New York, Washington Der französische Präsident Emmanuel Macron wird am Donnerstag mit vollen protokollarischen Ehren von US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus empfangen. Beim mehrgängigen Dinner wird der Musiker und Grammy-Gewinner Jon Batiste für Unterhaltung sorgen. Was klingen mag wie unwichtige Details, sind in der Welt der Diplomatie wichtige Zeichen: Macron ist seit 2021 der erste Staatsgast, dem solche Ehre zuteilwird. Das zeigt, wie wichtig Frankreich für Washington ist.
Nach dem Brexit und den chaotischen Regierungswechseln in Großbritannien sowie angesichts des eher lauwarmen Verhältnisses zum deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist Macron auch wegen der militärischen Stärke der Nuklearmacht Frankreich der wichtigste Partner der USA in Europa.
Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats John Kirby nannte Macron am Montag den „dynamischen Anführer“ des ältesten amerikanischen Verbündeten. „Wenn man sich anschaut, was in der Ukraine passiert und im Indopazifik und die Spannungen mit China, dann ist Frankreich wirklich im Zentrum von alledem“, sagte Kirby. „Deshalb hatte der Präsident das Gefühl, dass dies exakt das richtige und angemessenste Land ist, die Staatsbesuche wieder zu beginnen“, erklärte er.
Dabei hat das Verhältnis zwischen Macron und Biden einen holprigen Start hinter sich. Es ist nur 14 Monate her, da hatte Macron sogar kurzfristig seinen Botschafter in Washington abgezogen. Grund war, dass die US-Regierung ohne Vorwarnung ein Militär-Technologie-Abkommen mit Großbritannien und Australien und die Lieferung von Atom-U-Booten nach Australien angekündigt hatte, was den Verkauf von französischen Diesel-U-Booten vereitelte. Doch das war vor dem Ukrainekrieg und ist aus Pariser Sicht schon lange kein Thema mehr.
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Und so betonte der Élysée-Palast, dass der Empfang ein Zeichen für die „exzellenten Beziehungen“ zwischen Frankreich und den USA sei. Macron wolle sich für „verstärkte Beziehungen“ zwischen Washington und Europa einsetzen, die „an die neuen internationalen Realitäten“ angepasst werden müssten.
Dabei gehe es unter anderem darum, dass die EU mehr Verantwortung für ihre Sicherheit übernehme. Mit Blick auf den russischen Krieg gegen die Ukraine und Herausforderungen wie dem Klimawandel brauche es eine „neue Synchronisierung der europäischen und amerikanischen Agenden“.
Republikaner könnten Bidens Ukraine-Unterstützung schwächen
Das Ehepaar Macron ist bereits am Dienstagabend angereist und nimmt am Mittwoch mehrere Termine, darunter mit der Vizepräsidentin Kamala Harris, wahr. Am Donnerstag wird der französische Präsident dann fast den gesamten Tag mit dem US-Präsidenten verbringen. Bei dem Treffen wird es laut Angaben der US-Regierung neben dem Krieg in der Ukraine auch um Irans Nuklearprogramm, Chinas Rolle im Pazifik und die Stabilität in der afrikanischen Sahelzone gehen.
Gerade bei der Ukraine ist Biden auf seine Bündnispartner angewiesen. Wenn demnächst im US-Abgeordnetenhaus die Republikaner die Mehrheit übernehmen, könnte es für Biden schwerer werden, weitere Hilfspakete in Milliardenhöhe durchzusetzen. Der zukünftige republikanische Mehrheitsführer Kevin McCarthy hat bereits angekündigt, dass seine Partei „keine Blankoschecks“ für die Ukraine unterschreiben wird.
Anders als Macron hat Biden Kiew bisher nicht aufgefordert, Friedensgespräche mit Russland wieder aufzunehmen. Nach Ansicht der Amerikaner müsse dies die ukrainische Regierung allein entscheiden. Die regelmäßigen Telefonate zwischen Macron und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin soll Biden zwar als hilfreich empfinden. Aber der von Frankreich ins Spiel gebrachten Idee, dass China als Vermittler im Ukrainekrieg auftreten soll, steht der US-Präsident wohl eher skeptisch gegenüber.
Macron will die amerikanischen E-Auto-Subventionen im Namen Europas ansprechen
Ein Streitpunkt wird die Subventionspolitik der USA sein. Vor allem die Steueranreize für in den USA hergestellte E-Autos stoßen bei den Europäern auf Kritik. Der Élysée-Palast warnte vor dem „Risiko einer Diskrepanz“ zwischen den Wirtschaftsmächten USA und EU. Bei den Gesprächen werde es auch um das Gesetzespaket mit dem Namen Inflation Reduction Act (IRA) gehen.
„Wir wünschen, dass wir den Wettbewerb zwischen den USA und der EU nicht nur auf loyale, sondern auch auf strategische Weise organisieren können“, sagte ein ranghoher französischer Berater im Vorfeld der Reise. Der französische Präsident hatte in den vergangenen Wochen mit einer europäischen Antwort auf das Gesetzespaket gedroht und einen „Buy European Act“ ins Gespräch gebracht.
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Macron sieht sich mit Blick auf den Inflation Reduction Act auf seiner Reise im Auftrag ganz Europas unterwegs. Aus seinem Umfeld heißt es, Macron werde mit Biden bei dem Thema einen Dialog beginnen und „aus dieser Unterredung die Schlüsse für uns Europäer ziehen“. Es müsse verhindert werden, dass als Folge der US-Subventionen Investitionen aus der EU abgezogen und die Europäer auf den Märkten benachteiligt würden.
Ranghohe Vertreter der US-Regierung argumentieren dagegen, dass das Gesetzespaket trotz der Subventionen viele Chancen für europäische Unternehmen berge, wenn es um Windkraft und andere erneuerbare Energien geht. Man sei darüber in „konstruktiven Gesprächen“, hieß es in Washington.
Begleitet wird Macron von mehreren Mitgliedern seiner Regierung, darunter Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. Außerdem bringt er eine hochkarätige Wirtschaftsdelegation mit nach Washington: Bernard Arnault, Chef des Luxusgüterkonzerns LVMH, ist ebenso dabei wie Patrick Pouyanné, Chef des Energieriesen Total Energies, und eine Reihe von Unternehmern aus der Tech-Branche. Aus dem Élysée-Palast hieß es, dass Macron sich auch für einen Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Frankreich und den USA in der Raumfahrt und in der Nuklearindustrie einsetzen wolle.
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