Berlin Vermieter in Deutschland haben vor den sozialen Folgen der teils drastisch gestiegenen Fernwärmepreise gewarnt. „Der Preisanstieg verteuert das Wohnen und ist sozialer Sprengstoff“, sagte der Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner, dem Handelsblatt.
Es werfe Fragen auf, wenn Energieversorger ankündigten, dass die Fernwärmekosten sich auf einen Schlag verdreifachen oder sogar vervierfachen. „Eine Preisexplosion dieser Wucht lässt sich auch in Zeiten allgemein steigender Energiepreise beim besten Willen nicht vermitteln“, betonte Breitner.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hatte zuletzt erhebliche Mängel bei der Preisgestaltung der Fernwärmeanbieter moniert. „Die Verbraucherzentralen berichten von teils horrenden Nachzahlungen für 2021, manche Fernwärmekunden zahlen das Doppelte, dementsprechend auch erhöhte Abschläge 2022“, sagte VZBV-Chefin Ramona Pop. Mieter könnten sich aber gegen übermäßige Preiserhöhungen nicht zur Wehr setzen und ihnen auch nicht ausweichen.
Neben Gas und Strom hat sich vielerorts in diesem Jahr auch die Fernwärme verteuert. Das liegt daran, dass sie als Abfallprodukt der Stromerzeugung meist aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird. Laut Energiewirtschaftsverband BDEW stammen 67 Prozent der Fernwärme aus Gas- und Kohleverbrennung, nur 17 Prozent stammen aus erneuerbaren Energien.
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Zwar hat der Bundestag krisenbedingt vor Kurzem eine milliardenschwere Dezember-Soforthilfe für Gas- und Fernwärmekunden beschlossen. Der Deutsche Mieterbund bemängelte indes, dass betroffene Mieterinnen und Mieter von der Entlastung erst im Laufe des Jahres 2023 im Rahmen der Nebenkostenabrechnung profitieren.
Wohnungswirtschaft fordert dauerhafte Kontrolle der Fernwärmepreise
Erschwerend kommt aus Sicht der Verbraucherschützer hinzu, dass die Preisgestaltung der Fernwärmeversorger weiterhin kaum nachvollziehbar sei. Das bemängelt auch der Mieterbund. „Die fehlende Preistransparenz bei Fernwärme ist seit Jahren bekannt und wird politisch bisher kaum adressiert“, sagte die Bundesdirektorin des Verbands, Melanie Weber-Moritz, dem Handelsblatt.
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VNW-Direktor Breitner betonte, Preissteigerungen müssten erklärbar und nachvollziehbar sein. „Da, wo dies nicht nachvollziehbar ist, muss eingegriffen werden.“ Politiker der Ampelkoalition hatten sich zuletzt für ein Einschreiten des Bundeskartellamts ausgesprochen. Die FDP plädierte für eine erneute Sektoruntersuchung in dem Bereich.
Bei der letzten Überprüfung im Jahr 2012 hatte die Behörde in einigen Fällen Preisunterschiede zwischen einzelnen Netzgebieten von mehr als 100 Prozent festgestellt. Nach einer aktuellen Untersuchung der Verbraucherschützer betrug die Preissteigerung verschiedener Anbieter von April 2021 bis April 2022 zwischen 28 und 92 Prozent.
Bei Fernwärme können die Kunden praktisch nicht auf günstigere Anbieter umsteigen. In vielen Regionen gibt es keine Konkurrenz und teils sogar die rechtliche Verpflichtung zum Anschluss an ein bestimmtes Netz, falls man diese Energieform wählt. Die mehr als 500 Erzeuger von Fernwärme sind meist Stadtwerke, aber auch große Versorger wie RWE, Eon, EnBW und Vattenfall.
Der Mieterbund zeigte sich offen für jede Maßnahme, die dazu beiträgt, die 6,1 Millionen mit Fernwärme versorgten Haushalte besser zu schützen. „Gerade in den Metropolen ist der Fernwärmeanteil besonders hoch“, erläuterte Verbandsdirektorin Weber-Moritz. In Berlin etwa sei jede dritte Wohnung an das Fernwärmenetz angeschlossen.
Andreas Breitner, dessen Verband in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein insgesamt 406 Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften vertritt, hält das Kartellamt allerdings eher nicht für geeignet, den Missständen nachzugehen. Die Behörde greife aus seiner Sicht zu selten und zu spät ein. „Wir brauchen eine unabhängige Behörde, die ständig die Preise für Fernwärme beobachtet, kontrolliert und umgehend eingreift, wenn zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher Reibach gemacht wird“, sagte er.
Breitner sieht dringenden Handlungsbedarf. „Wer in einer kalten Wohnung leben soll, den wird man über kurz oder lang auch mit Klimaschutzanforderungen nicht mehr erreichen“, sagte er. Wenn die Fernwärme also auch für die Energiewende ein wesentlicher Bestandteil bleiben solle, müsse jetzt gehandelt werden.
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