Brüssel, Berlin Der Transatlantische Rat für Handel und Technologie (TTC) dürfte nur wenigen Bürgern bekannt sein, doch Beamtenherzen schlugen höher, als er im vergangenen Jahr ins Leben gerufen wurde. EU-Kommission und US-Regierung haben sich verabredet, Gemeinsamkeiten auf Zukunftsfeldern wie der Digitalisierung, der Elektromobilität und der Künstlichen Intelligenz herauszuarbeiten. Mit vereinten Kräften wolle man „die Spielregeln für die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts gestalten“, verkündeten Kommissionschefin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden.
Von der anfänglichen Euphorie ist inzwischen nur noch wenig übrig. Als sich EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis vergangene Woche mit konservativen Wirtschaftsministern aus einigen EU-Mitgliedsstaaten traf, ließ er seine Enttäuschung klar erkennen. Der TTC mache zwar Fortschritte, werde aber vom Streit mit den Amerikanern über Subventionen für Elektroautos „überschattet“, klagte er nach Angaben von Teilnehmern.
Kommende Woche findet das dritte TTC-Treffen statt, in Washington wollen sich Vertreter von Kommission und US-Regierung beraten. Doch ein Entwurf der Abschlusserklärung, die dem Handelsblatt vorliegt, zeigt, dass Amerikaner und Europäer weit hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückliegen. Die angekündigten Spielregeln für Zukunftsbranchen sind in der Praxis auf eine Vereinbarung über Form und technische Spezifikationen von Ladesteckern für elektrische Lastfahrzeuge geschrumpft.
„Wir beabsichtigen, weiter auf einen gemeinsamen internationalen Standard hinzuarbeiten, der bis 2024 angenommen werden soll“, heißt es in dem Dokument über die Lkw-Stecker. Außerdem arbeite man an „gemeinsamen Empfehlungen für den staatlich geförderten Aufbau von Ladeinfrastruktur“, um E-Autos in Europa und den USA zum Durchbruch zu verhelfen.
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Ansonsten findet sich kaum Greifbares auf den 22 Seiten der Gipfeldeklaration, stattdessen: Absichtsbekundungen, bei Künstlicher Intelligenz, der Verlegung von Unterseekabeln und der Förderung der Chipindustrie zusammenzuarbeiten. Der Streit über den Inflation Reduction Act (IRA) wird nur kurz angerissen – und an eine Taskforce verwiesen.
Mit dem im Sommer von Biden unterzeichneten IRA wollen die Amerikaner Milliardensubventionen für E-Autos ausschütten – aber nur, wenn diese in den USA montiert wurden. Die Europäer fühlen sich diskriminiert. Der ebenfalls brodelnde Konflikt wegen Amerikas Sanktionen gegen die chinesische Chipindustrie wird in der TTC-Erklärung ganz ausgespart, obwohl die EU über die Auswirkungen auf europäische Unternehmen klagt.
Grünen-Fraktionsvorsitzende ist für ein Zollabkommen
Dennoch setzt die Politik weiter große Hoffnungen in den im vergangenen Jahr ins Leben gerufenen TTC, allen voran die deutsche Regierungskoalition. Bei Fragen nach einem Handelsabkommen mit den USA verweisen insbesondere Vertreter von Grünen und SPD immer wieder auf den Rat.
Die Koalition will das in dieser Woche offiziell festhalten, für Donnerstag steht der Beschluss einer Handelsagenda auf der Tagesordnung des Bundestags. Darin heißt es: „Wir regen gegenüber unseren EU-Partnern an, die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA zu vertiefen und dafür die Strukturen des EU-US-Trade and Technology Council zu nutzen.“
Weitere handelspolitische Annäherungen wie gegenseitige Zoll-Erleichterungen müssten erst einmal „sondiert“ werden. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge prescht aber vor. „Allen voran hielte ich es für sinnvoll, Gespräche für ein Industriezollabkommen aufzunehmen“, sagte Dröge dem Handelsblatt. Zölle stünden Handel im Weg. „Angesichts der sich drastisch veränderten geopolitischen Lage brauchen wir aber diesen Handel.“
Es ist bemerkenswert, dass dieser Vorstoß ausgerechnet von Dröge kommt. Die Parteilinke hat sich als Gegnerin des europäisch-amerikanischen Handelsabkommens TTIP sowie des europäisch-kanadischen Abkommens Ceta, das Deutschland nun ebenfalls am Donnerstag im Bundestag beschließen will, einen Namen gemacht.
Um in der Handelspolitik voranzukommen, muss man Dröge überzeugen, heißt es einhellig in der Berliner Ampelregierung. Die Grünen-Politikerin lehnt engere Handelsbeziehungen nicht generell ab, schon ihren Protest gegen TTIP und Ceta hatte sie vor allem an Regelungen zum Investitionsschutz festgemacht.
Dabei bleibt sie. Ihr Vorschlag für ein Zollabkommen sei nicht als Neuauflage von TTIP zu verstehen, stellt sie klar: „Das sollen keine Gespräche werden, die in irgendeiner Form Vorverhandlungen für ein umfassendes Freihandelsabkommen sein könnten, geschweige denn der Vorbote einer TTIP-Neuauflage. Das wollen wir nicht, das wollen die Amerikaner nicht, und das ergibt auch keinen Sinn.“
Mit „wir“ dürfte sie sich allerdings auf die Grünen beziehen. In der Ampel öffnet man sich zunehmend für einen Neuanlauf eines umfassenderen Handelsabkommens. FDP-Chef Christian Lindner wirbt seit Monaten dafür.
Mehr Handelsblatt-Artikel zum Wirtschaftsstreit zwischen den USA und der EU
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich kürzlich bei einer Veranstaltung der „Süddeutschen Zeitung“ dafür aus, sich die Idee eines Freihandelsabkommens mit den USA „noch einmal sehr genau“ anzuschauen. Ein solches Abkommen sei „allemal besser als ein Überbietungswettbewerb bei Subventionen und Schutzzöllen, wie manche ihn infolge des amerikanischen Inflation Reduction Act auf uns zukommen sehen“.
Ein einfaches Zollabkommen, wie Dröge es vorschlägt, dürfte nicht leicht durchzusetzen sein. Der außenhandelspolitische Sprecher der FDP, Carl-Julius Cronenberg, warnte vor „übertriebenem Optimismus“. „Die US-amerikanische Handelspolitik konzentriert sich im Moment auf das Reshoring verlorener Industriezweige.“
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