Zürich, Brüssel Die EU steht kurz davor, einen Preisdeckel für russisches Öl zu beschließen. Nach den Vorstellungen von Kommission und Mitgliedstaaten soll Russland künftig maximal 60 Dollar pro Barrel Öl erhalten. Bis zuletzt war die Obergrenze umstritten. Polen und Balten verlangten, den Höchstpreis noch niedriger anzusetzen, konnten sich damit aber nicht durchsetzen.
Im Gremium der EU-Botschafter verständigten sich die Mitgliedsstaaten nun auf die Preisgrenze von 60 Dollar, wie das Handelsblatt von Diplomaten erfuhr. Wenn aus den Hauptstädten kein Veto kommt, kann die Einigung noch an diesem Donnerstag verkündet werden.
Der Preisdeckel ergänzt das Ölembargo, das am kommenden Montag in Kraft treten wird. Dieses Embargo gegen Russland beschlossen die EU-Staaten bereits im Mai. Dabei ließen sie Ausnahmen für per Pipeline geliefertes Öl zu, was vor allem für Ungarn wichtig war. Außerdem ließen sie ausreichend Zeit, damit Staaten neue Transportwege etablieren konnten. Das war unter anderem für Deutschland eine Herausforderung.
Zusätzlich einigten sich die EU-Staaten im Oktober darauf, einen Beschluss der G7-Staaten durchzusetzen. Demnach sollen Dienstleistungen verboten sein, die Russland beim Verkauf seines Öls helfen, sofern der Preis des Öls oberhalb eines bestimmten Wertes liegt.
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Preisdeckel für russisches Öl: G7-Staaten und Australien wollen mitziehen
Im Gesetz dazu steht, dass die EU-Staaten die Höhe dieses Preisdeckels zusammen mit den G7-Staaten und Australien beschließen werden. Die Gruppe wird die „Preisdeckel-Koalition“ (englisch: „Price Cap Coalition“) genannt. De facto ist die Einigung innerhalb der EU der schwierige Teil der Verhandlungen. Die anderen beteiligten Staaten haben erkennen lassen, dass sie sich einem europäischen Kompromiss anschließen werden.
Wenn sich nun die EU-Staaten auf eine Höhe geeinigt haben, kann der Wert bis Montag offiziell festgelegt werden. Wäre das nicht passiert, wäre das Verbot der Hilfsleistungen ohne Preisgrenze in Kraft getreten. Europäische Firmen hätten sich also gar nicht mehr am Ölgeschäft beteiligten dürfen.
Die beteiligten Staaten wollen Russland für den Angriffskrieg gegen die Ukraine bestrafen. Ohne einen Preisdeckel hätte das EU-Embargo den Weltmarktpreis für Öl in die Höhe getrieben und damit auch Russlands Umsätze. Zwar hätte das Land weniger Öl verkaufen können, der Preis pro Liter wäre aber deutlich gestiegen.
Mit dem Ölpreisdeckel reagieren die Europäer auch auf internationalen Druck. In den vergangenen Monaten hatten gerade die Amerikaner versucht, die Europäer von einem harten Embargo abzubringen. Die US-Regierung befürchtete, dass die EU durch den Ausschluss Russlands das Angebot auf dem Weltmarkt zu stark verknappt, und dann auch die Preise in den USA in die Höhe schnellen.
US-Finanzministerin Janet Yellen hat angemahnt, Sanktionen gegen den russischen Energiesektor auf „geordnete Weise“ zu verhängen, um „keine Preissprünge“ zu verursachen. Auch Entwicklungsländer hatten der EU vorgeworfen, Öl mit ihren Russlandsanktionen zu verteuern.
Russisches Öl wird bereits mit Preisabschlag gehandelt
Wegen der abkühlenden Weltkonjunktur ist der Ölpreis seit dem Sommer deutlich gesunken.
Der festgelegte Maximalpreis von 60 Dollar pro Barrel (rund 159 Liter) liegt etwa zehn Prozent unter dem Preis, den Russland aktuell für sein Öl erhält. Russisches Rohöl wird aktuell mit einem Abschlag von um die 20 Dollar auf den Weltmarktpreis gehandelt. Der europäische Referenzpreis Brent notiert derzeit bei knapp 88 Dollar pro Fass.
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Analysten erwarten daher, dass die Preisgrenze greift und den Ölmarkt zumindest kurzfristig durcheinanderwirbelt. So sagt Helima Croft, Rohstoffexpertin bei der Investmentbank RBC Capital Markets, der Bann „könnte in der Tat eine anfängliche Störung von mehreren Millionen Barrel pro Tag verursachen“.
Große Ölimporteure wie Indien dürften zumindest in der Anfangszeit nicht genügend Tanker und Versicherer finden, die Rohöltransporte abwickeln. Griechische Tanker verschiffen aktuell etwa die Hälfte des auf dem Seeweg exportierten russischen Öls, wie aus Daten des Institute of International Finance hervorgeht.
Offen ist, wie Russland auf die neuerlichen Sanktionen reagiert. Das Land könnte im Opec-plus-Verbund für weitere Produktionskürzungen eintreten. Die Opec plus um Saudi-Arabien und Russland entscheidet am 4. Dezember über die Förderpolitik ab Januar. Europa sei auf zusätzliche Öllieferungen aus den Golfstaaten und dem Irak angewiesen, sagt Analystin Croft. Mit Produktionskürzungen im Opec-plus-Verbund könnte Russland die Kosten der Sanktionspolitik für Europa in die Höhe treiben.
Öl ist traditionell die wichtigste Devisenquelle für Russland. Aber der wegen der stark gestiegenen Gaspreise hat Moskau dort aktuell besonders hohe Einnahmen.
Gas ist von den Sanktionen der Europäer bisher ausgenommen. Allerdings hat die russische Regierung einen Großteil der Lieferungen über die Pipelines nach Europa eingestellt. Die EU vermutet sogar, dass Russland für die Sprengung der Ostseepipelines Nord Stream 1 und 2 verantwortlich ist.
Mehr: USA wollen die EU von ihrem bisherigen Plan eines Ölembargos gegen Russland abbringen
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