Neue Gaskraftwerke werden dringend gebraucht, aber es fehlt der Investitionsanreiz.
(Foto: Weisflog )
Berlin Ein breites Bündnis verschiedener Akteure legt der Bundesregierung Handlungsempfehlungen für eine Reform des Strommarktes vor. Hintergrund ist neben der Preisentwicklung der vergangenen Monate vor allen Dingen der wachsende Bedarf an jederzeit sicher verfügbarer Kraftwerksleistung in einer Welt mit wachsendem Anteil erneuerbarer Energien. Wichtig sind daher Gaskraftwerke und Anlagen, die gleichzeitig Strom und Wärme produzieren.
Anlagen, die bedarfsgerecht Strom liefern, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, „werden zunehmend zur kommenden Leitwährung im Strommarkt“, heißt es in dem Papier, das dem Handelsblatt vorliegt. Die Autoren der Handlungsempfehlungen wollen dem Bundeswirtschaftsministerium damit inhaltliche Impulse geben.
Ziel ist es, ein System zu schaffen, das Anreize gibt, dem Strommarkt zu jeder Zeit Leistung zur Verfügung zu stellen. Mitgewirkt haben der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) sowie Erneuerbaren-Branche, Stromnetzbetreiber, Industrie und Verbraucherschützer.
Das Thema nimmt auch im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP breiten Raum ein. Darin heißt es, man werde eine „Plattform Klimaneutrales Stromsystem“ einsetzen, „die 2022 konkrete Vorschläge macht und Stakeholder aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einbezieht“.
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Allerdings ist das Thema angesichts der großen energiepolitischen Herausforderungen, die sich aus dem Ukrainekrieg ergeben haben, in den Hintergrund gerückt. Nun soll die Plattform voraussichtlich im Februar 2023 ihre Arbeit aufnehmen.
Dass Handlungsbedarf besteht, ist unbestritten. Mit zunehmendem Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung kommen konventionelle Kraftwerke immer seltener zum Einsatz. Zugleich ist das Ende der Atomkraft absehbar, der Kohleausstieg beschlossene Sache.
Es sinkt somit die gesicherte Kraftwerksleistung, die jederzeit zur Verfügung steht und immer dann zum Einsatz kommen muss, wenn nicht genug Strom aus erneuerbaren Quellen produziert wird.
Gaskraftwerke sollen bei Windflaute einspringen
In den kommenden Jahren werden insbesondere Gaskraftwerke einspringen müssen. Die Bereitschaft, in den Bau von Gaskraftwerken zu investieren, tendiert aber gegen null, da sich mit ihnen nicht genug Geld verdienen lässt, wenn sie nur noch selten zum Einsatz kommen.
Also müssen neue Instrumente her, die das Bereithalten von Kraftwerksleistung honorieren. „Für die Back-up-Kapazitäten müssen dauerhaft und planbar genügend ökonomische Anreize geschaffen werden, um die erforderlichen Investitionen anzureizen“, sagt Stefan Kapferer, Chef des Stromübertragungsnetzbetreibers 50Hertz. „Je höher der Anteil der Erneuerbaren ist, desto geringer bleibt der Anteil der gesicherten Leistung, für die wir einen marktlichen Rahmen finden müssen.“
Gaskraftwerke werden allerdings nur mittelfristig die Lösung sein. „Im Moment sprechen wir über Gaskraftwerke, in Zukunft aber verstärkt über klimaneutral erzeugende Kraftwerke und Flexibilitätsoptionen unter Einschluss von Speichern“, sagt Kapferer.
Neue Gaskraftwerke werden daher so ausgelegt sein, dass sie später auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Mit Flexibilitätsoptionen sind zum Beispiel Lösungen gemeint, mit denen sich die Stromnachfrage steuern lässt. Wenn etwa Industriebetriebe auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen unter bestimmten Umständen bereit sind, ihren Strombezug für kurze Zeit zu reduzieren, muss weniger Kraftwerksleistung bereitgestellt werden.
Strommarkt soll reformiert werden
Aber auch erneuerbare Energien können gesicherte Kraftwerksleistung anbieten. Insbesondere dieser Aspekt sollte sich nach Auffassung von Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), im künftigen Strommarktdesign widerspiegeln.
„Die erneuerbaren Energien wurden im Zuge der Energiewende systemsetzend. Jetzt muss der Strommarkt nach ihren Bedürfnissen ausgerichtet werden, indem eine neue Dynamik beim Wind- und Solarzubau marktwirtschaftlich gesichert und flexibel steuerbare Leistung aus Bioenergie- und Wasserkraftanlagen, Speichern, Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und Elektrolyseuren angereizt wird“, sagt Peter.
KWK-Anlagen produzieren gleichzeitig Strom und Wärme. Sie werden aktuell zum großen Teil mit Erdgas betrieben, künftig auch mit Wasserstoff.
Nach Überzeugung von BDEW-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae drängt die Zeit: „Wir müssen vorankommen mit der Weiterentwicklung des Strommarktdesigns. Die erforderlichen Investitionen werden nur getätigt, wenn der Rahmen stimmt.“ Es sei entscheidend, dass noch in dieser Legislaturperiode die Weichen gestellt würden.
Die Handlungsempfehlungen sollen dazu beitragen, den Prozess zu beschleunigen: „Die Stärke unseres Impulspapiers ist darin zu sehen, dass wir die Sichtweisen von Anlagenherstellern, Netzbetreibern, Verbrauchern und Anlagenbetreibern vereinen. Verbraucherschützer, Thinktanks und Gewerkschaften waren ebenfalls in die Diskussionen involviert“, sagt Dennis Rendschmidt vom VDMA. Darauf könne die Politik aufbauen.
Mehr: Kalter Entzug von russischem Gas – Deutschland droht ein Notstandswinter
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