Die klassische Hochofenroute zur Stahlproduktion muss durch neue Verfahren ersetzt werden.
(Foto: Marc-Steffen Unger)
Berlin Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will der Industrie mit Milliardenhilfen die Umstellung auf klimaneutrale Produktionsverfahren ermöglichen. Der dem Handelsblatt vorliegende Entwurf einer „Richtlinie zur Förderung von klimaneutralen Produktionsverfahren in der Industrie durch Klimaschutzverträge“ gibt Aufschluss darüber, wie das System funktionieren soll. Adressaten sind „emissionsintensive Industriesektoren“. Dazu zählen etwa Stahl, Zement und Chemie.
In dem Papier heißt es, klimafreundliche Produktion sei häufig noch so kostenintensiv, „dass Unternehmen auf diese nicht umstellen können, weil sie andernfalls einen zu großen Kostennachteil im Wettbewerb hätten“. Investitionen in klimafreundliche Verfahren seien deshalb „zumindest hoch riskant und unterbleiben heute noch zu oft“.
An diesem Punkt sollen künftig die Klimaschutzverträge ansetzen, die zwischen der öffentlichen Hand und einzelnen Unternehmen geschlossen werden. Das Prinzip: Auf Basis dieser Verträge werden Mehrkosten von Unternehmen aus energieintensiven Industriebranchen ausgeglichen, die den Konzernen dadurch entstehen, dass sie im Vergleich zu herkömmlichen Anlagen klimafreundlichere Alternativen errichten und betreiben.
Die Klimaschutzverträge sollen eine Laufzeit von 15 Jahren haben. In Ministeriumskreisen heißt es, man werde „einen zweistelligen Milliardenbetrag für Klimaschutzverträge zur Verfügung stellen, damit die energieintensive Industrie klimafreundlich produzieren kann“. Das Konzept geht jetzt in die Ressortabstimmung. Anfang 2023 sollen die ersten Verträge geschlossen werden.
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Habecks Vorhaben macht somit neue Technologien marktfähig. Risiken und letztlich Kosten werden berechenbarer, wodurch auch Finanzierungen durch Eigen- und Fremdkapital in klimafreundliche Technologien ermöglicht werden.
Dem Richtlinienentwurf zufolge sind „Mehrkosten für die Herstellung von Produkten“ zuwendungsfähig. „Verwendeter Wasserstoff muss den Anforderungen an grünen Wasserstoff oder blauen Wasserstoff genügen“, heißt weiter in dem Entwurf. „Verwendeter Strom muss vollständig aus erneuerbaren Energien erzeugt worden sein.“
Insbesondere die Stahlbranche wartet auf Klimaschutzverträge. Unternehmen wie Thyssen-Krupp, Salzgitter oder Arcelor-Mittal haben in den vergangenen Monaten milliardenschwere Investitionsentscheidungen getroffen, um auf klimafreundliche Produktionsverfahren umzustellen. So soll die CO2-intensive Stahlproduktion über die Hochofenroute durch das sogenannte Direktreduktionsverfahren ersetzt werden.
Wenn für das Direktreduktionsverfahren klimaneutraler Wasserstoff eingesetzt wird, entsteht CO2-neutraler Stahl. Allerdings ist dieser Stahl deutlich teurer als Stahl aus konventioneller Produktion. Die Lücke soll durch Klimaschutzverträge geschlossen werden.
Wer einen Klimaschutzvertrag abschließen will, muss sich in einer Ausschreibung beim Bundeswirtschaftsministerium darum bewerben. Wer die geringsten Hilfen verlangt, am meisten Treibhausgas einspart und am wenigsten Energie verbraucht, erhält den Zuschlag.
Bund will sich Rückzahlungen offenhalten
Dabei wird in dem Vertrag geregelt, dass eventuell auch Rückzahlungen erforderlich werden. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn die herkömmlichen Produktionsverfahren wegen steigender Preise im europäischen Emissionshandel teurer werden. Dann wird die über den Klimaschutzvertrag zu schließende Lücke kleiner. „Dies senkt die Belastung des staatlichen Haushalts”, heißt es in dem Entwurf. Mit berücksichtigt wird in den Verträgen, dass klimafreundliche Produkte einen höheren Preis erzielen können. Dieser Mehrerlös der Unternehmen wird der Richtlinie zufolge in den Verträgen zu 70 Prozent abgeschöpft.
Wenn Strom im Rahmen der Produktion verwendet wird, muss dieser aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne stammen. Beim Wasserstoff wird dagegen erlaubt, dass er etwa mit Hilfe von Erdgas erzeugt wird. Bedingung: Das anfallende CO2 muss abgeschieden und sicher gespeichert werden. Diese sogenannte CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) ist in Deutschland sehr umstritten. Allerdings ist zuletzt Bewegung in die Debatte um CCS gekommen. Im Klimaschutzprogramm hatte das Wirtschaftsministerium bereits den Weg für „blauen“ Wasserstoff geöffnet.
Eine ähnliche Infrastruktur für die CCS-Technologie soll auch in Deutschland aufgebaut werden.
(Foto: Klaus Stratmann, Handelsblatt)
Dies muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass das CO2 in Deutschland in ehemalige Erdgas-Lagerstätten gepresst wird. Länder wie die Niederlande oder Norwegen wollen daraus ein Geschäftsmodell machen und auch CO2 aus Deutschland aufnehmen. Blauer Wasserstoff gilt für eine Übergangszeit als einzig machbarer Weg für die Industrie, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen.
Grüner Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Quellen durch Elektrolyse hergestellt wird, dürfte innerhalb der nächsten Jahre nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen, um den Bedarf der Industrie zu decken. Um möglichst rasch relevante Mengen an grünem Wasserstoff zur Verfügung zu haben, arbeitet die Bundesregierung an Konzepten, die den Import von grünem Wasserstoff aus Ländern wie Australien, Chile, Marokko oder Saudi Arabien ermöglichen sollen.
Die Industrie ist für etwa ein Viertel der deutschen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. An der Spitze stehen Stahl-, Chemie- und Zementindustrie. Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Bis dahin soll also unterm Strich kein Treibhausgas mehr in die Atmosphäre geblasen werden.
Mehr: Aus diesen Ländern könnte Deutschland künftig Wasserstoff beziehen
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