mit Behinderung. Von den rund 1,45 Millionen Erwerbspersonen mit einer Behinderung, die dem regulären Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, sind derzeit 160.300 arbeitslos – also fast jeder Neunte, wie das neue Inklusionsbarometer Arbeit der Aktion Mensch und des HRI zeigt.
Im Vergleich zum Vorjahr ging die Anzahl der Arbeitslosen damit zwar leicht um 6000 Personen zurück, gemessen am Vorkrisenjahr 2019 war die Arbeitslosigkeit jedoch um fast 7000 Betroffene höher.
Dabei sind derzeit so viele Menschen beschäftigt wie noch nie zuvor. Nach jüngsten Angaben des Statistischen Bundesamts waren im dritten Quartal rund 45,6 Millionen Personen mit Wohnort in Deutschland erwerbstätig; saisonbereinigt waren dies 22.000 mehr als im zweiten Quartal.
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Die Bundesregierung geht in ihrer jüngsten Projektion davon aus, dass der Höhepunkt der Erwerbstätigkeit im Jahr 2024 mit durchschnittlich 45,78 Millionen erreicht sein wird – und von da um rund 130.000 pro Jahr sinken dürfte, da die geburtenstarken Jahrgänge nunmehr in den Ruhestand gehen und durch weit geringer besetzte Kohorten in Büros, Amtsstuben, Geschäften und Werkshallen ersetzt werden müssen.
„Das sinkende Arbeitsangebot schwächt das Produktionspotenzial, sodass Ende dieses Jahrzehnts ein Wachstum der Volkswirtschaft nicht mehr selbstverständlich ist“, warnt Bert Rürup, Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI).
Menschen mit Behinderung spüren Wirtschaftskrisen länger
Menschen mit Behinderung sind laut BA nicht nur häufiger, sondern oftmals auch länger arbeitslos. So betrug die durchschnittliche Dauer bei allen Arbeitslosen im Oktober 155 Tage, bei denen mit einer Schwerbehinderung 195 Tage – die Folgen der Coronapandemie für den Arbeitsmarkt zeigen sich für sie also noch immer. „Wenn Menschen mit Behinderung arbeitslos werden, dann spüren sie die negativen Auswirkungen von Wirtschaftskrisen durchweg länger als Menschen ohne Behinderung“, erläutert HRI-Präsident Rürup. Dies zeigten die Ergebnisse des Inklusionsbarometers der vergangenen Dekade.
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Derzeit gilt fast die Hälfte der arbeitslosen Menschen mit Behinderung als langzeitarbeitslos; sie suchen also schon länger als ein Jahr einen Job. Ein möglicher Grund sei, dass viele Qualifizierungsmaßnahmen pandemiebedingt in den vergangenen Jahren nicht stattfanden und insbesondere auch Menschen mit Behinderung nicht die vom Arbeitsmarkt verlangten Fähigkeiten erwerben konnten, betont HRI-Studienautor Jörg Lichter.
Dabei habe die Digitalisierung der Arbeitswelt das Potenzial, die Chancen von Menschen mit einer Behinderung deutlich zu verbessern und eine wachsende Zahl von ihnen in den regulären Arbeitsmarkt zu integrieren. Insbesondere die in jüngster Zeit deutlich verbesserten Möglichkeiten zu Telearbeit und Homeoffice seien für viele Menschen mit Behinderung eine große Erleichterung.
Das Problem dabei: „Bislang werden vor allem jüngere Männer mit Behinderung in den neuen digitalen Techniken geschult“, sagt Lichter. Vielen Frauen sowie älteren Arbeitslosen mit Behinderung blieben daher diese neuen Möglichkeiten verwehrt. Somit läge nicht nur gesamtwirtschaftlich dringend benötigtes Arbeitskräftepotenzial brach. Auch die Chancen, das Selbstwertgefühl vieler gehandicapter arbeitsloser Menschen zu steigern, blieben vertan.
<< Den vollständigen Artikel: Arbeitsmarkt: Die Wirtschaft sucht Personal – und übersieht dabei oft eine Gruppe >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.