Brüssel Die EU-Kommission bringt eine neue Möglichkeit auf den Weg, das Klima zu schützen. Ein neues Gesetz soll es lohnenswert machen, CO2 aus der Luft zu entnehmen. Neben Methoden in der Holz- und Landwirtschaft gibt es technische Anlagen, die CO2 aus der Luft entnehmen und es binden. Erste Pilotanlagen sind in Betrieb.
Allerdings gibt es bislang weder für die natürlichen Methoden noch für das technische „Direct Air Capture“ einen Markt. Damit sie sich lohnen, müssen die Betreiber einen Preis für das entnommene CO2 verlangen können.
Dazu gibt es nun erstmals einen Gesetzesvorschlag. Die EU-Kommission will ein Zertifikatesystem etablieren, mit dem sich nachweisen lässt, welche Menge an CO2 aus der Luft gefiltert wurde.
Der Vorschlag stellt Bedingungen auf für die langfristige Speicherung des CO2, für die entsprechenden Nachweise und für die Überwachung des Prozesses. Viele wichtige Details müssen dabei allerdings noch ausgearbeitet werden.
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Die Zertifikate sollen Unternehmen kaufen können. Sie könnten sich damit als „CO2-neutral“ bezeichnen, obwohl sie selbst weiterhin CO2 verursachen. Labels könnten Baumaterialien mit negativen Emissionen kennzeichnen. Auch sind Fördermittel für Landwirte denkbar, die beim Bestellen ihrer Felder CO2 binden.
Wie es weitergehen könnte
Langfristig könnte die EU weitergehen: „Wir warten sehnsüchtig auf das ‚Direct Air Capture‘“, sagt Peter Liese (CDU), Abgeordneter des Europaparlaments. „Darum müssen in Zukunft die Zertifikate Teil des europäischen Emissionshandels werden.“
Im Emissionshandel (ETS) werden Genehmigungen für den Ausstoß von CO2 gehandelt. Das führt dazu, dass der Ausstoß von CO2 immer teurer wird, und setzt einen Anreiz, besonders klimaschonend zu wirtschaften. Das System ist das wichtigste Klimaschutzinstrument der EU. Die Zertifikate aus der CO2-Entnahme ließen sich umwandeln in Ausstoßberechtigungen im ETS.
Noch ist es aber nicht so weit. Vorerst sollen die CO2-Entnahmen nicht in den Handel einbezogen werden, weil sich das Zertifizierungssystem erst bewähren muss. Die Zertifikate zu kaufen ist rein freiwillig. Ihr Wert ist damit unsicher und ebenso die Frage, wie viel Geld sich mit Direct Air Capture verdienen lässt.
„Die EU-Staaten haben sich lange um das Thema CO2-Entnahme gedrückt“, sagt Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Jetzt sind sie endlich gezwungen, sich damit zu beschäftigen.“
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Denn die Vorstellung, dass unter der Erde große Mengen reines CO2 gespeichert werden, behagt vielen Wählern nicht. Ob sich neuere Methoden lohnen, bei denen das CO2 als Feststoff gebunden und als Baumaterial verwendet wird, ist noch nicht sicher.
Kritik von Umweltschützern
Neben der technischen CO2-Entnahme aus der Luft lässt sich auch durch die Bewirtschaftung von Feldern und Wäldern CO2 binden. Diese Methoden haben aber den großen Nachteil, dass kaum kontrolliert werden, kann, wie lange das CO2 gebunden bleibt: Wenn ein Wald von Schädlingen befallen wird oder brennt oder wenn ein Feld nach anderen Methoden bewirtschaftet wird, kann das CO2 wieder freigesetzt werden. Wie sich das vermeiden lässt, ist noch nicht Teil des neuen Gesetzesvorschlags, sondern soll in den kommenden Jahren geklärt werden.
Umweltschützer fürchten, dass die Möglichkeit, CO2 zu binden, zu geringeren Anstrengungen bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes führt. Das wäre tatsächlich schlecht: CO2 aus der Luft zu filtern verbraucht große Mengen an Strom. Es lohnt sich deswegen nur, wenn Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien ausgereizt sind und Strom im Überfluss vorhanden ist.
Entsprechend steht die bislang einzige Anlage, die CO2 in nennenswertem Maßstab aus der Luft einfängt, in Island, wo Strom günstig mit Geothermie produziert wird.
„Drastische Emissionseinschnitte werden immer im Vordergrund unserer Anstrengungen stehen“, sagte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans bei der Vorstellung des neuen Gesetzes.
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Langfristig ist aber klar, dass die CO2-Entnahme gebraucht wird. Der Weltklimarat IPCC sieht keine andere Möglichkeit, wirklich klimaneutral zu wirtschaften. Denn in einigen Produktionsprozessen lässt sich der Ausstoß von CO2 nicht vermeiden. Auch in den Szenarien der EU, die bis 2050 klimaneutral sein will, sind darum langfristig Emissionen vorgesehen, die durch Entnahmen ausgeglichen werden.
„Alle Staaten und die EU, die sich das Ziel der Klimaneutralität gegeben haben, wissen, dass sie ohne CO2-Entnahmen nicht auskommen“, sagt Geden.
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