Berlin Branchenmindestlöhne und -tarifverträge können mit dazu beitragen, dass die Entgelte auch in gar nicht erfassten Wirtschaftszweigen steigen. Denn die so geschaffene Lohntransparenz veranlasst Beschäftigte, ihre eigene Bezahlung zu hinterfragen und sich gegebenenfalls einen neuen Job zu suchen. Dies zeigt eine Studie des Essener Wirtschaftsforschungsinstituts RWI, die dem Handelsblatt vorliegt.
Der Ökonom Gökay Demir hat untersucht, welche Auswirkungen auf Beschäftigte anderer Branchen die Einführung des ersten branchenbezogenen Mindestlohns im Bauhauptgewerbe hatte. Dort wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1997 eine Lohnuntergrenze von umgerechnet 8,69 Euro in Westdeutschland und acht Euro im Osten eingeführt.
Wie das RWI zeigt, hatte schon die Berichterstattung über das Vorhaben eine Signalwirkung auch auf Beschäftigte in ähnlichen Jobs und mit vergleichbaren Qualifikationen außerhalb des Baugewerbes, die bis dato weniger verdienten. Denn schon 1996, also im Jahr vor Inkrafttreten des Branchenmindestlohns, wechselten Beschäftigte, die angesichts der hergestellten Lohntransparenz den Eindruck hatten, ihre Arbeit unter Wert zu verkaufen, verstärkt zu Betrieben mit besserer Bezahlung.
Einen besonders starken Effekt hat Demir bei Beschäftigten beobachtet, die tendenziell schlechter über den Arbeitsmarkt und die Löhne informiert sind, also beispielsweise bei Migranten oder Berufsanfängern.
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Ausgangsfrage der Studie war, warum Arbeitnehmer in Betrieben bleiben, obwohl sie dort wenig verdienen. Ein Grund könnte eine Informationsasymmetrie sein: Sie wissen schlicht nicht, dass anderswo für eine vergleichbare Tätigkeit deutlich mehr gezahlt wird. Diese Asymmetrie wurde durch die Berichterstattung über den Baumindestlohn beseitigt.
Bekanntmachung von Tariflöhnen
Eine Politik, die auf die Einführung und öffentliche Bekanntmachung von Tariflöhnen zielt, könne es Beschäftigten erleichtern, in besser bezahlte und meist produktivere Jobs zu wechseln, heißt es in der Studie. Neben der Lohnuntergrenze im Baugewerbe gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von branchenbezogenen Mindestlöhnen.
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SPD und Grüne hatten sich vor der Wahl zudem dafür starkgemacht, dass die Bundesregierung Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich erklären können soll, sodass sie für eine ganze Branche gelten. Im Koalitionsvertrag haben die Ampelfraktionen zudem vereinbart, dass öffentliche Aufträge des Bundes künftig nur an tariftreue Unternehmen gehen sollen.
Auf mehr Durchblick beim Thema Bezahlung zielt auch das im Juli 2017 in Kraft getretene Entgelttransparenzgesetz. Es soll vor allem Frauen helfen, die das Gefühl haben, im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen zu schlecht bezahlt zu werden. Arbeitnehmerinnen verdienten zuletzt bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation laut Statistischem Bundesamt rund sechs Prozent weniger als Männer (bereinigter Gender-Pay-Gap).
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Laut der RWI-Analyse verdienten die Beschäftigten, die sich nach der Ankündigung des Baumindestlohns eine besser bezahlte Arbeit suchten, anschließend 380 Euro zusätzlich im Jahr. Das ist eine durchaus relevante Größenordnung, lag doch ihr Jahreseinkommen vorher nur bei durchschnittlich 19.200 Euro.
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<< Den vollständigen Artikel: Beschäftigung: RWI-Studie: Baumindestlohn führt auch in anderen Branchen zu höherer Bezahlung >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.